Absagenflut nur vorgeschoben? Böser Verdacht gegen Pats

Unterstellungen und Verschwörungstheorien erscheinen in Pandemiezeiten ja noch weniger akzeptabel als ohnehin schon.

Emotionen und Befindlichkeiten sind höchst sensibel - und Erfahrungen, Entscheidungen sowie nicht zuletzt persönliche Einstellungen hinsichtlich des Umgangs mit Corona denn auch kaum infrage zu stellen.

Dass in der NFL demnach immer mehr Spieler auf die anstehende Saison aus Sicherheitsgründen verzichten, ist nun einmal so - und auch bei den New England Patriots hinzunehmen, ganz ohne Hintergedanken.

Insbesondere wenn die Gesundheit von Spieler gefährdet werden könnte durch ein Virus, das bereits fast 150.000 Menschen in den USA das Leben gekostet hat.

Manch einer dürfte zu Wochenbeginn womöglich auch umso mehr an die Risiken erinnert worden sein infolge des drohenden Kollaps in der MLB, wo mittlerweile fast 20 Personen der Miami Marlins mit COVID-19 infiziert wurden.

Auch Hightower will nicht spielen

Und dennoch: Wenn bei einem Super-Team wie den Patriots mittlerweile bereits sechs Profis durch Saison-Absagen wegbrechen, indem sie von der im Zuge der Coronakrise eingeführten "Opt-out-Option" Gebrauch machen, zieht das zwangsläufig Zweifel an den jeweiligen Beweggründen nach sich.

Schließlich haben die Patriots unter Cheftrainer Bill Belichick nun einmal alles andere als eine weiße Weste. Die Skandale sind hinreichend dokumentiert. Belichick lotet die Grenzen des Erlaubten - und manchmal darüber hinaus - wie kein Zweiter aus.

Mit dem dreimaligen Super-Bowl-Champion und Pro-Bowler Dont'a Hightower, kürzlich erstmals Vater geworden und selbst Sohn einer an Diabetes erkrankten Mutter, hatte am Dienstag der bislang prominenteste Profi seinen Verzicht erklärt.

Der Star-Linebacker klang dabei glaubwürdig und überzeugend ("Meine Verlobte und ich machen uns mehr Gedanken über die Gesundheit unserer Familie als über Football"). Wie auch die Entscheidung von Starting Right Tackle Marcus Cannon, zu College-Football-Zeiten am Non-Hodgkin-Lymphom und damit potenzieller Hochrisiko-Patient, und Danny Vitale (ebenfalls frisch gebackener Vater) nachvollziehbar wirkten.

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Patriots: Abschenken für College-Star?

Gleichwohl vermuten mit Blick auf das zudem aussteigende Trio Offensiv-Lineman Najee Toran, Safety Patrick Chung und Running Back Brandon Bolden nicht bloß vereinzelte NFL-Fans dahinter Kalkül.

Mehr noch: Konkret wird unterstellt, die Pats schlügen aus der Corona-Situation Kapital, konzentrierten sich bereits auf den Draft 2021.

Die Gedankenspiele kreisen dabei darum, die Franchise würde nach diversen hochkarätigen Abgängen wie Tom Brady bewusst ein schwaches Jahr in Kauf nehmen, um sich dann im Draft College-Star Trevor Lawrence zu schnappen. Jenen 20 Jahre alten Quarterback der Clemson Tigers, der 2019 bei einer Passquote von 65,8 Prozent 3.665 Yards überbrückte und 36 Touchdowns warf - und dem eine große NFL-Karriere prophezeit wird.

Newton im Fokus nach Umbruch

Doch wäre es ein realistischer Move? Das Timing könnte passen. Da die Patriots ohnehin Schwierigkeiten mit der Gehaltsobergrenze bekommen hätten, ließen sie einige teure Stars ziehen, zudem sinkt der Salary Cap 2021 wegen der Coronapandemie. Somit wäre ein Aufbau-Jahr mit Kostenreduzierung und dann entsprechend guten Draftpicks tatsächlich eine sinnvolle Strategie, um dann 2021 oder spätestens 2022 wieder richtig anzugreifen.

Tatsache zumindest ist: Die Patriots befinden sich nach wie vor in einem großen Umbruch. Nicht nur wegen des Abgangs von Brady zu den Tampa Bay Buccaneers, dazu gingen noch die Schlüsselspieler Kyle Van Noy, Jamie Collins, Danny Shelton und Receiver Philip Dorsett.

Duron Harmon wurde getradet, Kult-Kicker Stephen Gostkowski entlassen, ihren Rücktritt erklärten überdies James Develin und Offensive-Line-Coach Dante Scarnecchia.

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Was bleibt, ist eine Franchise, der auf den Super Bowl keine wirklichen Chancen eingeräumt werden - trotz Cam Newton, der beim sechsmaligen Champion einen stark leistungsbezogenen Einjahresvertrag unterschrieben hat.

Trotzdem: Es erscheint kaum vorstellbar, dass die um ihre einstige Dominanz gebrachten Patriots nur mit Blick auf den ersten Pick nun nach einer Saison im Niemandsland trachten. Gewisse Ambitionen mag man den Routiniers wie Julian Edelman und James White dann doch zuschreiben. Auch Newton will zeigen, dass er fit ist und sich für einen großen Vertrag - wo auch immer - empfehlen.

Schielt Belichick wirklich auf den 1. Pick?

Vor allem aber ist da Belichick. Das Mastermind geht in seine 21. Spielzeit als Head Coach der Pats - und insgesamt 46. NFL-Saison.

Ist jemandem, der Verlieren so verabscheut, zuzutrauen, freiwillig abzuschenken - womöglich gar seinen Spielern einen Saison-Verzicht nahezulegen, alles unter einem offiziellen Argumentations-Deckmantel "Corona-Bedenken"?

Mancher Verschwörungstheoretiker im Netz unkt, Belichick mag gleichzeitig auch sein eigenes Vermächtnis schützen, sich somit eine Ausrede für eine glanzlose Saison im ersten Jahr ohne Brady konstruieren.

Auch wenn sich derlei Unterstellungen und Verschwörungstheorien in Pandemiezeiten verbieten - gerade in der Krise sind sie schneller bei der Hand als für gewöhnlich.