Der Absturz eines Megastars

Hätte man Cam Newton nach seiner herausragenden Saison 2015, die mit der Super-Bowl-Teilnahme gipfelte, gesagt, dass er fünf Jahre später in der NFL auf dem Abstellgleis stehen wird?

Er hätte wohl nur darüber gelacht. Die traurige Realität ist allerdings, dass der einst so schillernde Quarterback spätestens seit dem 24. März diesen Jahres tatsächlich nichts mehr zu lachen hat.

Seit über fünf Wochen ist Newton arbeitslos, sein Vertrag bei den Carolina Panthers ist nach neun Jahren ausgelaufen, der 30-Jährige wurde freigestellt.

Und bislang zeichnet sich auch nicht ab, wohin der Weg der 30-Jährigen nun führen soll. Doch wie kam es zum Absturz des Megastars?

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Newton nach Draft sofort Leistungsträger

Rückblende: 2011 war Newton im Draft an Nummer 1 von den Panthers gepickt worden, noch vor Beginn der neuen Saison ernannte der damalige Head Coach Mike Shula den damals 22-Jährigen zum neuen Starting-Quarterback der Franchise aus Charlotte.

Und der junge Cam zahlte das Vertrauen zurück, wurde direkt zum Leistungsträger. Zwar verpassten die Panthers die Playoffs 2011 und 2012, erarbeiteten sich allerdings durch konstante Steigerungen - auch von Newton - im Jahr darauf einen Platz in der Divisional Round der Playoffs.

Das überraschende Aus gegen die San Francisco 49ers warf das Team dabei keineswegs aus der Bahn. Und auch trotz mehrerer Verletzungen bei Newton (Bänder-OP am Sprunggelenk, Rippenblessur, Wirbelbrüche nach einem Autounfall) ging es für die Panthers 2014 erneut in die Playoffs.

Nach einem Sieg in der Wildcard-Runde gegen die Arizona Cardinals war erneut in der Divisional Round Schluss, diesmal gegen die Seattle Seahawks.

Super Bowl 2015 als Ausnahmesaison

2015 folgte dann die Ausnahme-Saison: Die Panthers blieben bis zum zweitletzten Spieltag der regulären Saison ungeschlagen, die Niederlage bei den Atlanta Falcons stoppte Newton auf dem Weg zur perfekten Saison.

Die Siegbilanz von 15:1-Siegen bedeutete trotzdem Franchise-Rekord. 35 Touchdowns und ein Quarterback-Rating von 99,4 Prozent markieren bis heute Newtons Karriere-Bestmarken, für die er zum MVP dieser Saison ausgezeichnet wurde.

In den darauffolgenden Playoffs bezwangen die Panthers sowohl die Seahawks als auch die Cardinals und erreichten - erstmals seit der bis dato einzigen Teilnahme 2004 - den Super Bowl gegen die Denver Broncos.

Obwohl die Panthers als Favoriten in das Endspiel gingen, war Denvers Defensive gut auf Newtons starke Offensive eingestellt. Der Quarterback erlitt sechs Sacks, leistete sich zwei Fumbles und warf eine Interception.

Folge: Die Panthers verloren die Partie deutlich mit 10:24 - der Anfang einer langen Abwärtsspirale.

Viele Verletzungen und Leistungseinbruch

Im Juni 2016 verlängerten die Panthers mit Newton dennoch bis Ende der Saison 2020, der neue Vertrag brachte ihm 103,8 Millionen US-Dollar ein. Doch die Investition zahlte sich nicht aus: Im Jahr nach der Super-Bowl-Teilnahme verpassten die Panthers die Playoffs klar (6:10-Siegbilanz), Newton spielte mit einem Rating von nur 75 Prozent seine bis heute schlechteste Saison.

Schließlich fiel der Starspieler auch noch abseits des Spielfeldes negativ auf: Seine flapsige Bemerkung gegenüber einer Journalistin, die ihn zu Passrouten befragte ("Es ist witzig, diese Frage von einer Frau gestellt zu bekommen"), löste eine handfeste Sexismus-Debatte aus.

Newton absolviert 2019 nur zwei Spiele

2017 schafften es die Panthers trotz einer Schulter-OP von Newton in die Playoffs, doch der Traum vom Titel platzte schon im ersten Auftritt gegen die New Orleans Saints. Es ist bis heute Newtons letzter Playoff-Auftritt.

2018 wiederum machte sich Newtons Schulter erneut bemerkbar. Er konnte den Ball in der Folge kaum noch weit werfen, die Panthers verloren sieben Spiele in Serie, die Playoffs waren außer Reichweite.

Die abgelaufene Saison endete für Newton mit der nächsten Schulter-OP, die neue Spielzeit 2019 begann direkt mit einer Fraktur des Mittelfußknochens.

Bittere Konsequenz: Newton wurde durch Kyle Allen ersetzt, der 12 der 16 Saisonspiele absolvierte, während der einstige MVP auf der "Injured Reserve List" landete und bis zu seiner Entlassung im März 2020 nicht mehr spielberechtigt war.

Welches Team will Newton jetzt?

Nach neun gemeinsamen Jahren ist für Newton das Kapitel Panthers nun also beendet, mit Teddy Bridgewater steht der Nachfolger schon bereit. Die Frage aber bleibt: Wohin führt Newtons Weg?

Viele Optionen bleiben nach dem NFL Draft und der Free Agency nicht mehr, die meisten Teams haben ihre Quarterback-Position besetzt. Am ehesten kommen die Los Angeles Chargers und die Jacksonville Jaguars in Frage.

In L.A. wurde Philip Rivers im Draft mit Justin Herbert ersetzt, der allerdings nicht starten wird. Coach Anthony Lynn kennt Tyrod Taylor zwar gut, ob er aber konstant als Starting Quarterback abliefert, ist zumindest ein Risiko.

Bei den Jaguars ist die Situation die gleiche: Nick Foles zu den Bears abgewandert, Ersatz holte sich das Team ebenfalls im Draft mit Jake Luton. Gardner Minshew wird wohl seine Chance als QB1 bekommen - doch auch hier ist die Konstanz fraglich.

Newton als Brady-Nachfolger bei Patriots?

Trotz ihres langjährigen Starting-Quarterbacks Derek Carr sind die Las Vegas Raiders im Zuge ihres Neustarts sowohl in der Free Agency als auch im Draft mit einem Quarterback in Verbindung gebracht worden.

Newton dürfte sich allerdings kaum zu einem Platz auf der Bank überreden lassen. Ob die Raiders wiederum Carr zur Nummer zwei machen, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich.

Bleiben noch die New England Patriots. Newton als Erbe von Tom Brady? Klingt zumindest nicht verkehrt.

Doch würden die Pats ihn wirklich wollen, hätten sie wohl längst zugeschlagen. Aus einem bestimmten Grund scheinen Bill Belichick und Co. nicht interessiert zu sein, ihn zu verpflichten - sei es Newtons Gesundheit, Persönlichkeit oder etwas anderes. Für New England ergibt es im Moment anscheinend mehr Sinn, Jacoby Brissett von den Colts zurückzuholen.

Doch egal, wohin der Weg führt: Für Cam Newton wird es ein sehr weiter zurück zum Superstar-Status.