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Analyse: Bayern für Deutschland - Wie Markus Söder Kanzler werden könnte

Markus Söder kann Kanzler, wie er seit Beginn der Pandemie beweist. 2021 ist jedoch die einzige Chance für den bayerischen Ministerpräsidenten, Regierungsoberhaupt im Bund zu werden. Und auch nur, wenn alle Parameter stimmen - auch bei der Schwesterpartei unter einem möglichen CDU-Chef Armin Laschet.

Auf der letzten Corona-Pressekonferenz perfektionierte Söder seinen Auftritt (Bild: Reuters/Michele Tantussi/Pool)
Auf der letzten Corona-Pressekonferenz perfektionierte Söder seinen Auftritt (Bild: Reuters/Michele Tantussi/Pool)

Kraftvoll, behauptend und machtsicher: Söder meisterte wuchtiger denn je die Corona-Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin am Donnerstag. Er ergreift nach Merkel entschlossen das Wort, aber nicht so vorpreschend wie er es zu Beginn er Pandemie tat. Er scheint den Rat der Kanzlerin zur Besinnung auf die Geduld, von dem er im Juli auf Herrenchiemsee erzählte, beherzigt zu haben. Wenn Söder spricht, wirkt es fast so, als sei klar, dass er ab 2021 den Platz der Kanzlerin einnimmt. Dass Söder überhaupt in Frage kommt, verdankt er der Corona-Pandemie. Die Bühne für die Inszenierung wurde frei, der ein gutes Jahr zuvor von der CSU gewählte Parteivorsitzende war in einer politischen Sicherheit, in der er mit der Lust auf die Kanzlerschaft spielen kann. Alles nur Zufall, oder Machtkalkül?

Durch Zufall in die Politik, durch Inszenierungsgeschick nach oben

Söders Leben ist mit Zufällen gespickt. Er ist, wie er sagt, durch Zufall in die Politik gerutscht, durch den Tod einer Landtagsabgeordneten im Jahre 1994. Zuvor arbeitete der studierte Jurist und gelernte Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Ein Vorteil, den er auszuspielen weiß: Wie man mit Journalisten umzugehen hat, die Aufmerksamkeit der Presse auf sich zieht, hat er nicht durch seine Berater gelernt, höchstens perfektioniert. Das bewies er mit polarisierenden Schlagworten wie “Asyltourismus”, dem Kampf für Kreuze in Klassenzimmern und auch den nie abebbenden Gerüchten um seine Rivalität zu Horst Seehofer, die ihm letztendlich dessen Nachfolge einbrachte. Er ist der Mann, der die CSU dann aus dem Seehofer-Tief hievte, “Bayern First” neu definierte - und als erster CSUler seit Stoiber eine ernsthafte Chance auf das Kanzleramt hat.

Als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz kann sich Söder an Merkels Seite als Macher inszenieren (Bild: Reuters/Michele Tantussi/Pool)
Als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz kann sich Söder an Merkels Seite als Macher inszenieren (Bild: Reuters/Michele Tantussi/Pool)

Dabei ist nicht alles so rosig, wie er es selbst gerne hätte. Die große Panne bei den Coronatests, die an die Öffentlichkeit geratene Kritik Annegret Kramp-Karrenbauers, er solle sich doch bei der Kanzlerfrage endlich zurückhalten, und Merkels Zugeständnisse an Armin Laschet bei ihrem letzten NRW-Besuch - da sichert ein “Spiegel”-Cover kein politisches Überleben. Bayern stand, kurz nach seiner Übernahme des Amtes als Ministerpräsident im Jahre 2018, als Hochburg der Union auf der Kippe, die CSU stürzte in Umfragen auf bis zu 33%. Söder musste kurzzeitig fürchten, die CSU nicht in eine neue Regierung führen zu können, wie er demütig zugab. Mit gekonnter Inszenierung, großen Parolen und einer politischen Annäherung an die Grünen brachte er die Partei dann auf historisch knappe aber immer noch regierungstaugliche 37%. Seit der Pandemie kratzt die CSU wieder an der Marke von 50%.

Wie groß Söders Kanzler-Ambitionen wirklich sind, ist mehr als unklar (Bild: Omer Messinger/Pool/Getty Images)
Wie groß Söders Kanzler-Ambitionen wirklich sind, ist mehr als unklar (Bild: Omer Messinger/Pool/Getty Images)

Ist das immense Plus, das Söder durch das krisenfest inszenierte Pandemie-Management erlangt hat, nur Corona geschuldet und könnte sich entsprechend schnell verflüchtigen? Aber nein, der Ruf als Krisenmanager bestärkt das Image einer Führungsfigur nachhaltig - es ist auch ein Attribut, für das Merkel seit Beginn ihrer Kanzlerschaft ausnahmslos gelobt wird. Die neoliberale Inszenierung des bayerischen starken Mannes funktioniert, die Menschen wähnen sich in einer stabilen politischen Situation. Söder wirkt trotz seines Vorpreschens souverän, auch wenn seine Machtinszenierung manchmal ins Unseriöse zu kippen droht. Aber spätestens, seit in Bayern die Corona-Fälle nicht zu steigen aufhören wollen, besinnt er sich auf die Kraft der Zurückhaltung und übt sich neben der Kanzlerin in Staatsmännigkeit. Sein Spiel mit dem Satz “Mein Platz ist in Bayern” würde ihm im Falle einer Kanzlerschaft auch nicht schaden, sondern das Bild eines aufopfernden Mannes, der für das Volk auch mal den bisherigen Traumjob aufgibt, stärken. Ganz Bayern für ganz Deutschland halt.

Maske, Warn-App, Abstand: Markus Söder legt bei einem Treffen mit Jens Spahn mustergültige Corona-Etikette an den Tag (Bild: Markus Schreiber/Pool via Reuters)
Maske, Warn-App, Abstand: Markus Söder legt bei einem Treffen mit Jens Spahn mustergültige Corona-Etikette an den Tag (Bild: Markus Schreiber/Pool via Reuters)

Da ist es mehr als ein Glück, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz zu sein. Es wirkt nicht nur so, als sei er erheblich stärker am Management der Pandemie beteiligt. Die Umfragen, wen die Bevölkerung als Kanzler sehen will, belegen seine zentrale Rolle in der Krise. Rund 77% äußerten im Rahmen einer BR-Umfrage, Söder sei der geeignetste Kanzlerkandidat der Union. Der hohe Lebensstandard in Bayern ist einer der aufgezählten Gründe, der Wunsch nach "Bayern für ganz Deutschland“ scheint groß. Paradox, wenn man bedenkt, wie viele Hände voll Söder damit zu tun hat, den nach außen dargestellten Standard der Bayern zu halten, besonders im Bildungs- und Energiesektor.

Sein Coup dabei: Er ist so opportunistisch, dass stets eine flexible und schnelle Anpassung an die politische Meinung der Mehrheit möglich ist. Es ist mehr als bemerkenswert, wie er, um den Grünen keine Regierungschance in Bayern zu bieten, selbst grüner wurde, das Klima auf die Fahne der CSU schrieb und die Option Schwarz-Grün selbst in der Öffentlichkeit als nächstes progressives Bündnis einwarf. Und: Im Zweifel Opportunist zu sein, schadet in der Politik nicht zwingend. Wachsender politischer Druck aus der Mehrheit bei Klima, Bildung oder Verkehr könnten bei diesen Themen im Falle einer Kanzlerschaft zu besseren Ergebnissen führen als in der Ära Merkel, auch wenn die Gefahr besteht, dass Söder mit den Problemen der gesamten Bundesrepublik zunächst etwas überfordert sein könnte.

Mit der prunkvolle Kabinettssitzung mit der Kanzlerin in der Spiegelgalerie auf Herrenchiemsee bewies Söder einmal mehr sein Händchen für die Inszenierung (Bild: Peter Kneffel/Pool via Reuters)
Mit der prunkvolle Kabinettssitzung mit der Kanzlerin in der Spiegelgalerie auf Herrenchiemsee bewies Söder einmal mehr sein Händchen für die Inszenierung (Bild: Peter Kneffel/Pool via Reuters)

Aber kann Söder rein technisch Kanzler werden? Das Gezerre der CDU stellt erhebliche Barrieren auf. Als Parteichef würden Merz wie auch Röttgen die Kandidatur für sich beanspruchen, Laschet, besonders mit Blick auf die anhaltenden Rivalität, sowieso - oder? Doch es gibt einen Weg. Die bereits diskutierte Variante, Spahn als Parteivorsitzenden vorzuschicken und Laschet zum Bundespräsidenten zu machen, während Söder ins Rennen um die Kanzlerschaft geht, wäre eine Option, um die Spannungen aufzulösen.

Warum ein Verzicht für Laschet Sinn machen würde

Doch würde sich Laschet als Vorsitzender die Chance auf das Kanzleramt nehmen lassen? Dieses Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich, aus zwei Gründen: Er ist in den Umfragen unbeliebter als Söder, und er möchte selbst bloß nicht so opportunistisch wirken, wie er es seinem bayerischen Amtskollegen selbst gerne zum Vorwurf macht. Auch mit Blick auf die auch Abseits von Corona gescheiterte Politik seiner Landesregierung in NRW könnte Laschet eine politisch wohltuende Demut zeigen: Es wäre ein guter Schachzug, wenn er im Sinne des Wohles der Union erklären würde, sich auf NRW und den eventuellen Parteivorsitz zu konzentrieren und dafür in der K-Frage den Platz für die CSU frei macht, die nach all der Zeit durchaus wieder Anrecht auf die Kandidatur hat. Diese neue Gewaltenteilung könnte Laschet als progressiv verkaufen. Danach kann er immer noch zu einem späteren Zeitpunkt den Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben, wenn er ein aufgepäppeltes NRW hinterlässt.

Ob Laschet und Söder noch einmal so nah zueinanderfinden, wie hier vor der Coronazeit im April 2019? (Bild: Tobias Schwarz/AFP)
Ob Laschet und Söder noch einmal so nah zueinanderfinden, wie hier vor der Coronazeit im April 2019? (Bild: Tobias Schwarz/AFP)

Als letzte Notbremse für Söder, wenn er denn wirklich will, bleibt der Boykott der CSU, wenn die CDU sich die Kanzlerkandidatur schnappen möchte. Diese muss nämlich auch von der Schwesterpartei abgesegnet werden. Würde Söder es darauf ankommen lassen, könnte er damit ein hohes Risiko eingehen, aber auch manifestieren, wie wichtig ihm eine stabile Union ist, die er unter Merz oder Laschet nicht sehen würde.

Fakt ist aber auch: Dieses Jahr ist es Söders einzige Chance, 2025 wird sich jener, dem er jetzt im Falle eines Verzichts den Weg frei machen würde, mit der kommenden Legislatur politisch etabliert haben. Es heißt also: Taktieren. Und sich eventuell auf das Glück verlassen, das er schon so oft in seinem Leben hatte. Vielleicht erwartet uns ein demütiger Laschet - oder auch ein Markus Söder, der seinen Platz in Bayern wirklich Berlin vorzieht.

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