Kommentar: König Kroos mag nur positive Fragen

Toni Kroos war schon vor dem Gewinn der aktuellen Champions League der momentan erfolgreichste deutsche Fußballer. Sein Spiel ist legendär. Doch mit ehrlichen Fragen hat er es nicht so in seiner eigenen Königsblase.

Toni Kroos beim Finale der Champions League am vergangenen Samstag (Bild: REUTERS/Molly Darlington)
Toni Kroos beim Finale der Champions League am vergangenen Samstag. (Bild: REUTERS/Molly Darlington)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Vor Toni Kroos kann man schon Angst kriegen. Als Gegenspieler ist stets zu befürchten, von ihm mit einem unmöglich scheinenden Querpass gedemütigt zu werden. Und als Interviewer riskiert man strukturell, von ihm über die Erbsengröße des eigenen Hirns belehrt zu werden.

Sind das die Risiken und Nebenwirkungen eines fünfmaligen Gewinns der berühmtesten Vereinstrophäe im europäischen Fußball?

Keine Frage, um Neid geht es hier nicht. Kroos beim Fußballspiel zuzuschauen ist eine Augenweide. Bei ihm verbindet sich die Fanleidenschaft für Stars aus früheren Zeiten mit einer leisen Ahnung, wie der moderne Fußball genau daherkommt. Am Ball ist Kroos ein König. Doch zuweilen stellt sich der Eindruck ein, dass ihm einiges zu Kopfe gestiegen ist.

Was war geschehen?

Als der Greifswalder am vergangenen Samstagabend mit Real Madrid wieder die Champions League gewann, sorgte er im Anschluss bei einem Interview für einen Eklat.

Zuerst ging alles harmlos los, wie es bei Fußballerinterviews eben ist, die regelhaft harmlos sind. Der ZDF-Reporter gratulierte Kroos artig zum Gewinn und fragte nach seinen Emotionen. Kroos, noch bester Laune, gab bereitwillig Auskunft.

Doch mit der dritten Frage zeigte er sich unzufrieden: "Auch, weil es, wenn man sich den Spielverlauf anschaut, gar nicht so selbstverständlich war?", wollte der Reporter wissen. Das war eine nicht sehr kritische Frage, mehr die Zusammenfassung des Matches, aber für Kroos roch es schon nach Majestätsbeleidigung. "Pff, was heißt nicht selbstverständlich?", fragte Kroos zurück. "Wir haben gewonnen, fertig." Kann man machen. Im Fußball dreht sich ja vieles ums Gewinnen, fertig.

Jetzt wird es kritisch

Aber der Reporter wollte doch ein wenig mehr Information, schließlich hatten die unterlegenen Liverpooler die Spielzeit hinweg eindeutig mehr Spielanteile, die sie indes nicht in Tore umsetzten. "War das überraschend für Sie, dass Real Madrid ganz schön in Bedrängnis geraten ist?"

Kroos hätte ins Philosophieren von der Warte des Siegers aus geraten können, eine naseweise Antwort geben können. Aber er gab sich angekratzt. "Du hattest jetzt 90 Minuten Zeit, dir vernünftig Fragen zu überlegen, ehrlich! Und jetzt stellst du mir zwei solche Scheiß-Fragen. Das finde ich Wahnsinn."

Eiderdaus. König Kroos kanzelt ab. Nur klärte er weder den Reporter noch die zuschauende Republik darüber auf, was denn an diesen Fragen, den normalsten der Welt und recht harmlos sowieso, derart sch… fand. Und das offenbar in einem Ausmaß, welches ihn zeigte, als blicke er in ein Irrenhaus. Wahnsinn!

Für Kroos schien es zu viel. Er ließ den verdutzten Reporter stehen. Verschwand. Man hörte ihn noch schimpfen: "Ganz schlimm, ganz schlimm, wirklich!" Auweia. Gleich darauf sagte er noch: "Du stellst erst drei negative Fragen, da weißt du doch, dass du aus Deutschland kommst."

Abgesehen davon, dass die ersten beiden Fragen reinen Weihrauch enthielten, fütterte Kroos damit ein klassisches Märchen, und das geht so: In Deutschland läuft man gern sauertöpfisch umher und spuckt noch lieber dem Nachbarn in sein eh schon saures Töpfchen. Missgunst und Nörgelei regieren die Welt. Und nur außerhalb, da beginnt das Leben. Mit Emotion und so.

Das Leben ist keine Mottenkiste

Das ist natürlich Quatsch, mehr eine Folklore. Wenn Kroos meint, journalistische Fragen seien nur zum Bejubeln seiner Person, dann hat er ein seltsames Verständnis von Journalismus. Er offenbart eine Überheblichkeit und Arroganz. 90 Minuten Zeit, und dann solche Fragen! Tststs.

Vielleicht haben sich Fußballer zu sehr daran gewöhnt, nicht gerade mit kritischen Fragen, also wirklich kritischen Fragen, konfrontiert zu werden. Sie leben wie in Watte gepackt. Berater schirmen sie ab, Angestellte erledigen die Kommunikation via Social Media. Da passt es nicht, wenn dann jemand daherkommt und tatsächlich etwas wissen will. Also, so geht das natürlich nicht.

Kroos zeigte sich im abgebrochenen Interview nicht nur unprofessionell, sondern auch menschlich gesehen nicht gerade vorbildlich. Wenn er denkt, über Journalisten wegen angeblich dummer Arbeit (=angeblich dumme Fragen) herziehen zu können, dann sollte er besser nicht fragen, was Journalisten gemeinhin vom Intellekt von Fußballern halten; was natürlich auch nur einer klischeehaften Schublade entspringt. Bloß: Weiter kommt man so nicht. So sad.

Im Video: Fans bejubeln Real-Team bei Siegesfeiern in Madrid