Bayern eine „Abart“ - hat Magath Recht?

„Bayern München ist nicht Fußball. Es ist eine Abart von Fußball.“

Die öffentlichkeitswirksame Breitseite von Ex-Trainer Felix Magath gegen seinen früheren Klub bei Markus Lanz hatte es in sich. Der 68-Jährige polterte unter anderem, die Münchner würden „sich die besten zusammenkaufen“. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Den Konter aus München gab es am Freitag: Trainer Julian Nagelsmann widersprach Magath und erklärte: „Wenn er das braucht, soll er das sagen. Wir kommen damit gut klar.“

Aber wie berechtigt ist Magaths Kritik? Wo hat er sogar Recht - wo liegt er falsch? SPORT1 nimmt Magaths Aussagen unter die Lupe.

FC Bayern gibt mehr Geld aus als der BVB

„Da ist nix entwickelt. Da ist nichts zusammengefügt. Die holen sich irgendwo Spieler, weil sie mehr Geld haben als alle anderen hier in der Liga, sind sie unangefochten, seit, was weiß ich, 20 Jahren, so weit oben, dass keiner mehr drankommt.“ Mit dieser Argumentation kritisiert Magath den FCB.

Der Vorwurf, Bayern kaufe einfach der Konkurrenz die Spieler weg und sich damit den Titel, ist im Kern nicht neu - und auch nur teilweise richtig. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Richtig ist: Bayern hat in der Bundesliga „mehr Geld als alle anderen“. Im Ranking Football Money League 2021 der umsatzstärksten Teams im Weltfußball beispielsweise sortierten die Experten von Deloitte den FCB auf Rang 3 ein (634,1 Mio. Euro). Der BVB als zweitbestes Team der Bundesliga folgt erst auf Rang 12 (365,7 Mio.).

Und Bayern gibt sein Geld auch aus: Seit 2000 satte 1,13 Milliarden für Transfers - bei Dortmund sind es 915 Millionen. Damit gab Bayern rund neun Millionen Euro pro Saison mehr aus als der BVB. Während der FCB in dieser Zeit ein Minus von 652 Millionen anhäufte, verdienten die Dortmunder sogar 53,27 Millionen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Erst im Sommer Einkäufe bei RB Leipzig

Auch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Bayern immer wieder gerade von direkten Konkurrenten Leistungsträger holt - in diesem Sommer von RB Leipzig neben Abwehrchef Dayot Upamecano auch Marcel Sabitzer und Trainer Julian Nagelsmann.

Auch Leistungsträger wie Robert Lewandowski (kam 2014 vom BVB) oder Manuel Neuer (2011 aus Schalke) hat Bayern nicht selbst ausgebildet. Allerdings stellt sich dem Magath-Argument „die holen sich irgendwo Spieler“ die Frage entgegen: Welcher Bundesliga-Klub tut das nicht? Welcher europäische Top-Klub hat denn eine Achse aus Eigengewächsen? Im modernen Fußball-Zeitalter lautet die Antwort: keiner.

Tatsächlich ist Bayern europaweit sogar eher ein Gegenentwurf zum Transfer-Wahnsinn - und mit eher wenig Fluktuation und einem über Jahre gewachsenen Gefüge, wie Nagelsmann zu Recht ausführt.

„Offensichtlich hat sich eine herausragende Fußballmannschaft entwickelt, die alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, die neunmal in Folge Meister war“, sagte der Coach und verwies mit Blick auf Giganten wie ManCity, PSG oder Chelsea berechtigterweise auf Bayerns Sonderstellung: „Der Verein ist stabil aufgestellt, im Verhältnis zu vielen anderen Großmächten in Europa - ohne externen Investor. Das ist eine ganz ordentliche Entwicklung über die vergangenen Jahrzehnte.“

Keine Entwicklung bei Bayern? Falsch

Dass bei Bayern „nix entwickelt“ sei - da liegt Magath schlichtweg falsch. Nicht nur den finanziellen Vorsprung hat sich Bayern über Jahrzehnte erarbeitet, auch absolute Leistungsträger entwickelte Bayern. Thomas Müller (seit 2004 im Verein) oder David Alaba (2008 bis 2021) wurde in München aufgebaut und unter anderem zweimal Triple-Sieger. Neuer wurde bei Bayern zum Welttorhüter, Joshua Kimmich ist ebenfalls schon seit 2015 im Klub und stieg bis in die Weltklasse auf.

Bayerns hebt sich in puncto zugekaufte Leistungsträger auch in der Bundesliga nicht wirklich von anderen Spitzenteams ab. Beim BVB ruht viel Last auf den Schultern von Erling Haaland (seit 2020 im Verein), Axel Witsel (2018) oder Jude Bellingham (2020). Marco Reus kam 2012 aus Gladbach.

Europäische Giganten wie PSG, ManCity oder Chelsea bewegen sich sowohl in Sachen Ausgaben als auch Fluktuation ohnehin auf einem ganz anderen Niveau.

Magath bei Stationen in Wolfsburg und auf Schalke umtriebig

Für Verwunderung sorgt zudem Magath selbst als Absender der Kritik an Bayern.

Zum einen, weil er als Double-Trainer 2005 und 2006 direkter Profiteur der Bayern-Stärke war. Und zum anderen, weil Magath nach seiner Zeit in München nicht den Ruf hatte, wenige Transfers zu tätigen, wie Nagelsmann süffisant anmerkt.

„Ich weiß nicht, was er zu seinen Wolfsburgern sagt, die damals mit ihm Meister wurden. Was da entwickelt wurde, weiß ich auch nicht“, meinte der heutige Bayern-Coach.

2009 machte Magath die „Wölfe“ zum Sensations-Meister - mit reichlich Neuzugängen. Alleine 17 Neue kamen in der ersten Saison 2007/08, unter anderem Grafite, Edin Dzeko, Josué, Diego Benaglio, Christian Gentner und Marcel Schäfer. Vor dem Meister-Coup legte der Magath-Klub auch mit den Weltmeistern Andrea Barzagli und Cristian Zaccardo nach (insgesamt 14 Neuzugänge).

Später kaufte er beim FC Schalke so legendär viel ein, dass Klub-Boss Clemens Tönnies im Doppelpass auf SPORT1 spottete, man habe wegen Magath einen Knickbus gebraucht, um alle Spieler unterzubringen.

Doch wie fällt nun das Fazit zu Magaths Kritik im Faktencheck aus?

Zum Teil hat der frühere Meistertrainer Recht (Stichwort: Geld), gerade was die Entwicklung angeht, liegt er allerdings falsch. Dass Bayern Jahr für Jahr in rauen Mengen Spieler holen und den Kader umbauen würde, lässt sich gerade im Vergleich zur internationalen Konkurrenz nicht nachweisen.

Letztlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte - und Bayern ist nicht das Problem, sondern eher ein Symptom des Problems, das der Weltfußball hat.

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