268.440 Euro brutto im Jahr: Das verdienen Führungskräfte in der Digitalwirtschaft jetzt

Was haben Führungskräfte 2022 verdient? Woran können Kandidaten sich also jetzt und heute benchmarken? Welche Skills und Fähigkeiten waren besonders gefragt? - Copyright: Getty/ Yulia Reznikov/ We Are/ Dominik Schmitt
Was haben Führungskräfte 2022 verdient? Woran können Kandidaten sich also jetzt und heute benchmarken? Welche Skills und Fähigkeiten waren besonders gefragt? - Copyright: Getty/ Yulia Reznikov/ We Are/ Dominik Schmitt

Weiter steigend, aber weniger steil – und mit der Option auszuscheren. So etwa lässt sich das Ergebnis der diesjährigen C-Level-Gehaltsstudie der Berliner "Executive Search Boutique" i-Potentials zusammenfassen. Basis der Analyse ist einen Datensatz aus 1.779 Fragebögen. Darin hat die Personalberatung Menschen, die in der ersten und zweiten Führungsetage von Unternehmen der deutschen Digitalwirtschaft arbeiten, zu Jobprofilen, Fixgehältern und Variablen befragt.

Die Recruiting-Experten wollten herausfinden: Was haben Führungskräfte 2022 verdient? Woran können Kandidaten sich also jetzt und heute benchmarken? Welche Skills und Fähigkeiten waren besonders gefragt? Was muss man draufhaben für einen Topjob in der Digitalbranche? Early-Stage, Scale-Up oder Corporate – wo stehen die Chancen am Besten?

Wir nehmen die Ergebnisse unter die Lupe und sprechen dazu mit Martina Van Hettinga, Managing Partner bei i-Potentials. Grundsätzlich macht sie Kandidatinnen und Kandidaten Mut – allen Berichten über die Vielzahl der jüngsten Entlassungswellen besonders bei Start- und Scale-Ups zum Trotz: „Immer, wenn wir in starken Krisensituationen sind, wird der Bedarf an wirklich fähigen Führungskräften mehr“, sagt sie. „In der Digitalwirtschaft wird jetzt nicht auf der ersten und zweiten Führungsebene gespart.“

 - Copyright: i-Potentials/ Gründerszene
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Boombranche Digitalwirtschaft: Gehälter steigen weiter

Die „wirklich fähigen Führungskräfte“, die müssen Unternehmen sich also etwas kosten lassen: Das Durchschnittsgehalt von C-Level-Positionen lag 2022 bei 268.440 Euro brutto im Jahr. Damit ist der Aufwärtstrend an sich ungebrochen, wenngleich die Gehälter von 2021 auf 2022 nicht so steil angestiegen sind, wie in den Vorjahren. Der Blick auf die Zehnjahreskurve bleibt dennoch eindeutig und beeindruckend: Jährlich steigen die Vergütungen der obersten Führungsebene um etwa 10 Prozent. Haben CEOs, CFOs oder CTOs in der Digitalbranche 2011 noch um 100.000 Euro Jahresbrutto verdient, sind heute mehr als 300.000 keine Seltenheit. Eine Verdreifachung in elf Jahren.

CEO, CTO, CFO – wer verdient am meisten?

Nicht immer verdienen in der Startupwelt die CEOs das meiste Geld. In der Vergangenheit lagen etwa Chief Technical Officers (CTOs) oder Chief Product Officers (CPOs) oft noch vor ihnen auf der Gehaltsskala. Im vergangenen Jahr konnte die Riege der Chief Financial Officers (CFOs) nachlegen, denn sie war besonders gefragt: „Dedizierte Finanzvorstände gewinnen in der aktuellen Marktlage für einige Unternehmen zunehmend an Bedeutung“, heißt es in der Studie. „Insbesondere dann, wenn dem Unternehmen eine Listung am Aktienmarkt (IPO) oder ein Verkauf des Unternehmens (Exit) bevorsteht, wird ein exzellenter CFO als erfolgsentscheidend erachtet.“

 - Copyright: i-Potentials / Gründerszene
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Und, wenn ein entscheidender Strategiewechsel fällig wird, erklärt Van Hettinga: Die veränderte wirtschaftliche Situation – also: Konjunkturflaute, Inflation, Geld wird wieder teurer – zwang viele Start- und Scale-Ups dazu, von Innovation und Wachstum um jeden Preis auf Profitabilität umzuschwenken. „Dieser Switch weg von reiner Top-Line-Optimierung ist für viele wirklich etwas ganz Neues“, sagt Van Hettinga. Gut möglich dass so manchem Startup-Finanzer da schlichtweg die Erfahrung fehlt. „Die Firmen brauchen jetzt andere Profile, die Cashflow optimieren können, mit Kosten sensibel umgehen und auch durch diese Krisen steuern können.“ Die einzukaufen, kostet: Im Schnitt verdienten CFOs 2022 zwischen 180.000 und 270.000 Euro. 

Insgesamt fällt beim Gehaltsvergleich der unterschiedlichen C-Level-Postionen auf, dass die Spanne sehr groß ist. CEOs verdienen zwischen 220.000 und 390.000 Euro. „Im Vorjahresvergleich haben sich die Gehaltsspannen für alle Vorstandsfunktionen weiter erhöht“, heißt es dazu in der Analyse. „Insbesondere C-Level-Executives mit General-Management-Erfahrung und vollständiger Gewinn- und Verlust-Verantwortung werden mit hohen Bezügen honoriert.“

Startup-Gehälter: Die Verteilung innerhalb der Pakete verändert sich

Wie in der Vergangenheit schon, zeigt die Gehaltsstudie deutlich, dass Executive-Gehälter in der Digitalwirtschaft kaum ohne die Option einer Unternehmensbeteiligung auskommt. „Ein bedeutender Anteil von nahezu 30 Prozent der Vergütung in der modernen Arbeitswelt besteht aus variablen Komponenten wie Boni, Aktienoptionen und virtuellen Aktienoptionen (ESOPs und VSOPs)“, heißt es in der Studie. „Die Komplexität und Flexibilität der Vergütungsstrukturen nimmt zu.“ Führungskräfte mit einem direkten Einfluss auf die Erreichung der Unternehmensziele würden gerne erfolgsabhängig incentiviert, kurz- bis mittelfristige Vergütungsvereinbarungen mit Zeiträumen von drei bis fünf Jahren seien keine Seltenheit. Bei CEOs, CFOs und Commercial-Führungskräften (Sales, Growth, Revenue und Marketing) könne der variable Anteil bis über 50 Prozent steigen.

Interessant ist bei der genaueren Betrachtung dessen, wie sich die Gehälter aufteilen: Der Anteil des Fixgehalts steigt im Vergleich zum Vorjahr, der Anteil der Variable aber nimmt ab. „Insgesamt konnten wir beobachten, dass auf Basis der unsicheren Marktlage und der Entwicklung in den VC-finanzierten Unternehmungen, insbesondere im Early-Stage-Bereich, die Kandidaten nicht mehr ganz so viel Wert auf die Vergütung durch Shares legen“, kommentiert Martina Van Hettinga diese Entwicklung.

Will heißen: Wer im vergangenen Jahr erlebt hat, dass Startups, die eben noch krasse Wachstumskurven hingelegt haben, plötzlich Schwierigkeiten bekommen, Folgefinanzierungsrunden zu schließen, vielleicht sogar eine Downround machen und ihre Unternehmenswert nach unten korrigieren müssen, dem ist das Fixgehalt dann vielleicht doch lieber als die (virtuellen) Anteile am Unternehmen.

„Sicherheitsbestrebungen“, seien es, die sich in dieser Entwicklung ablesen lassen, sagt Van Hettinga. „Für manche war 2022 vielleicht eine Art Realitätsabgleich, der gezeigt hat, dass viele Anteile an einem Unternehmen zu halten allein keine Garantie für einen hohen und damit rentablen Exit ist.“ In der Theorie sei das sicherlich immer allen klar gewesen, im Wachstumsrausch der Vergangenheit mag der eine oder andere das aber vergessen haben. „Aktuell ist es zumindest so, dass die Kandidaten nicht mehr bereit sind, auf zu viel Fixum zu verzichten, um mehr Anteile zu bekommen.“

Vertrauen in Startups sinkt – Chance des Mittstands

Aus der gleichen Denkweise von Kandidatinnen und Kandidaten heraus, nämlich dass eine Stelle bei einem gehypten Startup womöglich kein hohes Maß an Sicherheit mit sich bringt, entstehen für andere Unternehmen Opportunitäten: „Das ist eine große Chance, gerade für den Mittelstand, aufzuholen in Sachen Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit und sich die richtigen Führungskräfte mit dem wertvollen Digital-Know-How zu schnappen“, beobachtet Martina Van Hettinga.

Innovations- und Digitalisierungsdruck, der geforderte klimaneutrale Umbau der Wirtschaft – das alles sind Herausforderungen für Nicht-Startups, die Leute mit Startup-Erfahrung womöglich besser lösen können. Profile mit sowohl technischer Expertise als auch der Fähigkeit zu unternehmerischem Denken und Handeln, die ja nicht nur in der Digitalwirtschaft gesucht werden, sondern vor allem eben auch in der transformierenden Mittelstandswelt und in den Corporates, stehen sehr gut da.“

Nun kriegt man Executive-Talente natürlich selten über finanzielle Anreize allein. Was das Thema Arbeitskultur angeht, müssten KMUs mit den Vorreitern der Startup-Szene mithalten – und können dies mehr und mehr. „Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Optionen oder Remote-Work-Regelungen gibt es dort mittlerweile auch“, beobachtet Van Hettinga. „Die Konzerne sind sicherlich noch mal deutlich weiter, aber wir haben auch ganz großartige Beispiele im Mittelstand gesehen.“

 - Copyright: i-Potrntials/ Gründerszene
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Gehalt in Hessen noch vor Berlin

Interessant ist: Der Brain Drain von der Startup-Ökonomie hin zum deutschen Mittelstand zeigt sich bereits in einer der Auswertungen von i-Potentials. In der nach der regionalen Verteilung der Top-Digital-Jobs mit den besten Gehältern nämlich. „Im vergangenen Jahr sind die Talente verstärkt auch in die Regionen gegangen“, sagt Van Hettinga. Weg aus den Digital-Hubs.

Spitzenreiter der deutschen Bundesländer im Vergleich der durchschnittlichen C-Level-Gehälter ist Hessen mit 322.324 Euro brutto im Jahr. Danach kommt Nordrhein-Westfalen mit 317.672 Euro und erst dann Berlin mit 293.454 Euro.

Gender Pay Gap: Sind das schon „good news“?

Martina Van Hettinga und ihr Team haben in der Gehaltsanalyse 2023 auch einen Blick auf das Thema Diversity geworfen. Und siehe da: Der Gender Pay Gap, also der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, die den gleichen Job machen, scheint kleiner zu werden. Sind das schon good news?

„Könnte man so sehen, aber ich lese es eher so: Wir haben noch viel zu tun“, kommentiert Van Hettinga. Dennoch müsse man anerkennen, dass die Digitalwirtschaft, was das Thema angeht, der restlichen Wirtschaft weit voraus ist. Während Frauen auf dem allgemeinen Markt 18 Prozent weniger verdienen als männliche Kollegen, sind es nur sechs Prozent in den Digital-Führungspositionen. „Dennoch gibt es bei der Verteilung Frau/Mann auf die Vielfalt der Positionen hin immer noch ein deutliche Unterschied“, so Van Hettinga. Denn: In 84 Prozent der Chefsessel in der Digitalwirtschaft sitzen Männer und nur auf 16 Prozent Frauen.

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