Heute unvorstellbar: So kurios war das Hallenmasters

Heute unvorstellbar: So kurios war das Hallenmasters

Mit der richtigen Antwort kann man ganze Stammtischrunden beeindrucken: wer gewann eigentlich das letzte Hallenmasters-Turnier?

Auf den Tag genau 20 Jahre ist es her, als diese vom Fußballvolk zwiespältig aufgenommene Veranstaltung kaum betrauert ihr jähes Ende nahm. Über die 14 Jahre, die diese Veranstaltung erlebte, kann man sagen: Anfang und Ende misslungen, zwischendrin war es ganz spaßig.

Die Antwort übrigens lautet: SpVgg Unterhaching, im Januar 2001 immerhin Bundesligist. Dennoch symbolisiert der Sieg des Underdogs vor den Toren Münchens, der am Saisonende auf Nimmerwiedersehen aus dem Oberhaus abstieg, den Niedergang des Hallenmasters, mit dem junge Menschen heute gar nichts mehr anfangen können. Worum ging es damals eigentlich?

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Die vom DFB organisierte Veranstaltung war ein Jahr zuvor mit der erdrückenden Stimmenmehrheit von 32:2 von den Vertretern der Lizenzvereine ins Leben gerufen worden. Es galt, die 1986/87 eingeführte Winterpause zu überbrücken, die elf Wochen dauerte und 1987/88 nur unwesentlich kürzer war.

Man wollte den Wintersportarten den Januar nicht kampflos überlassen, man müsse ja auch an die Sponsoren denken, hieß es aus den da noch ausschließlich vom DFB gelenkten Vereinen. Es ging also von Anfang an ums Geld.

Zahlreiche Bundesligisten verzichten auf die Endrunde

Den Fans war es recht, aber je näher das Turnier kam, desto größer wurden plötzlich die Bedenken der Aktiven. Zehn Bundesligisten, darunter die Topklubs aus München und Hamburg, erklärten ihren Verzicht auf die Endrunde, obwohl auch sie an einem der insgesamt 18 Qualifikationsturniere teilnahmen.

Begründung: der späte Termin (29./30. Januar) fiel in die Zeit der Wintertrainingslager im Süden. DFB-Ligasekretär Wilfried Straub sagte: "Ich persönlich erwarte, dass wir aus dem eigenen Lager ein solches Endturnier nicht zerstreiten." Streit gab es dennoch. Auch über die Regularien, die es dem Zweitligisten VfL Osnabrück ermöglichten, mit einer einzigen Turnierteilnahme das Masters zu erreichen – wo sich andere auf fünf Turnieren mühten, aber auf eine geringere Durchschnittspunktzahl kamen.

Die Ermittlung der Teilnehmer, da herrschte Konsens, war überarbeitungsbedürftig. Die Tabelle spuckte nach über 200 Spielen zwei Bundesligisten und drei Zweitligisten als Endrundenteilnehmer aus. Erst mit Einführung der Nations League 2018 kam im Fußball ein komplizierteres Qualifikationsmodell zur Welt.

Das erste Hallenmasters brachte alle Hallen-Turniere, die es auch in den Jahren zuvor schon gab, wie in Berlin oder München, buchstäblich unter ein Dach, andere etablierten sich erst durch seine Einführung.

Hallenmasters-Premiere wird zum Flop

Die Premiere der Endrunde in Frankfurt wurde 1988 zum Flop, so sehr man sich auch mühte, dem Event einen professionellen Anstrich zu geben.

Gastgeber Eintracht Frankfurt war auch qualifiziert. Die Teams kamen in zwei Dreier-Gruppen, Weltmeister Jürgen Grabowski zog die Lose. Drei Bundesliga-Schiedsrichter waren im Einsatz: Dieter Pauly, Karl-Heinz Tritschler und Wolf-Günter Wiesel. Als Stadionsprecher wurde die Stimme des Betzenbergs, Udo Scholz (Kaiserslautern) verpflichtet.

Die dritten Programme der ARD übertrugen ab den Halbfinals am Samstag, den 30. Januar, live. Die Preisgelder reichten von 5000 DM für den Fünften bis 40.000 DM für den Sieger, der Letzte sollte nur etwas bekommen, wenn das Masters Gewinne abwerfen würde.

Das tat es, aber weniger wegen der Zuschauerzahlen. An beiden Tagen fanden sich nur 4500 Menschen in der Frankfurter Festhalle ein, in der es 7850 Plätze gab. Es mag auch an den Eintrittspreisen gelegen haben, die bis zu 80 DM betrugen. Aber eben auch daran, dass die "Großen" mit Ausnahme des kommenden Meisters Werder Bremen fehlten.

So kam Bayer Uerdingen, damals Erstligist, zu der Ehre, das erste Masters gewonnen zu haben. Ein Pokal, eine Champagner-Flasche und ein Scheck in Badezimmerteppich-Größe – das war das Schlussbild von der ersten offiziellen deutschen Hallenmeisterschaft.

Viele Verletzte

Das Niveau war allerdings ansprechend. Der Kicker bilanzierte: "Die Aktiven haben verstanden, dass vor allem der Showcharakter und der Spaß am Spiel im Vordergrund stehen müssen und damit dem Spiel in der Halle endgültig zum Durchbruch verholfen."

Es gab weder Verletzte, noch Zeitstrafen oder gar Platzverweise - Spaß war Trumpf. Werder-Coach Otto Rehhagel nahm dafür sogar Blamagen in Kauf: "Wir wollen nicht auch noch in der Halle anfangen, zu taktieren." Was zu deftigen Pleiten (2:7 gegen Uerdingen, 3:6 gegen Osnabrück) führte.

Mehr als das fürchteten die Vereine Verletzungen, die schon 1989 zum Thema wurden. Stuttgarts Alexander Strehmel brach sich das Bein, Eindhovens Torwart Hans van Breukelen - bei der WM 1990 äußerst sympathischer Widersacher der deutschen Nationalmannschaft - erlitt einen Kreuzbandriss, rund 20 Profis fielen wegen Hallenverletzungen für den Rückrundenstart aus.

Beobachter schoben es auf die Erhöhung der Start- und Preisgelder, die heute lächerlich wirken: dem Sieger 1989 winkten 120.000 DM. Weitere Kritikpunkte: wieder ein neuer Modus, gleich fünf der acht Endrundenteilnehmer in Dortmunds Westfalenhalle erhielten ein Freilos (Meister, Vizemeister, Pokalsieger, Titelverteidiger und Gastgeber).

Klinsmann findet Hallenfußball "bescheuert"

Der DFB wollte eben ein möglichst lukratives Endturnier. Schließlich mussten ja alle Spieler auf einem Riesenplakat Autogramme setzen, das zugunsten der Krebshilfe versteigert wurde. Die Spieler blieben gespalten. Stuttgarts Jürgen Klinsmann fand Hallenfußball "bescheuert" und als Bochums Trainer Reinhard Saftig 1990 Freiwillige für das Masters suchte, meldete sich keiner – er musste sein Hallenteam buchstäblich erzwingen.

Doch das Publikum zog mit. 17.000 strömten 1989 an zwei Tagen in die Westfalenhalle und sahen Werder Bremen siegen. Drei Jahre blieb das Turnier in Dortmund, das Gros der Einnahmen gingen an den BVB, der Ausrichter war und auch sportlich absahnte – mit einem Hattrick von 1990-92.

Manche Teilnehmer machten indes Verlust wie die Uerdinger, in deren Kabine 1990 eingebrochen wurde, Portemonnaies und Lederklamotten wechselten die Besitzer. Von all diesen Randgeschichten berichtete das Fernsehen, anfangs blieb das Masters Sache der ARD-Sender.

Je mehr Reichweite, desto ehrgeiziger wurden diejenigen, die aufs Geld achten mussten. Bayern-Manager Uli Hoeneß tobte 1991 nach einem 1:5 gegen Gladbach und verbot "bis Saisonende" weitere Niederlagen, "auch beim Masters". Außerdem war er neidisch auf den BVB und plädierte dafür, dass das Masters auch mal in die Münchner Olympiahalle solle – Veranstalter natürlich die Bayern.

So kam es, 1992 und 1993 zog die Karawane der Ballartisten im Januar nach München, wo ein Umsatzrekord von 1,7 Millionen DM erzielt wurde. Hier etablierte sich auch die Einrichtung einer Players Party, auf der sich 440 Spieler und Funktionäre einfanden.

Dank Hallenmasters: FC Bayern holt Otto Rehhagel

Uli Hoeneß: "Wir wollen eine gesellschaftliches Ereignis aus dieser Veranstaltung machen." Das Hallenmasters wurde zum "Familienfest der Bundesliga" (Kicker), auf dem gekungelt, gestritten und sich auch wieder versöhnt wurde. So räumten die Bayern bei der Gelegenheit Zwistigkeiten mit Liga-Boss Gerhard Mayer-Vorfelder und Schiri-Boss Volker Roth aus – und angelten sich 1995 Trainer Otto Rehhagel aus Bremen. Auch dafür war das Event gut.

Die Zuschauer bekamen davon weniger mit, amüsierten sich aber über anderes. Wie das Kopfballtor von Kölns Frank Ordenewitz, der nach einem Solo 1991 vor dem leeren Tor den Ball auf der Linie stoppte und mit dem Schädel eindrückte. Im Ligaalltag als unfair verpönt, in der Halle erlaubt.

Bayerns Didi Hamann übte 1993 schon mal Wechselfehler und sprang gemeinsam mit Jan Wouters aufs Feld, obwohl nur ein Mitspieler herunter ging. Aus der folgenden Zeitstrafe ergaben sich drei Gegentore und eine Niederlage gegen den HSV. Auch Oliver Kahn deutete an, was da noch kommen könnte, und legte seinen ersten Amoklauf in der Halle hin, als er Kaiserslauterns Guido Hoffmann an die Wäsche ging (1991).

Solche Skandälchen sind natürlich Gold wert für den Boulevard, der durch das Aufkommen der Privatsender neue Spielflächen bekam. 1994 in Dortmund kamen alle Spiele nur im Bezahl-TV (Premiere), was zum Rekordumsatz von 2,7 Millionen DM beitrug.

Doch die Vereine moserten über lächerliche 50.000 DM Startgeld. In jenem Jahr fielen 7,13 Tore pro Spiel. Es war das letzte, bei cem die Begeisterung überwog. 1995 beklagte der Kicker den Trend "weg von Zauberei und Torreigen, hin zu mehr Taktik und torärmeren Spielen".

Lorant: "Wir werden schon verhindern, dass wir weiter kommen."

Weit kamen vor allem Mannschaften, denen die Preisgelder noch etwas bedeuteten. 1995 gewann der KSC das Turnier in München, bei dem sich Gladbach und Schalke zu einem zweiten Gijon herabließen und auf ein 1:1 einigten, was ihnen weiterhalf – und Bayern flog raus. Der Torschnitt sank rasant auf 4,33 pro Spiel, aber jedes in der Endrunde wurde übertragen – nun von zwei Sendern (DSF und RTL). Mit steigender Vermarktung sank das Niveau – das war die bittere Erkenntnis nach sieben Jahren.

Vor allem bei den Trainern stieg die Unlust, die Halle störte ihre Vorbereitung, manche schickten den halben Kader in den Süden und hofften auf ein schnelles Turnierende der anderen Hälfte. Am ehrlichsten sprach 1860 München-Trainer Werner Lorant: "Wir werden schon verhindern, dass wir weiter kommen."

Nur eine Randnotiz blieb da, dass die Halle auch den ersten Dopingfall im deutschen Fußball erbrachte: Bochums Roland Wohlfarth hatte 1995 zwecks Gewichtsabnahme einen Appetitzügler geschluckt, wurde beim Turnier in Leipzig überführt und drei Monate gesperrt.

Aber der Rubel rollte weiter. 1996 wurde das Startgeld massiv erhöht (200.000 DM), die Westfalenhalle war an beiden Tagen ausverkauft, nun teilten sich öffentliche und private Sender (ARD und DSF) das Vergnügen. Aber war es eins? Viele Klubs schickten die zweite Garnitur, so konnte auch 1860 München mal wieder einen Titel holen. Gladbachs Stefan Effenberg gestand: "Ich würde keine 60 Mark dafür ausgeben."

1997 bekamen die Vereine schon 350.000 DM, der DFB wollte sein Turnier, das einst von den Vereinen angeregt worden war, retten. Gastgeber Bayern kam immerhin mal ins Finale, konnte das Mastes aber wieder nicht gewinnen (1:3 gegen Kaiserslautern). Das war noch nicht das Problem von Ottmar Hitzfeld, damals im letzten Dortmund-Jahr.

Seins war anderer Natur: weil dichter Nebel über München hing, schwebte sein Flieger 90 Minuten über der Metropole und konnte doch nur in Stuttgart landen, von wo er mit dem Taxi anreiste. Weil auch BVB-Zeugwart "Bomber" Wiegand Nebel-Opfer wurde, musste der Trikotkoffer der Borussen aufgebrochen werden. Die Schlüssel hatte Wiegand.

Die entscheidende Zäsur für das Masters erfolgte 1998. Die Liga hatte die Winterpause auf sechs Wochen verkürzt, der Januar war nicht mehr komplett terminfrei. Das Masters musste also früher stattfinden, die Quali-Turniere wurden radikal reduziert – von 16 auf vier. Man zwang sich regelrecht zum Weitermachen, Bayerns Mehmet Scholl aber gestand: "Ich habe darauf kein Bock mehr!".

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DFB-General Wilfried Straub entgegnete garstig: "Jeder kommt mal in die Pubertät." Für das Masters galt das nicht, es war in die Jahre gekommen und wurde zunehmend lästig. Randgeschichten lieferte es immer noch, das ja. 1998 sollten in München alle Endrundenteilnehmer ihre Vereinsflagge aufziehen dürfen, doch die von Schalke kam nie an.

Da half auch kein Nachforschungsantrag bei der Post. 1999 gewann Borussia in Dortmund ein viertes und letztes Mal das Masters – als einziger von insgesamt elf Siegern wurde sie zum Wiederholungstäter. Mehmet Scholl übrigens auch, wieder moserte er: "Das hat mit Budenzauber nichts mehr zu tun." Weil die Falschen zauberten. Bayern schickte gar die dritte Garnitur und ein verzweifelter Autogrammjäger fragte Thorsten Fink 2001: "Wer ist denn noch hier den ich kenne?" Antwort: "Der Wiesinger vielleicht?"

Hitzfeld: "Hallenfußball ist nicht mehr zeitgemäß"

2000 war in München nicht mehr Bayern, sondern 1860 Veranstalter, was bewies: Die Großen verloren das Interesse.

Damals gab es auch das erste Urteil am Grünen Tisch. Borussia Mönchengladbach konnte sich ein paar Wochen über den Triumph von München freuen, da kam heraus, dass der Niederländer Quido Lanzaat an Silvester eine Haschzigarette geraucht hatte und gedopt war. Er hatte zwar nur fünf Minuten gespielt, aber der Titel ging nachträglich an Greuther Fürth. Das und der Fakt, dass zwei Zweitligisten das Finale bestritten, verdeutlichte: das Ende war nah. Trotz mittlerweile drei Millionen TV-Zuschauer bei DSF und SAT1.

Der letzte Vorhang fiel 2001 in Dortmund, wo sich Endzeitstimmung breit machte. "Wenn die Leute Stars sehen wollen, müssen sie bis Bundesligabeginn warten", knurrte Stuttgarts Trainer Ralf Rangnick. Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld ergänzte: "Hallenfußball ist nicht mehr zeitgemäß."

Letzter Sieger wurden also die Hachinger nach einem 5:4 im Penalty-Schießen gegen Werder Bremen, auf den Plätzen folgten Energie Cottbus und Fürth. "Die Fans haben den Anspruch, die Stars zu sehen. Das ist sträflich vernachlässigt worden. So können wir das nicht hinnehmen", grollte Straub. Weshalb sie es für alle Zeit ließen.