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Baumgartl kontert van der Vaart: "Vielleicht hat er's nicht verdaut"

Im Sommer 2019 hatte Timo Baumgartl eine Entscheidung getroffen. Er verließ Absteiger VfB Stuttgart und wechselte für 10 Millionen Euro zur PSV Eindhoven, unterschrieb beim holländischen Top-Klub einen Vertrag bis 2024.

Europa League statt 2. Bundesliga für den 24-jährigen Innenverteidiger. In den Niederlanden erlebte der 20-fache U21-Nationalspieler in seinem ersten Jahr ein Auf und Ab der Gefühle.

Mal war er Stammspieler, zuletzt nur Reservist. Wegen der Coronakrise muss auch seine Mannschaft auf unbestimmte Zeit pausieren.

SPORT1: Herr Baumgartl, auf Instagram sieht man Sie in der fußballfreien Zeit beim Yoga und am Basketball-Korb. Wie geht es Ihnen?

Timo Baumgartl: Ich versuche, das Beste draus zu machen. Mein Labrador Jimmy freut sich, dass ich jetzt öfter zu Hause bin. Ich bin immer noch in Eindhoven, weil der Verein darum gebeten hat, das Land nicht zu verlassen, solange nicht geklärt ist, wann und ob es in der Liga weitergeht. Ich habe auch noch keine Fluchtversuche unternommen (lacht). Ich habe hier ein Haus mit Garten, wir haben Platz. Hier kann ich mich zumindest noch frei bewegen. Das wäre in meiner Heimat nicht der Fall. Deshalb bleibe ich hier.

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SPORT1: In Deutschland ist das Thema Spenden in aller Munde.

Baumgartl: Ich schaue mich um, was ich machen kann. Spenden würde ich auf jeden Fall, denn ich bin in einer privilegierten Situation. Von daher kann ich auf einen Teil meines Gehalts für eine gewisse Zeit verzichten. Ich unterstütze aber ohnehin auch Projekte, die nichts mit Corona zu tun haben. Zum Beispiel spende ich für ein Kinderkrebs-Krankenhaus in meiner Heimat.

Das PSV-Jahr? "Ereignisreich. Lehrreich. Spannend"

SPORT1: Pflichtbewusst sind Sie auch im Beruf. Man soll Sie öfter auf dem Rasenplatz des ortsansässigen Vereins sehen.

Baumgartl: Ja, das stimmt. Dort habe ich die Möglichkeit, alleine zu trainieren. Der Dorfverein stellt mir den Platz zur Verfügung und alle notwendigen Utensilien wie Bälle und Hütchen. Ich trainiere dort auch mit einem Rebounder (Rückprallwand, d. Red.), der mir die Bälle zurückspielt. So behalte ich den Ball am Fuß, denn das vermisse ich.

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SPORT1: Wie halten Sie sich sonst noch fit?

Baumgartl: Unter anderem mit Yoga. Meine Freundin Julia hat mich dazu überredet. Ich habe auch ein kleines Gym im Haus. Einmal in der Woche fahren wir Spieler zum Verein. Dort kann man sich durchchecken lassen und in Zweier- oder Dreiergruppen Läufe absolvieren. Das ist aber nicht verpflichtend. Ansonsten haben wir private Pläne für Läufe und Stabilisationsübungen, wie in der Sommer- oder Winterpause. Mannschaftstraining ist noch bis zum 6. April verboten. Hier geht aber jeder davon aus, dass es noch verlängert werden wird.

SPORT1: In drei Worten, wie fassen Sie Ihre Zeit bei der PSV Eindhoven bisher zusammen?

Baumgartl: Ereignisreich. Lehrreich. Spannend.

SPORT1: Teilweise auch nicht zufriedenstellend? Die letzten sieben Liga-Spiele wurden Sie nicht eingesetzt.

Baumgartl: Natürlich ist man unzufrieden, wenn man nicht spielt. Ich hatte hier einen super Beginn, es hat alles gepasst, wir waren sehr erfolgreich. Dann haben wir angefangen zu rotieren und kamen in eine Ergebniskrise. Schließlich habe ich eine Trainerentlassung zu spüren bekommen (Mark van Bommel im Dezember 2019, d. Red.). Übrigens nicht die erste in meiner Karriere. In diesem Jahr fing es wieder positiv für mich an, wurde ab dem 20. Spieltag aber nicht mehr eingesetzt. Das war für mich unverständlich.

"Wir leben in einem freien Land"

SPORT1: Im August 2019 wurden Sie von Ex-Profi Rafael van der Vaart hart kritisiert. Er stellte unter anderem ihre Qualität infrage.

Baumgartl: Ich bekam das damals erst gar nicht so richtig mit, dann sprachen mich Mitspieler drauf an. Ich habe ziemlich schnell registriert, dass er Spieler schnell und hart kritisiert. Die Niederländer sind so, hart und direkt. Sie sagen, was sie denken. Vielleicht war er auch ein bisschen sauer, weil wir immer gegen ihn gewonnen haben als er noch beim Hamburger SV war. Vielleicht hat er das nicht verdaut (lacht).

SPORT1: Gab es einen Austausch?

Baumgartl: Nein, das war nicht notwendig. Jeder darf sagen, was er will. Wir leben in einem freien Land. Ich habe gelernt, dass man sich mit denen austauschen sollte, denen man vertraut und die objektiv sind. Ob van der Vaart permanent objektiv ist, weiß ich nicht, denn er war lange bei Ajax Amsterdam. Von daher nehme ich das alles nicht so ernst.

SPORT1: Bereuen Sie den Wechsel?

Baumgartl: Keinesfalls. Es war ein großer Schritt für mich, aber der Richtige. Davon bin ich immer noch überzeugt. Ich bin als Person gewachsen, es ist ein anderes Land, eine andere Kultur. Es ist mein erster Wechsel weg von meinem Heimatverein, von daher muss ich mir selbst Zeit geben. Das fügt sich schon alles irgendwann zusammen.

SPORT1: Sie sprachen es bereits an. Beim VfB Stuttgart hatten Sie in knapp fünf Jahren elf Trainer. Mit Roger Schmidt wartet binnen ihres ersten Jahres in Eindhoven Trainer Nummer drei. Haben Sie ein Déjà-vu?

Baumgartl: Ich kenne das Profigeschäft mittlerweile ein bisschen, daher scheint es schon normal zu sein, dass man in einem Jahr drei Trainer hat. Normalerweise war Eindhoven nicht dafür bekannt, einen Trainer besonders schnell zu entlassen, aber wir hatten eine Serie, in der es nicht gut lief und in der wir uns immer mehr von der Tabellenspitze entfernt haben. Von daher hat der Verein die Reißleine bei van Bommel gezogen, was sicherlich nicht einfach war. Jetzt bekommen wir im Sommer mit Roger Schmidt einen neuen Trainer. Eine alter Bekannter für mich, denn ich habe schon gegen ihn gespielt, als er noch Trainer von Bayer 04 Leverkusen war.”

SPORT1: Im Dezember 2019 wurde Mark van Bommel entlassen. Wie war Ihr Verhältnis?

Baumgartl: Professionell gut. Da er deutsch kann, konnten wir uns auf meiner Muttersprache unterhalten. Ich kann zwar fließend englisch. Niederländisch verstehe ich und kann es immer besser sprechen, aber es war so natürlich einfacher zu kommunizieren. Von daher war es ein guter Austausch. Er war ein guter Trainer, der dann aber leider entlassen wurde. Ich wünsche ihm für seine Zukunft alles Gute.

"Eines Tages traue ich van Bommel die Bundesliga zu"

SPORT1: Was ist er für ein Trainertyp?

Baumgartl: Er war als Trainer nicht so, wie er als Spieler war. Er war nicht permanent hart. Als Ex-Profi wusste er, wie man mit Spielern umgehen muss. Er war als Trainer auch niemand, der auf seiner Vergangenheit rumgeritten ist. Wie es bei ihm in der Karriere lief, hat er höchstens im persönlichen Gespräch mitgeteilt. Es wird spannend sein, seinen Weg zu verfolgen. Mark wird in naher Zukunft sicher einen sehr guten Verein finden.

SPORT1: Vor seiner Amtsübernahme in Eindhoven war Mark van Bommel Co-Trainer der australischen Nationalmannschaft, von 2017 bis 2018 Trainer von Eindhovens U19. Gibt es etwas, was er als junger Trainer noch dazulernen muss?

Baumgartl: Ich möchte ihm keine Tipps geben, aber sagen wir so: Jeder Trainer reflektiert normalerweise seine Entscheidungen und seine Trainerarbeit. Er ist intelligent genug um zu sehen, wo er sich noch verbessern muss und was er gut gemacht hat. Wenn er aus seiner Vergangenheit lernt und das Gute mitnimmt, was er definitiv gemacht hat, dann wird er bei seiner nächsten Station Erfolg haben.

SPORT1: Trauen Sie ihm den Sprung in die Bundesliga zu?

BAUMGARTL: Warum nicht? Er hat in Deutschland gespielt, spricht die Sprache und wird sich sicher weiterentwickeln. Eines Tages traue ich ihm die Bundesliga auf jeden Fall zu.

SPORT1: Verändert es Sie persönlich, wenn ein Trainer gehen muss?

BAUMGARTL: Nein, man sollte sich nicht verbiegen lassen. Ich habe unter jedem Trainer meine Routine und meine Arbeitseinstellung beibehalten, auch meinem Körper gegenüber. Wurde einer meiner Trainer entlassen, habe ich das aber immer als persönliche Niederlage empfunden.

SPORT1: Zurück zu ihrem Bald-Trainer Roger Schmidt. Gab es schon einen Austausch?

Baumgartl: Noch nicht. In der Corona-Krise gibt es derzeit Wichtigeres, als solche Gespräche zu führen. Ich mache so etwas auch lieber im Vieraugen-Gespräch. Das wird in Zukunft sicher passieren.”

SPORT1: Wie wurde sein Wechsel zur PSV wahrgenommen?

Baumgartl: Dass er zu uns kommt, wird hier als Erfolg betrachtet. Er war bei RB Salzburg, in Leverkusen und hatte überall Erfolg. Die Bundesliga wird hier sehr hoch angesehen. Sein Wechsel zu uns ist jedenfalls ein Ausrufezeichen. Ich denke nicht, dass Eindhoven der einzige Verein war, der ihn wollte.

SPORT1: Ist die Nationalmannschaft Ihr Ziel?

Baumgartl: Die Nationalmannschaft mit 24 Jahren abzuhaken, wäre jedenfalls falsch. Für mich ist es jetzt wichtig, dass ich hier spiele. Ich habe diesen Schritt ins Ausland bewusst gemacht, um zu wachsen. Letztes Jahr habe ich bei der U21-EM immer gespielt von daher ist mein Ziel ganz klar die Nationalmannschaft. Das ist doch der Traum eines jeden jungen Spielers. Hier habe ich auch die Plattform, um mich international beweisen zu können. Das ist ein wichtiges Kriterium. Im Fußball kann es sehr schnell gehen, daher hoffe ich, dass ich in naher Zukunft nominiert werde. Die Nationalmannschaft werde ich nie aus den Augen verlieren.

SPORT1: Ganz konkret: Haben Sie die EM 2021 im Blick?

Baumgartl: Auf jeden Fall, die EM im nächsten Jahr ist mein Ziel. Bei so einem Turnier möchte ich gerne dabei sein. Olympia soll 2021 aber auch stattfinden. Auch das ist ein Turnier, dass ich gerne spielen würde. Ich bin aber ein Freund davon, mir kurzfristige Ziele zu setzen. Man sieht es ja jetzt: Es gibt viel externe Faktoren, die einem einen Strich durch die Rechnung machen können.

SPORT1: Ist für Sie eine Bundesliga-Rückkehr möglich?

Baumgartl: Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, in die Bundesliga zurückzukehren. Ich bin Deutscher und weiß, welche Strahlkraft die Bundesliga hat. Ich kann mir aber auch vorstellen, nochmal in ein neues Land zu gehen, nach Spanien oder Frankreich. Jetzt bin ich in Eindhoven und davon überzeugt, dass ich hier richtig aufgehoben bin. Ich halte mir aber alles offen.