Matthäus exklusiv: "Kroos ist kein Leader"

Lothar Matthäus liefert ab sofort Eindrücke und Analysen für Yahoo Sport.
Lothar Matthäus liefert ab sofort Eindrücke und Analysen für Yahoo Sport.

Die Bayern sind in der Bundesliga nicht zu stoppen. Und international? Ist Barca nicht mindestens genau so gut? Eher nicht, sagt Yahoo-Sport-Experte Lothar Matthäus. Im Gegenteil: Auch Barcelona müsse sich fürchten. Von Real und im Speziellen von Toni Kroos erwartet Matthäus dagegen sehr viel mehr.

Yahoo Sport: Lothar Matthäus, in der Bundesliga haben die Bayern keine Konkurrenz, in der Champions League allerdings schon: Haben Sie die sensationellen Auftritte von Barcelona gegen Real im Clasico sowie Dienstagabend in der Königsklasse gegen die Roma überrascht?

Lothar Matthäus: Ehrlich gesagt: nein! Der 4:0-Erfolg gegen Madrid war zwar auch für mich in Sachen Deutlichkeit und Höhe unerwartet. Aber dass sie gewinnen würden, war mir klar. Es war ein bedeutender Sieg, eine Demütigung für Real, vergleichbar mit dem 2:6 in der Saison 2009.

Barcelona ist seit Jahren eine Weltklasse-Mannschaft - offenbar zuletzt auch ohne den Superstar Lionel Messi. Was sind die Gründe dafür? Welche Philosophie verfolgen dort die Verantwortlichen?

Matthäus: Barcelona ist eine Weltklasse-Mannschaft, ohne Frage. Aber mit Messi sind sie noch deutlich stärker. Man kann auch mal ohne ihn gewinnen, aber auf höchstem Niveau ist es dauerhaft schwer. Die Spanier machen mit ihrer Philosophie alles richtig. Ein hervorragendes Offensivspiel mit Weltklassespielern – das ist die Maxime. Trainer Luis Enrique hat die Philosophie von Pep Guardiola erfolgreich fortgesetzt, er lässt nur noch schneller nach vorne spielen. Mit Neymar und Luis Suarez besitzt man zwei weitere Top-Torjäger, das ist letztlich einfach Weltklasse.

Müssen die Bayern deshalb hoffen, in der Champions League nicht zu früh gegen Barcelona zu spielen? Das könnte ja ein schnelles Ende aller Träume bedeuten. Was meinen Sie: Wie muss Bayern gegen Barca spielen, gibt es da so etwas wie ein Geheimrezept?

Matthäus: Die Frage muss man aus meiner Sicht anders stellen. Barcelona muss hoffen, in der Champions League nicht früh gegen die Bayern zu spielen. Die Münchner sind für mich in der Königsklasse leichter Favorit VOR Barcelona. Sie präsentieren sich enorm  kompakt und konstant. Die Fragen muss so lauten: Wie muss man gegen die Bayern spielen, um sie zu schlagen.

Wird es auch ein Duell der Trainer?

Matthäus: Guardiola und Enrique kennen die jeweiligen Teams sehr gut und vor allem Guardiola kennt seinen Ex-Verein Barcelona in und auswendig. Ja, es ist auch ein Trainerduell. Ich hoffe wirklich, dass, sollte es zum Aufeinandertreffen kommen, auch alle Topstars fit und verletzungsfrei sind. Das war bei den voran gegangenen Aufeinandertreffen leider nicht so.

Das Geheimnis großer Mannschaften ist auch die Konstanz über Jahre hinweg. Die Bayern leben es, Barcelona auch. Wie schafft man das? ist der Trainer dafür verantwortlich? Oder liegt es in erster Linie an der Mentalität der Spieler, an der Chemie innerhalb der Mannschaft?

Matthäus: Das liegt in erster Linie an den Verantwortlichen, an den Entscheidungsträgern. Nicht ausruhen, eine starke Mannschaft noch stärker machen, darum geht es! Solche Teams haben den Anspruch, immer noch besser zu werden. Wobei die Bayern für mich die noch effizientere Einkaufspolitik zeigen. Zudem braucht man einen Top-Trainer, der die Qualität des Kaders optimal kanalisieren kann. So schafft es zum Beispiel Guardiola immer wieder, Ausfälle zu kompensieren. Selbst  wenn es um Spieler wie Franck  Ribery oder Arjen Robben geht.

Weg von Barca und Bayern hin zu Real Madrid. Das befindet sich in einer Krise. Woran liegt das? An der Fokussierung auf die Qualitäten eines Cristiano Ronaldo? Oder gibt es tiefere Ursachen?

Matthäus: Einerseits ist der neue Trainer, Rafael Benitez, wie mir scheint, noch nicht komplett angekommen und muss sich noch mit seinen Vorgängern Carlo Ancelotti oder José Mourinho vergleichen lassen. Bisher konnte er nicht das bewirken, was man sich erhofft hat. Real ist zudem mehr von Ronaldo abhängig als Barcelona von Messi. Barcelona hat sich  mit den Verpflichtungen von Neymar und Suarez an der absoluten Weltspitze orientiert. Real hat das versäumt.

Toni Kroos steht in Spanien in der Kritik.
Toni Kroos steht in Spanien in der Kritik.

Ein Wort zu Toni Kroos. Mit starken Leistungen überzeugte er zu Beginn bei Real, mittlerweile ist er abgetaucht und steht in Spanien in der Kritik. Steht er nun am entscheidenden Punkt seiner Karriere? Wird er Ihrer Meinung vielleicht auch ein wenig überschätzt?

Matthäus: Kroos ist natürlich ein sehr guter Spieler, aber er ist kein Leader. Er besitzt hohe Qualität, jedoch eine Mannschaft mitzunehmen, wenn es nicht läuft, ist nicht seine Stärke. Das dokumentiert auch seine persönliche Körpersprache. Wenn es läuft, passt alles. Wenn es nicht läuft, kann er nicht den Unterschied machen.

Sprechen wir über Jürgen Klopp. Zuletzt ein 4:1 bei Manchester City - ein Hammer-Resultat. Er scheint endgültig in Liverpool angekommen. "Für ihn will man sterben", sagte neulich ein Liverpool-Spieler. Die exakte Umschreibung dessen, was Klopp ausmacht?

Matthäus: Klopp ist in der Premier League angekommen; die Siege gegen Chelsea und Manchester City, sein Auftreten - dann entstehen solche Aussagen von Spielern. Er bestätigt das, was man sich erhofft hat. Kommen in den nächsten Jahren auch die großen Erfolge, dann ist er zwangsläufig auch in England ein ganz Großer. Die Verbindung Liverpool und Klopp – das passt meiner Meinung nach.

Letzte Frage zu einem unschönen Thema. Erst die schrecklichen Ereignisse von Paris und dann die Hooligan-Krawalle in Deutschland am vergangenen Wochenende. Müssen sich die deutschen Fußball-Fans Sorgen machen? Gibt es Ihrer Meinung nach ein Rezept gegen die Gewalttäter?

Matthäus: Ich befürchte, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Jedoch muss man alle Möglichkeiten ausschöpfen. Da dürfen keine Kosten gescheut werden. Es  muss rigoros durchgegriffen werden.