Calmund exklusiv: Tuchel und Guardiola sind Freunde!

Reiner Calmund schreibt exklusiv als Kolumnist für Yahoo Sport Deutschland!

Das alles überstrahlende Topspiel steht an. Der deutsche Clásico. Die Bayern empfangen Dortmund. Exklusiv für Yahoo Sports blickt Kolumnist Reiner Calmund auf diese Partie und verrät, wie gut sich die beiden Trainer kennen...

Liebe Freunde, das Topspiel steht an.

Bayern gegen Dortmund. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie der Kracher ausgehen wird. Trotz der unterschiedlichen Ergebnisse zuletzt – Bayern-Siege ohne Ende und drei Dortmunder Unentschieden – würde ich den Rekordmeister nie vorab zum Sieger ausrufen. In solch einer spannungsgeladenen Partie kann so viel passieren, kann es Wendungen und Drehungen geben, die man vorher gar nicht auf dem Zettel hat.

Was ich mit Sicherheit sagen kann: Bei aller Rivalität zwischen den beiden prägenden Klubs der vergangenen fünf Jahre wird es einen friedlichen Sonntag in den Coaching-Zonen geben. Dass sich Thomas Tuchel wie einst Jürgen Klopp mit Feuerkopf Matthias Sammer an der Linie fetzt – so gut wie ausgeschlossen.

Tuchel und Guardiola: So etwas wie Freundschaft
Obwohl Thomas Tuchel ja, rein körperlich gesehen, als Spargeltarzan aus seinem Sabbatjahr in die Liga zurückkehrte, weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass er während dieser Zeit mindestens dreimal gegessen hat. Und das in München, u.a. gemeinsam mit Pep Guardiola. Die beiden Konkurrenten verbindet eine Menge, mittlerweile sogar so etwas wie eine Freundschaft. Im „Schumann’s“ in München wurde diese geschlossen – nach einem gemeinsamen Essen. Beim Fachsimpeln und den Diskussionen darüber, wie man den Fußball weiterentwickelt. 

Deshalb werden die zwei Taktik-Freaks am Sonntag auch nicht groß taktieren, sondern aller Welt zeigen: Seht her, wir mögen uns. Die Umarmung ist gesichert, egal, wie auf dem Rasen die Fetzen fliegen. Ich habe dieser Tage einen interessanten Beitrag von Thomas Hitzelsperger im „Handelsblatt“ gelesen. Der Ex-Profi lobt darin diese beiden Fußball-Lehrer vor allem dafür, dass sie weiter denken als viele Kollegen, die ein bzw. zwei Systeme als Dogma verkaufen. Bei Guardiola wie bei Tuchel gibt es nur ein Gesetz: Wir müssen flexibel sein. Den Gegner an seinen Schwachstellen packen, ohne die eigenen Stärken aufzugeben – das ist die hohe Kunst der doppelten Analyse. Dass man dafür erstklassiges Personal braucht, versteht sich von selbst. Ich bin sicher, beide Trainer kennen die gegnerische Mannschaft beinahe so gut wie die eigene. Und können deshalb entsprechend und schnell reagieren. Mit Umstellungen in Personal und System. 

Lewandowski und Götze treffen auf die alte Liebe
Obwohl beide sämtliche Partien schon vor dem Anpfiff bis ins kleinste Detail auseinandernehmen, glaube ich persönlich nicht an ein langweiliges und in Taktik erstarrtes Spiel mit einem 0:0 oder 1:1. Dazu ist die individuelle Klasse der Hauptdarsteller auf dem Rasen viel zu hoch. Schon das Duell des Dortmunders Pierre-Emerick Aubameyang (neun Tore) mit seinen Münchener Konkurrenten Robert Lewandowksi (zehn Treffer) und Thomas Müller (acht Einschläge) birgt ordentlich Zündstoff. Apropos Lewandowski: Trifft er gegen seinen Ex-Klub? So wie einst Mario Götze im November 2013? Auch der WM-Final-Torschütze ist so ein Leuchtturm in dieser Partie. Lässt Guardiola ihn von Beginn an ran? Oder muss er gegen die Ex-Kollegen wieder auf der Bank schmoren?

Ich bin froh, dass es wieder ein Spiel auf Augenhöhe ist. Die vergangenen Jahre mit der absoluten Überlegenheit des FC Bayern haben mich darin bestätigt, dass dieser Verein das Maß aller Dinge ist. Aber der Spannung in der Ligaspitze hat diese Dominanz natürlich geschadet. Deshalb drücke ich eineinhalb Daumen dem BVB. Und ich sehe ihn absolut nicht als Außenseiter. Thomas Tuchels Arbeit trägt Früchte. Das sieht man allein am Beispiel Gündogan. Mit fast 700 Ballkontakten in den bisherigen Spielen weist er eine bessere Quote auf als Ball-Kontakt-Rekordspieler Xabi Alonso. Youngster Julian Weigl ist der beste Passspieler der Liga. Beide stehen für die Fähigkeit Tuchels, seine Profis individuell besser machen zu können. Er propagiert ebenso wie Guardiola Ballbesitz-Fußball, beide Teams haben in dieser Disziplin einen Schnitt von über 60 Prozent pro Spiel – Spitzenwerte in der Bundesliga.

Tolles Aubameyang-Motto: "Nicht quatschen – machen!"
Die Bayern haben übrigens Heimvorteil. Ich bin sicher: Auch, wenn die sie 34 Auswärtsspiele hätten, würden sie ebenfalls Deutscher Meister werden. Sie haben eben den besten Kader der Liga, die Bayern gehören sportlich und wirtschaftlich ganz sicher zu den Top drei weltweit. Aber ebenso sicher bin ich, dass der BVB Paroli bieten kann und egal wie es ausgeht – die Meisterschaft wird an diesem Sonntag noch nicht entschieden. 

Die mutige Aussage von Emerik Aubameyang, "Ich mag mich irren. Aber ich glaube nicht, dass Bayern in diesem Jahr Meister wird," hat mich nicht, wie viele andere, besonders irritiert. Ich mag so positive Typen, die den Bayern nicht gleich den roten Teppich ausrollen, zumal er mit Robert Lewandowski die Bundesliga-Torschützenliste anführt. Aubameyangs Motto heißt deshalb auch: "Nicht quatschen  - sondern machen!"