"Achtung Abzocke" – was ist dran am Erfolgsformat von Kabel Eins?

Peter Giesel geht für Kabel Eins auf Abzocker-Jagd. Foto: Kabel Eins
Peter Giesel geht für Kabel Eins auf Abzocker-Jagd. Foto: Kabel Eins

Wahrscheinlich ist noch niemand so oft betrogen und belogen worden wie Peter Giesel. Denn der Kabel-Eins-Reporter lässt sich stellvertretend für seine Fernsehzuschauer von Abzockern jeder Art über den Tisch ziehen. Dieser Dienst am TV-Volk kommt gut an.

Auf Kabel Eins ist wieder Peter Giesel im Einsatz: Der investigative Reporter legte sich für die aktuelle Folge „Achtung Abzocke“ am Donnerstagabend in Hongkong und Indien auf die Lauer, um „Urlaubsbetrüger“ auf frischer Tat zu ertappen. Giesel, der selbsternannte „Bauernfänger-Fänger“ und „Abzock-Jäger“, ist seit 2015 immer dort im Einsatz, wo er Betrug an unschuldigen Urlauberinnen und Urlaubern wittert oder wo mutmaßlich unseriöse Dienstleister mit einer versteckten Kamera überführt werden können.

Er deckt aber auch Identitätsklau, Bank-Abzocke oder dubiose Smartphone-Geschäfte auf. Giesel hilft mit seinem Team, so steht es in der Sendungs-Beschreibung, „Opfern, die von Betrügern verschiedenster Art um ihr Geld oder eine Leistung gebracht wurden und deckt dreiste Maschen, systematischen Schwindel und kalkulierte Abzocken“ auf. Wohl auch wegen dieses beeindruckenden Leistungs-Umfangs ist „Achtung Abzocke“ zum Dauerbrenner auf Kabel Eins und einem verlässlichen Quoten-Erfolg avanciert.

Giesel lässt sich stellvertretend abzocken

Deshalb gilt: Kein Betrüger ist vor Giesel sicher. Zuletzt war er in Amsterdam, Neapel und Krakau im Einsatz und führte seinen „Abzocker-Test“ durch. Davor reiste er nach Thailand, in seinen Augen ein „Abzocke-Paradies“. In der Vergangenheit prüfte er deutsche Schlüsseldienste und Kinderbetreuer auf deren Redlichkeit. Das war vermutlich eine Folge-Recherche – denn wiederum davor hatte er sich gefragt, ein klein wenig verallgemeinernd, ob es „überhaupt noch ehrliches Handwerk in Deutschland“ gibt.

Giesel ist somit der Robin Hood des spätabendlichen Privatfernsehens. Er bringt zur Strecke, wer sich an Unschuldigen bereichert. Und springt allen unbedarften Urlaubern und Kunden zur Seite. So fällt es den Fans von „Achtung Abzocke“ leicht, sich mit den Geschädigten in der Sendung zu identifizieren – „das hätte mir auch passieren können!“. Auf einer eigens eingerichteten Abzock-Hotline kann sich sogar jeder melden, der verdächtige Machenschaften von Giesel überprüft haben möchte. Team Robin Hood!

Außerdem, ideal für das Gerechtigkeitsempfinden, das am Fernsehabend gern mit auf dem heimischen Sofa sitzt: Giesel geht konsequent auf Konfrontation. Er zieht stets die Strolche und Diebe zur Rechenschaft. Der Focus etwa schreibt über Giesels letzten Einsatz in Bangkok, als er einen sogenannten „Tourist Police“ belehrt: „Sie dürfen sich nicht als Polizist ausgeben, das ist höchst illegal.“ Und nach getaner Belehrung setzt Giesel obendrauf: „Mission erfüllt. Ein illegaler Polizist auf den Straßen Bangkoks weniger.“

Er geht keiner unangenehmen Situation aus dem Weg

Klar ist das ist in erster Linie Effekthascherei. Denn ob der Tadel eines Fremden ausreicht, um einen „falschen Polizisten“ in Bangkok in Zukunft von seiner Maskerade abzuhalten – mehr als fraglich. Dennoch: Giesel hat auch Erfolge vorzuweisen. So schreibt „Prisma“, er habe schon erreicht, dass Restaurants ihre Preise und Hotels ihre Sterne-Bewertungen senken mussten.

Bei all seinen Konfrontationen ist Giesel dabei menschlich. Geht es nicht gegen systematische Betrügereien, wie in einem Restaurant oder Hotel, sondern erkennt er in der Abzocke den falsch-geleiteten Versuch des „Überlebens“, dann stellt er die Abzocker zwar zur Rede und versucht ihnen ins Gewissen zu reden, hetzt ihnen aber keine Behörden auf den Hals. So wiegelt er in der aktuellen Folge einen Behördenvertreter ab, der sofort Strafanzeige gegen einen falschen Tourist-Guide am Taj Mahal stellen will. Der hatte zuvor Giesel nach einer kostenlosen privaten Führung in ein Geschäft gelockt, um ihm dort Unsummen für Nippes zahlen zu lassen. Eine unangenehme Situation, ja. Aber Giesel hat natürlich mitgemacht, er weiß: Er hätte auch jederzeit gehen können oder einfach nicht zahlen.

Das ist der nächste charmante Charakterzug Giesels. Mit mitunter kindischer Freude lässt er sich über den Tisch ziehen. Oft kennt er die Masche schon, spielt dennoch mit und kommentiert währenddessen in die Kamera. Denn sein Ziel lautet ja: Aufklärung. Was dabei aber etwas in den Hintergrund gerät: Giesel zahlt ja stets den überteuerten Preis. Er kehrt später zwar zu den Abzockern zurück und konfrontiert sie – doch das ist für die meisten keine Option. Was hingegen ebenfalls hilfreich wäre: Seinen Zuschauern Exit-Strategien mit auf den Weg zu geben, um in fremden Ländern unangenehmen Verkaufs-Situation zu entfliehen. Denn meist klingen seine „Tipps“ am Ende so: „Ist ein Schnäppchen zu gut, um wahr zu sein, ist es wohl Betrug.“ Nicht gerade originell.

Quoten-Erfolg über dem Senderschnitt

Trotzdem: Die Einschaltquoten geben dem Format Recht. Vor allem die aktuelle achte Staffel, die noch zwei neue Folgen bereithält, trumpft auf. Vergangene Woche schalteten laut „Quotenmeter“ 800.000 Menschen ein, das ist eine Quote von 5,7 Prozent in der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Den Staffelauftakt sahen sogar eine knappe Million, mit einer Quote von 6,5 Prozent. Beide Werte liegen damit weit über dem Senderschnitt von Kabel Eins, der laut „DWDL“ bei 4,9 Prozent liegt.

Obwohl die Show schon viele Jahre und Staffeln auf dem Buckel hat, erfreut sich „Achtung Abzocke“ großer Beliebtheit. Denn Gaunern, Betrügern und Abzockern das Handwerk zu legen – das emotionalisiert vor dem Fernsehen. Dazu gibt Reporter Giesel in den „kritischen Situationen“ eine souveräne Figur ab, die auch Verständnis aufbringen kann für seine Gegenüber. Seine Tipps sind meist zwar nicht revolutionär, aber es macht schlicht Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er über den Tisch gezogen wird.