A Chip And A Chair

A Chip And A Chair
A Chip And A Chair

Alle Pokerspieler kennen den Spruch „a chip and a chair“. Zumindest diejenigen, die regelmäßig auf Live-Events unterwegs sind. Man hört die Redewendung quasi bei jedem einzelnen Turnier. Auch die Bedeutung ist allen klar. Dass man immer noch Chancen hat ein Turnier zu gewinnen, solange man noch am Tisch sitzt und zumindest noch einen einzigen Chip vor sich liegen hat. Auch wenn die Stacks der Gegner zig Mal so groß sind. Es braucht nur einen kleinen Lauf und 2-3 Verdoppelungen und schon schwimmt man wieder mit der Meute mit und wahrt seine Chancen auf eine Top-Platzierung bzw. den Turniersieg. Wo und wann aber genau dieser Spruch entstanden ist und welche Geschichte damit zusammenhängt, dass wissen eher die wenigsten. Und da die Story genauso amüsant wie kurios ist, erzähle ich sie hier einfach nochmals.

Die Geburtsstunde von „A Chip And A Chair“

Las Vegas 1982. Wir befinden uns beim Main-Event der Poker-Weltmeisterschaft, besser bekannt als WSOP. Das Turnier befindet sich bereits in der Mittelphase. Die Blinds hoch. Der US-Profipokerspieler Jack Strauss setzt am River all seine vor ihm stehenden Chips und er wird von seinem Gegner gecalled. Jack Strauss verliert die Hand. Game Over. Strauss steht auf, zieht seine Jacke an, wünscht allen viel Glück und nimmt sein Getränk mit. Sowie die darunter liegende Serviette. Unter der Serviette befand sich überraschender Weise jedoch noch ein einzelner 500er Chip. Und da Strauss nicht All-In gegangen war, war er offiziell natürlich noch nicht aus dem Turnier ausgeschieden. Er hatte eben noch diesen einen 500er Chip übrig. Das Problem jedoch war, dass der Big Blind bereits bei 800 stand, sein Turnierleben also quasi klinisch tot war. Ihr könnt euch denken, was dann passierte. Die Geschichte würde hier sonst auch gar nicht stehen. Jack Strauss gewann die nächste Hand, die danach ebenfalls. Am Ende von Tag 2 tütete er satte 90.000 Chips ein und einige Tage danach hatte er alle im Turnier befindlichen Chips vor sich stehen. Er gewann das Main-Event der Poker-WM für $520.000. A chip and a chair.

Familien-Karma

Für mich persönlich noch ein wenig beeindruckender jedoch ist die Geschichte von Michael Martin (USA). Weil ich eben persönlich dabei war und mit meinem Sport1-Kollegen Markus Krawinkel das folgende Geschehen LIVE kommentiert habe. Final Table der EPT London 2008. In den USA buchen am Tag zuvor die Freundin sowie die Mutter von Michael Martin von Washington aus einen Flug nach London um den Freund/Sohn am Finaltisch zu unterstützen. Der Trip klappt jedoch nicht wie geplant und die beiden kommen erst mit einigen Stunden Verspätung im Casino in London an. Genau zu dem Zeitpunkt, als Michael Martin gerade einen Riesenpott verlor und ihm lediglich etwas mehr als ein Big Blind übrig blieb. Die ganze Reise für die Katz? Um ihn in der nächsten Hand ausscheiden zu sehen? Was dann geschah, war das Unglaublichste, was ich je beim Pokern gesehen und erst Recht kommentiert habe. Und ich kann bis heute nicht erklären, ob es einfach eine „Fügung von oben“ war und die Belohnung für Freundin/Mutter für die auf sich genommenen Strapazen. Oder einfach Zufall. Oder ob Michael Martin die Energie spürte, die von nun an von der Rail aus auf sein Spiel überging. In jedem Fall gewann er 11(!) Pötte nacheinander und avancierte innerhalb von nur 30 Minuten zum Chipleader. Einige Stunden später stemmte er den Siegerpokal nach oben und war um $1.800.000 reicher. Denkt an diese beiden Geschichten, wenn es beim nächsten Pokerturnier eventuell aussichtslos erscheint und ihr kaum noch Chips vor euch stehen habt. Manchmal reicht A CHIP & A CHAIR. Good game, wir sehen uns an den Tischen.

Martin Pott ist ehemaliger Poker-Profi, der etliche Jahre in Las Vegas gelebt & dort professionell gepokert hat. Erfahrene Spieler kennen die Stimme von Martin Pott zudem aus vielen Pokersendungen im TV, wo er seit Jahren von großen Turnieren aus der ganzen Welt berichtet. Weitere Infos zu unserem Autor findest du auch auf www.plus-ev.eu