Alpin-Boss: Dieser Wettbewerb darf nicht gestrichen werden

Der alpine Ski-Weltcup konnte mit dem Auftakt-Wochenenden in Sölden ein erstes sportliches Highlight setzen. (SERVICE: Alle Rennen und Ergebnisse)

Die Absagen der folgenden Wettkämpfe warfen jedoch einen Schatten auf die noch junge Wintersaison - und zeigten zugleich ein Problem in der Skiwelt auf.

Die zahlreichen Rennen, die dem frühen Saisonstart zum Opfer gefallen waren, sowie die Diskussion um das - ebenfalls abgesagte - Leuchtturm-Projekt Matterhorn-Abfahrt offenbarten die Diskrepanzen zwischen FIS-Präsidenten Johan Eliasch und zahlreichen nationalen Verbänden. (NEWS: Eskaliert der FIS-Streit?)

Bereits im Sommer war der Streit in der FIS eskaliert, als sich die vier Top-Nationen Deutschland, Österreich, Schweiz und Kroatien zusammentaten, um eine Klage gegen die Wahl des FIS-Präsidenten beim Internationalen Sportgerichtshof CAS einzureichen. (NEWS: Alles zum Ski Alpin)

FIS-Präsident? „Geht in die völlig falsche Richtung“

Ein Kritiker des aktuellen Präsidenten ist Wolfgang Maier. Der Alpindirektor des Deutschen Skiverbands DSV sieht den schwedisch-britischen Geschäftsmann auf dem völlig falschen Weg - kein Grund aber, nicht auch selbstkritisch auf die eigenen Worte und Taten zu schauen, wie der 61-Jährige im Gespräch mit SPORT1 beweist.

Ferner spricht Maier über die Kommerzialisierung des Sports, die Matterhorn-Abfahrt - und warum die Nordische Kombination nie aus dem olympischen Programm fallen darf.

SPORT1: Bereits vor dem Weltcup-Auftakt hat der Ski Alpin für viel Gesprächsstoff gesorgt. Wie sehen Sie das Verhalten von FIS-Präsident Johan Eliasch?

Wolfgang Maier: Man hatte sich damals von seiner Wahl deutlich mehr versprochen – vor allem neue Impulse bezüglich der Weiterentwicklung des Weltcups. Man dachte, dass jemand aus der Wirtschaft kommt, der das Thema Weltcup aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtet und neuen Input liefert. Stand der Dinge ist jedoch, dass die Art und Weise, wie er Wintersport betrachtet, in die völlig falsche Richtung geht.

SPORT1: Können Sie das präzisieren?

Maier: Niemand wollte, dass die Saison so früh im Oktober startet. Wir wollten ganz andere Themen sehen. Wir wollten eine höhere Qualität der Events. Wir wollten auch nicht mehr Events. Wir hatten in den vergangenen Jahren viele Diskussionen um die Belastbarkeit der Athleten und haben hier in den vergangenen zwei Jahren eine Lösung gefunden, wo sich viele der Beteiligten wiedergefunden haben. (SERVICE: Weltcup-Kalender)

Maier selbstkritisch: Kritik? „Man kann sich auch schaden“

SPORT1: Wie wird die kritische Haltung des DSV wahrgenommen?

Maier: Die kritische Haltung betrifft nicht nur den DSV. Auch Österreich, Kroatien und die Schweiz sowie teilweise die Italiener und Skandinavier sehen die Thematik anders als der augenblickliche Präsident.

SPORT1: Werden der DSV und die anderen nationalen Verbände auch weiterhin so offensiv in der Öffentlichkeit den FIS-Präsidenten kritisieren?

Maier: Die Frage ist, was man mit ständiger Kritik in der Öffentlichkeit bewegt. Je kritischer wir gegen das eigene System antreten, desto mehr kann man sich auch schaden, wenn man nur negativ über die Problematik spricht. Dabei ist Skifahren ein cooler Sport, der viel Freude macht. Wir sind allerdings momentan in einem System gefangen, wo wir dachten, wir machen es eigentlich besser für den Sport. Aber wir haben verschiedene Blickwinkel. Der FIS-Präsident will mehr Kommerz und mehr Rennen. Wir wollen die Qualität der Events steigern. Man muss akzeptieren, dass Wintersport von Anfang November bis Mitte März stattfindet. Nicht im Sommer, nicht in der Halle! Da ist aber eine Diskrepanz in der Betrachtungsweise.

SPORT1: Sehen Sie dann die Kommerzialisierungspläne der FIS kritisch?

Maier: Natürlich gehört Kommerzialisierung zum Sport. Wenn der Sport kein Geld erwirtschaftet, gibt es auch kein Interesse. Daher muss man die richtigen Lösungen im Sinne des Sports finden.

SPORT1: Wie stehen Sie dann aus Kommerzialisierungssicht zu dem Leuchtturm-Projekt Matterhorn des FIS-Präsidenten?

Maier: Man startet mit einer Abfahrt, die vier Kilometer lang und auf 3800m Höhe gelegen ist zu einem sehr frühen Zeitpunkt in die Saison. Das ist was völlig anderes als ein Riesenslalom in Sölden. Das ist nicht zu vergleichen. Ein Test-Event im Vorlauf auf Europacup-Ebene hätte uns hier sicher wertvolle Erkenntnisse gebracht. (NEWS: Neue Strecke sorgt für Ski-Zoff)

Diesen Wettbewerb würde Maier streichen

SPORT1: Wie stehen Sie zu den anderen Änderungen wie Abschaffung von Disziplinen?

Maier: Die Disziplin, die seit Jahren in der Kritik steht und die auch ich kritisch sehe, ist das bisherige Format der Alpinen Kombination. Dagegen: eine Kombination mit zwei Fahrern in einem Team, mit dem besten Abfahrer und besten Slalomfahrer, hätte eine Chance verdient. Dann sieht man die besten Fahrer der jeweiligen Disziplin gegeneinander fahren. Es wäre interessant, wie das bei den Zuschauern ankäme.

SPORT1: Sie würden also einen kleinen Nationalmannschaftswettbewerb bevorzugen?

Maier: Ja, es wäre dann eine „kleine“ Team-Kombination. Aber generell kann man über viele Disziplinen diskutieren. Die vier Grunddisziplinen müssten jedoch unantastbar erhalten bleiben. Was ich auch auf keinen Fall streichen würde, ist der Team-Wettbewerb. Einmal fahren da Männer und Frauen zusammen, zum anderen kommt er bei den Zuschauern gut an. Bei den vergangenen drei Weltmeisterschaften war der Team-Wettbewerb die mit am besten besuchte Veranstaltung vor Ort. Der Wettbewerb macht auch den Sportlern großen Spaß. Der Wettbewerb steht dem alpinen Skisport gut zu Gesicht. Über alle anderen Dinge kann man diskutieren. Parallelrennen müssen nicht unbedingt sein. Auch die Kombination ist kein Muss. Aber natürlich will man olympische Disziplinen nicht verlieren und die Kombination war eine der wichtigsten Entwicklungen in der olympischen Idee des alpinen Skirennsportes.

SPORT1: Da Sie Olympia angesprochen haben, ein kleiner Blick über den Tellerrand: Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion um die Nordische Kombination?

Maier: Die Diskussion in der Nordischen Kombination kann ich nicht nachvollziehen. Olympia hat den Anspruch, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Da ist die Nordische Kombination eine Basisdisziplin. Die darf nie aus dem Programm verschwinden. Daher darf man eine Traditionsdisziplin wie die Nordische Kombination auf keinen Fall aus dem Programm streichen - egal, wie man dazu steht. Es gehört zur Tradition und Olympische Spiele sind auch verpflichtet, Tradition zu erhalten.