Ancelotti zu Bayern? Graubrot statt Champagner

Von Jens Fischer

Ancelotti zu Bayern? Graubrot statt Champagner

Die Anzeichen verdichten sich: Ancelotti könnte Guardiola bei den Bayern ablösen. Was ist davon zu halten? Der Italiener war mega-erfolgreich, für Fußball-Zauber aber stand er nie.

 

Kennen Sie Bob Paisley? Nein? Macht gar nichts. Der Brite war als Trainer verantwortlich für die große Ära beim FC Liverpool. Zwischen 1973 und 1983 holte Paisley sage und schreibe drei Mal den Pokal der Landesmeister mit den Reds. Eine epochale Leistung, die bislang in der langen Historie des Fußballs kein anderer Trainer bewerkstelligt hat. Außer einer: Carlo Ancelotti. Zwei internationale Landestitel mit dem AC Milan, einer mit Real Madrid. Der Italiener ist zweifelsohne einer der Größten auf der Bank – und soll nun den wohl scheidenden Pep Guardiola bei Bayern München ablösen.

Das zumindest melden spanische Medien am Donnerstag. Sowohl die Madrider Sportzeitung "Marca" als auch der Radiosender „Cadena Cope“ sind sich einig darin, dass Ancelotti und die Bayern den Deal perfekt gemacht haben und dieser, und dann natürlich auch Guardiolas Abschied, in der kommenden Woche noch vor Weihnachten verkündet werden soll. Angeblich wechselt Guardiola in die Premier League zu Manchester City.  

Weniger Charisma als Guardiola
Ancelotti zu Bayern. Was ist davon zu halten? Erst einmal werden sich die Bayern-Fans auf einen Mann - 56 Jahre alt, verheiratet, zwei erwachsene Söhne - einstellen müssen, der anders als Guardiola nicht dringend mit Charisma besticht und eher spröde daherkommt. Er ist trotz seiner immens großen sportlichen Reputation irgendwie auch ein wenig ein Mann ohne Eigenschaften. Ohne Magie, ohne Geheimnisvolles, ohne Guardiola-Mystik. Ancelotti ist keiner der großen Worte, keiner, der es liebt, im Scheinwerferlicht zu baden. Er ist einer, der bei Toren seiner Mannschaft dezent die Augenbraue nach oben zieht. Freude oder Skepsis – man weiß es nicht genau. Guardiola war Champagner. Sein potenzieller Nachfolger ist irgendwie Graubrot.

Ancelotti ist kein Philosoph und kein Futurist. Ancelotti ist Pragmatiker, kalkuliert und ergebnisorientiert. So ist dann, wenn das alles so wird mit den Bayern, auch seine Aussage vor einigen Tagen zu bewerten. „Bayern spielt einen super Fußball, aber ich muss gestehen, dass ich Bayerns Spiele nicht genießen kann. Es gibt einfach zu wenig echten Wettbewerb in der Bundesliga.“ Nur Verwirrungstaktik? Klar ist, dass Bayern-Fans solche Aussagen gar nicht mögen werden.

Milan, Chelsea, Paris, Real – Bayern?
Trainiert hat Ancelotti das „Who is who“ des internationalen Fußballs. Milan, Chelsea, Paris, Real – und mit allen war er enorm erfolgreich und hat Titel gesammelt ohne Ende. Das wird auch die Bayern-Verantwortlichen fasziniert haben. Aber: Taktisch waren Ancelottis Mannschaften eher trist und bodenständig. Während Guardiola Kreativität und Individualität schätzt, Spieler wie Robben, Thiago, Costa, Ribéry oder zuletzt Coman und deren Dribblings über alles liebte, liebt Ancelotti das Funktionale. Defensiv kompakt, mit einem Mittelfeld-Strategen, so wie er früher selber einer war, und vorne am besten einem Ronaldo: So lässt der Italiener gerne spielen. Özil hat es bei Real am eigenen Leib erfahren. Er flüchtete zu Arsenal.

Für die Bayern-Fans könnte Ancelotti einen Schock bedeuten. Gerade erst hatten sie sich an das emotionale Feuerwerk und die Torparties ihrer Stars gewöhnt, und nun das. Käme Ancelotti, ginge wohl auch ein wenig die Fußball-Freude. Das wäre schade, denn die gesamte Bundesliga braucht die Bayern und ihren Zauber.

Eine Anmerkung noch: Warum eigentlich keine „regionale Lösung“? Warum keine Identifikationsfigur? Warum kein Joachim Löw? Oder – auch wenn es gewagt wäre – kein Trainer-Duo a la Mehmet Scholl und Mark van Bommel? Die Bayern-Fans würden es lieben, zumal ihnen mit Schweinsteiger ja schon Herzblut abgezapft wurde. Nun könnte es tatsächlich Ancelotti werden. Sündhaft teures Graubrot halt.