Absagenflut im Davis Cup: No-Go fürs deutsche Tennis

Die Zverev-Brüder und Philipp Kohlschreiber brüskieren durch ihren Verzicht auf das Relegationsspiel gegen Portugal nicht nur Boris Becker. Schlimmer noch: Sie haben eine wichtige Botschaft nicht verstanden.

Alexander Zverev verzichtet auf den Davis Cup
Alexander Zverev verzichtet auf den Davis Cup

Mit viel Demut ging Boris Becker im August seine neue Aufgabe als “Head of Men’s Tennis” beim deutschen Tennis-Bund an. “Ich liebe diesen Sport, ich liebe dieses Land. Es freut mich und es ist mir eine Ehre, wieder eine wichtige Funktion im deutschen Tennis übernehmen zu dürfen”, sagte der erfolgreichste deutsche Tennisprofi aller Zeiten auf seiner Vorstellungs-PK.

Endlich wieder mitmischen auf der Kommandobrücke des DTB nach 18 Jahren Pause – für Becker eine Win-win-Situation. Er war erstmal raus aus den Schlagzeilen um seine kolportierte finanzielle Schieflage und plötzlich wieder gefragt als innovativer Ratgeber im deutschen Tennis.

Becker schätzte besonders die Möglichkeit, sich ab sofort “legal” in offizieller Funktion mit Megatalent Alexander Zverev austauschen zu können, ohne dass ihm gleich Interesse an einer Trainertätigkeit des Top-Ten-Spielers nachgesagt wird.

Zverevs Management pfuscht dazwischen

Doch die am 23. August neu erzeugte Aufbruchstimmung im deutschen Männer-Tennis ist gerade mal zwei Wochen später schon wieder verpufft. Mit Alex Zverev, Bruder Mischa und Philipp Kohlschreiber haben die drei besten deutschen Profis für das so wichtige Relegations-Duell in der Davis Cup-Weltgruppe gegen Portugal Mitte September abgesagt. Eine offizielle Begründung gibt es nicht, verletzt ist jedenfalls keiner der drei.

Besonders bitter ist der Ausfall von Alex Zverev, der zwar bei den US Open früh ausschied, sich aber durch zwei Masters-Turniersiege im Sommer bis auf Platz sechs der Weltrangliste vorgearbeitet hat. Laut Becker hat Zverevs Management den Spieler massiv beeinflusst bei der Entscheidungsfindung, ob der Davis Cup in die Turnierplanung bis Jahresende passt.

“Er wollte spielen, er hat uns das auch noch mal glasklar versichert, aber sein Management hat ihm davon abgeraten”, sagte Becker bei Eurosport. Demnach solle sich Zverev lieber auf die anstehende Asien-Tour vorbereiten, anstatt seinem Land zu helfen, den Abstieg aus der Weltgruppe zu verhindern.

Becker reagiert enttäuscht

Becker wollte seine Enttäuschung nicht verbergen. “Er ist ein Idol von Millionen Menschen, auch in Deutschland. Das war eine Chance, etwas für sein Image zu tun. Ich finde es schade, dass er diese Chance nicht wahrgenommen hat”, sagte er.

Auch die Absage von Kohlschreiber stößt Becker sauer auf: “Das wäre eine Chance für Philipp gewesen, etwas für sein Renommee zu tun und als Held der Nation in die Davis-Cup-Geschichte einzugehen. Wir hätten ihn gebraucht.”

Wichtige Botschaft nicht angekommen

Dass Deutschland angesichts der Umstände gegen das Tennis-Entwicklungsland Portugal um den Klassenerhalt bangen muss, ist in doppelter Hinsicht skandalös. Mit den Zverev-Brüdern und Kohlschreiber hat der DTB seit vielen Jahren endlich mal wieder eine schlagkräftige Mannschaft zusammen, die zum erweiterten Kreis der Favoriten auf den Davis-Cup-Titel gehört. Seit 24 Jahren wartet der DTB auf einen Triumph im prestigereichen Mannschaftswettbewerb. Dazwischen liegen viele Dürre-Jahre mit ständigem Pendeln zwischen erster und zweiter Liga.

Alex, Mischa, Kohli – dieses Trio könnte das allgemeine Interesse am Davis Cup in Deutschland aus der Versenkung holen. Aber sie haben offensichtlich Besseres zu tun. Hier knüpft das zweite Problem an: Es sollte nach wie vor für jeden Spieler eine Ehre sein, für sein Land zu spielen. Es ist keine unangenehme Pflicht, sich dem deutschen Publikum zu zeigen und sein Land zu vertreten, sondern eine Ehre. Diese Botschaft ist bei Deutschlands Topspielern (noch) nicht angekommen. Die Zverev-Brüder hatten bereits schon auf einen Auftritt beim ATP-Turnier in Hamburg verzichtet.

Für Becker wird seine Anfangszeit als neuer starker Mann im deutschen Männer-Tennis zur Farce. Für ihn, Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann und die Tennis-Fans in Deutschland ist die Absagenflut eine schallende Ohrfeige. Hier wurde eine große Chance vertan.