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Russland droht der Wintersport-K.o.

Russland droht der Wintersport-K.o.
Russland droht der Wintersport-K.o.

Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine machen auch nicht vor der Sportwelt halt.

Sukzessive schlossen diverse Verbände die Athletinnen und Athleten aus Russland nach dem Kriegsbeginn im Februar aus.

Abgesehen vom Startverbot in zahlreichen Wettbewerben haben die russischen Sportlerinnen und Sportler ein weiteres Problem.

Denn während sich ukrainische Biathleten der Armee zur Verteidigung ihrer Heimat angeschlossen hatten, traten Russlands Olympia-Medaillengewinner im März bei einer Propaganda-Show des Kremls im Moskauer Luzhniki Stadion auf. Dabei trugen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Jacken mit dem russischen Kriegssymbol „Z“.

Der Buchstabe entwickelte sich während des andauernden Krieges zu einem Symbol für die Unterstützung der russischen Armee und Regierung.

Ausrüster rücken von russischen Athletinnen und Athleten ab

In der Folge distanzierten sich westliche Ausrüster von den russischen Athletinnen und Athleten. Davon betroffen ist unter anderem auch Langlauf-Superstar Alexander Bolshunov.

Der französische Skihersteller Rossignol kündigte die Zusammenarbeit mit dem 25-Jährigen. Ebenso rückten der Stock-Lieferant Swix und der Handschuh-Produzent Kinetixx von Bolshunov ab.

Das stellt den russischen Wintersport vor eine verzwickte Situation, konkret könnte es künftig an konkurrenzfähiger Ausrüstung mangeln. Der russische Biathlonverband redete das Problem allerdings klein: Man habe bereits in der vergangenen Saison „positive Erfahrung“ mit der Nutzung einheimischer Materialien gemacht.

Auch der russische Skihersteller STC gab sich zuversichtlich, in Kürze den Athletinnen und Athleten die besten Skier zur Verfügung stellen zu können. Bislang produzierte das Unternehmen jedoch hauptsächlich Einsteiger- und Kindermodelle.

Klare Kritik von der Konkurrenz: „Das ist total krank“

Des Weiteren sorgt die Unterstützung von Putins Propaganda durch manche russische Sport-Größen nicht nur bei den internationalen Herstellern für eine Distanzierung. So äußerte etwa Biathlon-Star Sebastian Samuelsson sein Unverständnis über die Vorgänge. „Ich frage mich, ob sie dazu gezwungen wurden, oder ob sie wirklich so dumm sind. In jedem Fall ist es krank“, meinte der Schwede im Aftonbladet.

Die Meinung des norwegischen Biathleten Sturla Holm Laegreid ging in dieselbe Richtung: „Das ist total krank. Das weckt Erinnerungen an 1938 in Deutschland. Es ist ekelhaft, dass die Welt wieder so geworden ist.“ Seine Landsfrau und Langlauf-Gesamtweltcupsiegerin Therese Johaug sagte schockiert: „Ich nehme so stark Abstand davon, dass ich es nicht schaffe, mich dazu zu äußern, ich bin richtig wütend.“

Diplomatischer drückte sich FIS-Renndirektor Pierre Mignerey bei der norwegischen Rundfunkanstalt NRK aus. „Eine Distanzierung von Putin kann schwere Konsequenzen für namhafte Sportler haben“, erklärte der 50-jährige Franzose und führte aus: „Sie würden Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen und die Leistungssport-Karriere riskieren. Dann müssten sie möglicherweise ihr Land verlassen, oder Schlimmeres.“

Russland-Ausschluss könnte fortgesetzt werden

Der internationale Skiverband wird die Situation in der Ukraine genaustens verfolgen und mit Blick auf den kommenden Winter eine Entscheidung treffen müssen. Der aktuelle Ausschluss russischer Sportlerinnen und Sportler ist noch bis September gültig - und soll dann neu bewertet werden.

Eine darüber hinaus fortwährende Sperre wäre ein herber Dämpfer für Putins Propaganda und gleichbedeutend mit dem K.o. für Russlands Wintersport. So gehört zum Beispiel Skilanglauf landesweit zu den angesehensten Sportarten, einzelne Weltcups werden von Millionen Russen vor dem Fernseher verfolgt.

Dementsprechend wird die Szene durch die Frage gespaltet, ob Russland im kommenden Winter an den Langlauf-Wettbewerben teilnehmen soll oder nicht.

Spannungen zwischen Russen und Norwegern

Zuletzt hatte der norwegische Starter Even Northug bei VG Stellung bezogen. Zwar sei ein Fehlen der russischen Topstars um Bolshunov sportlich ein enormer Verlust, dennoch müssten die Sanktionen seiner Meinung nach beibehalten werden.

„Zumindest möchte ich keine russische Flagge oder russische Nationaltracht sehen“, sagte der 26-Jährige. Der Krieg müsse „einige Konsequenzen“ für Russland haben.

Eine Reaktion des russischen Langlauf-Cheftrainers Yuri Borodavko ließ nicht lange auf sich warten. „Die russischen Sportler fahren zur Weltmeisterschaft und nicht zu ihm persönlich. Seine Meinung ist die letzte! Wir haben nicht vor, zu Even zu gehen. Wir gehen zu internationalen Wettbewerben. Er soll sich auf die Zunge beißen“, sagte er bei Sport-Express.

Neben Northug positionierte sich auch Teamkollege Johannes Kläbo eindeutig gegen ein Ende der Sanktionen. Daraufhin reagierte wiederum Bolshunov. In einem Interview bei Ria Sport sagte der dreimalige Olympiasieger: „Es ist nicht sehr angenehm zu hören, wenn Johannes Kläbo sagt, er wolle die Russen nicht bei der WM sehen. Ich hasse es, das zu hören.“

IBU: Verstöße „gegen die humanitären Verpflichtungen“

Doch nicht nur im Langlauf brodelt es: Auch der Biathlon-Weltverband IBU hatte Russland sanktioniert. Der russische Biathlon-Chef Viktor Maigurov bezeichnete den andauernden Ausschluss jüngst als „demütigend“. Man habe gegen keine Regeln und keine Forderungen der IBU verstoßen.

Allerdings konterte die IBU mit dem Standpunkt, der russische als auch der belarussische Verband würde gegen die humanitären Verpflichtungen verstoßen. Weiter begründete der Weltverband, dass die Verbände die IBU und den Biathlonsport in Verruf bringen würden.

Statements, die nicht danach klingen, als sei ein Ende der Sperre von Russland in Sicht. Selbst wenn die Athletinnen und Athleten im kommenden Winter antreten dürften, blieben viele Fragen offen. Die nach der Ausrüstung wäre nur eine davon.