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Kultur statt Katar - Boykott der Fußball-WM

Die WM 2022 in Katar ist die umstrittenste Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten. Und die Kritik reißt nicht ab. Missachtung der Menschenrechte, homophobe Äußerungen und dubiose Umstände bei der Vergabe führen dazu, dass immer mehr Fans zum Boykott der Fußball-WM aufrufen. Und sie haben Recht: Es gibt genug Gründe, wieso diese WM niemals stattfinden sollte.

Die WM in Katar boykottieren? Plakate mit
Die WM in Katar boykottieren? Plakate mit "Boycot Qatar 2022" rufen dazu auf (Bild: Marcel ter Bals/Orange Pictures)
  • Boycott Qatar 2022 – so entstand die Initiative

  • Boykott der WM: Das wurde bisher erreicht

  • WM 2022 in Katar: Keine großen Fan-Feste geplant

  • Kein Public Viewing in Frankreich

  • Auch ehemalige Fußballspieler boykottieren

  • Wolfsburg will Fans nicht bestrafen

Bald ist es so weit: Die Fußball-WM in Katar findet vom 20. November bis 18. Dezember 2022 statt. Noch nie wurde im Vorfeld einer Weltmeisterschaft so viel diskutiert wie bei dieser. Und auch noch jetzt, knapp eine Woche vor Beginn der Veranstaltung, werden Stimmen laut, dass die WM am besten boykottiert werden sollte. Fan-Organisationen in ganz Deutschland schließen sich der Initiative "Boycott Qatar 2022“ an, denn, so heißt es: "Diese Weltmeisterschaft ist #NichtUnsereWM".

Boycott Qatar 2022 – das steckt hinter der Initiative

Gigantische Klimaanlagen, die jede Menge Energie verbrauchen, Tote beim Stadionbau und Homophobie, außerdem Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe der Fußball-WM – all das spricht dafür, die Weltmeisterschaft in Katar zu boykottieren. Der katarische WM-Botschafter Khalid Salman hatte mit seiner Aussage in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" Schwulsein sei ein "geistiger Schaden" für massive Kritik gesorgt. Der Lesben- und Schwulenverband Hamburg (LSVD) warnt Homosexuelle sogar davor, zur Fußball-WM nach Katar zu reisen. "Da ist schon das Zeigen der Regenbogen-Flagge verboten und eine Gefahr, dass man verhaftet wird. Dann schaut man sich die WM im Gefängnis an", sagt der Vorsitzende Wolfgang Preussner.

Kein Wunder also, dass sich immer mehr Menschen dazu bereit erklären, ein Zeichen zu setzen, und die WM in Katar gar nicht erst anschauen möchten. Eine Initiative, die den DFB und die deutschen Nationalspieler in einem offenen Brief auffordert, Preisgelder und Prämien in einen Entschädigungsfonds für Arbeitsmigrant*innen zu stecken, ist "Boycott Qatar 2022". Sie ist gut organisiert und ruft "alle Fans auf, ob Kreisklasse oder Bundesliga, ob im Stadion oder außerhalb, ihre Ablehnung zu demonstrieren." Egal ob mittels Banner oder durch Proteste – Ziel des Bündnisses ist es, Stimmung gegen die WM in Katar zu machen.

Hinter der Initiative stecken Journalist und Buchautor Dietrich Schulze-Marmeling und sein Freund und Schriftsteller-Kollege Bernd Beyer. "Bernd sagte mir, wir müssten im Vorfeld der WM in Katar was tun. Wir dürften die Fifa und Katar nicht einfach so davonkommen lassen. Wir müssen proaktiv handeln und so eine Debatte anstoßen", erzählte Schulze-Marmeling gegenüber der Frankfurter Rundschau. Die beiden Autoren begannen deshalb an ihrem Buch "Boykottiert Katar 2022 – warum wir die Fifa stoppen müssen“ zu arbeiten, entwarfen ein Logo und einen Schriftzug für die Initiative.

Boykott der WM: Das wurde bisher erreicht

Seit Beginn der Initiative sind mehr als 300 Banner verkauft worden, auch in deutschen Fankurven gibt es immer wieder Aufrufe zum Boykott der Fußball-WM in Katar. Die riesigen Transparente sind mittlerweile fester Bestandteil im Stadion bei Bundesligaspielen. Auch am letzten Bundesliga-Spieltag vor der Winterpause haben etliche Fans, wie zum Beispiel die Anhänger von Hertha BSC, mit Plakaten mit der Aufschrift "Boycott Qatar" gegen die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar protestiert.

Fans des Hertha BSC protestieren mit einem Banner mit der Aufschrift
Fans des Hertha BSC protestieren mit einem Banner mit der Aufschrift "Boycott Qatar" gegen die Fußball-WM in Katar (Bild: Boris Streubel/Getty Images)

Wie Dietrich Schulze-Marmeling sagte, sei ihr Boykott-Impuls erst schleppend angelaufen, "aber das hat sich radikal verändert in den letzten Monaten“. Die Kampagne sei längst angekommen, Mitgliederversammlungen wie bei den Zweitligisten Karlsruher SC und Fortuna Düsseldorf, der Evangelischen Jugend Bayern oder des Vereins Berliner Christopher Street Day hätten sich angeschlossen.

Auch Public Viewing wird es in der Form, wie es bei vielen Weltmeisterschaften im Sommer stattfand, nicht geben. Viele Kneipen und Sportbars in ganz Deutschland haben nämlich entschieden, dass sie WM-Spiele nach dem Motto "Kein Katar in meiner Bar“ nicht übertragen werden und stattdessen ein Alternativprogramm anbieten wollen. "Wir sehen das als Erfolg der Diskussion, die von Fanseite und Menschenrechtsgruppen ausgegangen ist", sagt Bernd Beyer, Mitinitiator der BoycottQatar-Kampagne, gegenüber ZDFsport.

WM 2022 in Katar: Keine großen Fan-Feste geplant

Ob Hamburg, Hannover, Rostock oder Kiel, der Norden will beim Public Viewing nicht mitmischen. "Stell' dir vor, es ist WM und keiner kann hingehen", lautet überspitzt das Motto, wenn für die deutsche Nationalmannschaft am 23. November mit dem ersten Gruppenspiel gegen Japan der WM-Startschuss in Katar fällt. In Kiel hatte die Ratsversammlung beispielsweise bereits Anfang 2022 beschlossen, Public-Viewing-Pläne nicht zu unterstützen. "Die Kieler Ratsversammlung schließt sich der vielfach geäußerten Kritik an, dass die Fußball-Weltmeisterschaft nicht nach Katar hätte vergeben werden sollen", heißt es in dem Beschluss vom Februar.

Auch in Berlin oder in München sind aktuell keine Fan-Feste mit großen Leinwänden geplant. Bei den Kneipen und Cafés, die kein Public Viewing zeigen wollen, handelt es sich dabei nicht nur um kleine Locations. Eine der Top-Fußball-Locations in München, das Park Café, schreibt beispielsweise auf seiner Facebook-Seite: "Wir haben im Park Café seit den 90er Jahren alle großen Fußballturniere gezeigt. Dieses Jahr können wir das nicht mit unserem Gewissen und den heutigen Schwerpunkten vereinbaren. Daher haben wir uns als eine der Top Fußball-Locations in München dafür entschieden die WM nicht zu zeigen."

Und auch die Kölner Brauerei "Mühlen Kölsch" schrieb: "Wir können nicht einfach die Ukraine-Flaggen an unserer Fassade gegen Deutschland-Fahnen austauschen und so tun, als sei alles gut!" Es gibt auch Fangruppierungen wie "Back2Bolzen“, "Kultur kickt Katar“, "Kicken statt Gucken“, die alternative Fußballturniere anbieten.

Kein Public Viewing in Frankreich

Gegen ein Public Viewing während der Fußball-WM in Katar haben sich auch mehrere französische Großstädte entschieden. Damit wollen sie auf die schlechte Menschenrechtslage in dem arabischen Land reagieren. Der Stadtrat von Lille habe einstimmig eine Erklärung verabschiedet, in der er die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft vom 20. November bis 18. Dezember in Katar missbilligt, da sie in Bezug auf Menschenrechte, Umwelt und Sport unsinnig sei, teilte die Bürgermeisterin der nordfranzösischen Stadt, Martine Aubry, mit: "Wir werden kein einziges Spiel auf Großbildschirmen übertragen."

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Wie der Sender France Info berichtete, entschieden sich auch die ostfranzösischen Städte Straßburg und Reims für diesen Schritt. "Es ist unmöglich für uns, die zahlreichen Warnungen von NGOs zu überhören, die den Missbrauch und die Ausbeutung von Gastarbeitern anprangern", begründete die Straßburger Bürgermeisterin Jeanne Barseghian die Entscheidung gegen das Public Viewing.

Auch ehemalige Fußballspieler boykottieren

Und auch ehemalige deutsche Nationalspieler unterstützen die Aktion. Philipp Lahm sagte erst kürzlich, dass er weder als Teil der offiziellen Delegation noch als Fan nach Katar reisen werde. "An solche Länder, die die Kriterien nicht einhalten, darf eine WM nicht vergeben werden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Auch der frühere englische Fußball-Star Gary Lineker hat ein Problem mit der WM in Katar. "Ich unterstütze die WM nicht. Ich wurde auch gebeten, die Auslosung für die FIFA vorzunehmen, da habe ich mich geweigert, weil ich dachte, das wäre Heuchelei gewesen", sagte Lineker im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Es sei eine korrupte Bewerbung gewesen, "das wissen wir alle", meinte Lineker. "Die Hälfte derer, die damit zu tun hatten, sitzen heute entweder im Gefängnis oder wurden verbannt. Die WM hätte nicht dorthin vergeben werden sollen".

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Dario Minden, der stellvertretende Vorsitzende der Fan-Dachorganisation "Unsere Kurve“, der durch eine verbale Konfrontation mit dem katarischen Botschafter in Deutschland bei einem DFB-Kongress im September zum Gesicht der Katar-Kritiker geworden war, hat ausgesagt, dass er die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar auch am Fernseher boykottieren werde. Selbst wenn Deutschland im Finale stünde, würde er das Spiel nicht schauen, sagte der Fan-Vertreter im Interview der "Frankfurter Rundschau“.

"Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass sich durch private Konsumentscheidungen irgendetwas ändert an den großen Problemen, die wir im Zusammenhang mit diesem Turnier erleben. Es ist vielmehr eine Frage der individuellen Herangehensweise. Bei diesem Turnier kommt zu viel Übel zusammen, ich denke, ich möchte einfach verhindern, komplett abzustumpfen“, sagte er.

Wolfsburg will Fans nicht bestrafen

Eine deutsche Stadt macht jedoch eine Ausnahme: Wolfsburg will auf einer LED-Wand auf dem Weihnachtsmarkt zumindest die deutschen Spiele zeigen. "Wir haben die Menschrechtsproblematik im Hinterkopf, aber wir wollen nicht die Fans und Sportler bestrafen", sagte Wolfsburgs Citymanagement-Bereichsleiter Frank Hitzschke dem NDR. "Die können nichts für die Entscheidung, dass Katar der Austragungsort ist."

Ob sich alle Veranstalter und Kneipen an das Boykott halten werden, wird sich zeigen – spätestens, wenn WM-Held Mario Götze und seine Mannschaftskollegen dem Ball in Katar hinterherlaufen.

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