Kommentar: Wie Fußballstars aus Sucht Geld machen

Die Faninitiative "Unsere Kurve" stellt heute einen Forderungskatalog vor: Sportwetten sollen mehr geächtet werden. Denn sie dominieren den Profifußball immer mehr. Die Geschichte einer Schande.

Sportwettenwerbung ist aus dem öffentlichen Bild der Fußballwelt kaum wegzudenken. (Bild: REUTERS/Robert Zolles)
Sportwettenwerbung ist aus dem öffentlichen Bild der Fußballwelt kaum wegzudenken. (Bild: REUTERS/Robert Zolles)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Man könnte sagen: Was gehen mich die Finanzen von Lothar Matthäus an? Oder was trieb Oliver Kahn und Thomas Häßler an, wie der Franke für Sportwetten zu werben? Zu vermuten ist, dass es das Geld war.

Lukrative Gagen winken ehemaligen Fußballstars, wenn sie ihr Gesicht für Plattformen hergeben. Werbung ist schließlich nicht verboten.

Allerdings geht es hier nicht um Margarine oder andere Brotaufstriche, nicht um Scheibenwischer oder Schnürsenkel, also um Produkte, über deren Qualität man sich auch ärgern kann: Das Fett auf der Schnitte schmeckt fad? Und das kaufte ich nur wegen dem! Im Auto seh ich beim Regen nix? Warum hat der nur diesen Mist angepriesen! Und dass der Senkel schon wieder gerissen ist, das werde ich XY nie verzeihen…

Man könnte sagen: So ist Werbung halt. Aber das Schicksal eines geschmacklich verunglückten Frühstücks ist weniger dramatisch als zum Beispiel der Fall in Spielsucht. Letzteres ist eine Krankheit. Und Kahn und Häßler verdienten daran, Matthäus tut es noch heute; ähnlich verfuhr Bastian Schweinsteiger, als der sich vor ein paar Jahren erdreistete, "Botschafter" der Automatenindustrie zu spielen, womit er angeblich aufklärte, in Wirklichkeit aber die allgemeine Sympathie, die man für ihn hat, vergoldete. Da wurde nichts aufgeklärt, sondern ein Suchtbusiness reingewaschen. Fußballer als Waschbecken für die Pontii Pilati dieser Welt? Das mag nicht verboten sein. Aber unanständig ist es zumindest.

Und es nimmt überhand. Die Werbung für Sportwetten nimmt zu, weil sie nicht reglementiert wird. Neun Milliarden Euro Umsätze sollen jedes Jahr fließen. Daher nimmt diese Industrie so viel öffentlichen Raum ein, wie man ihr erlaubt. Und der Fußball zieht voran mit. Auf welchen Trikots prangt kein Logo eines Wettanbieters? Selbst die ARD-Sportschau wird gesponsert.

Doch es ist ein Geschäft mit dem Leiden Anderer. Jeder kennt das: Die Verlockung des schnellen Geldes, verbunden mit Sportleidenschaft – dem Kalkulieren von Chancen und Risiken. Das Kribbeln. Die Welt der Wettlokale oder der Pferderennbahnen fasziniert mich durchaus. Aber in ihnen schwingt immer eine Traurigkeit mit, es ist die jener, die verlieren. Auch das kann Freude bereiten. Aber bei zu vielen wird es zur Sucht. Dann ist Schluss mit lustig. So geht es Hundertausenden in Deutschland. Wer daran verdient, sollte in der eigenen Wohnung besser keine Spiegel aufstellen.

Eine Faninitiative will das ändern. Heute hat "Unsere Kurve" einen Forderungskatalog veröffentlicht. Sie will von den Vereinen und den Verbänden:

  • "Konsequente Etablierung von Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung von Fans sowie Mitgliedern zum Sucht- und Gefährdungspotenzial von Sportwetten.

  • Einen gemeinsamen Beschluss zur übergreifenden Selbstverpflichtung, spätestens zum Stichtag am 01.07.2022 keine neuen Sponsoring-Verträge und anderweitige Kooperationen mit Sportwetten-Anbietern abzuschließen und keine bestehenden Verträge zu verlängern.

  • Bei bestehenden Verträgen mit Sportwetten-Anbietern mindestens 50% der hierdurch generierten Einnahmen nachweislich in staatlich anerkannte, von der Anbieterseite unabhängige Präventionsmaßnahmen bzw. in Anlaufstellen zu Glücksspielproblemen und Suchterkrankungen zu investieren.

  • Die vertragliche Verankerung eines Beteiligungs-Verbots für aktive Sportler*innen an Sportwetten und deren Bewerbung ab spätestens 01.07.2022 in mindestens allen Fußball-Profiligen."

Und sie will von der Politik:

  • "Ein generelles Werbeverbot für Sportwetten-Anbieter in Stadien und sportbezogenen Medien analog zu anderen gegenstandsbezogenen Werbeverboten aus Gründen des Jugendschutzes.

  • Ein Verbot für Sportwetten-Anbieter, mit ehemaligen oder aktiven Sportler*innen, Funktionsträger*innen oder sonstigen Personen des öffentlichen Lebens für ihr Produkt zu werben, egal ob als Einzelperson oder als Gruppe.

  • Eine Ergänzung des Warnhinweises bei Sportwetten mit der Aussage: "Gewinne steigen nicht signifikant durch ausgereiftes Expert*innen-Wissen."

  • Einen massiven Ausbau von Präventionsmaßnahmen und Anlaufstellen in den Bereichen Sucht und Glücksspiel sowie deren deutlich bessere finanzielle Ausstattung."

Eine bessere Fußballwelt ist möglich. Mit weniger Skrupeln. Jedenfalls, wenn sie nicht im Geldschrank versteckt werden.

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