Bayern kann sich nur noch selbst schlagen

Stell dir vor, es ist Champions League und keiner geht hin. Was Anfang des Jahres noch absolut unvorstellbar gewesen wäre, ist im August 2020 Realität geworden. Beim Finale der Königsklasse am Sonntag zwischen Paris Saint-Germain und dem FC Bayern München wird kein einziger Fan im Estádio da Luz sein. (Champions League: Paris Saint-Germain - FC Bayern, ab 21 Uhr im LIVETICKER)

Corona hat dieses Fußballjahr mächtig durcheinandergewirbelt und so auch eine ganz besondere Atmosphäre für das Endspiel um den Henkelpott geschaffen. In den Straßen von Lissabon sind - anders als sonst - sehr wenige Touristen unterwegs und noch weniger Fans.

Wenn überhaupt, dann sieht man mal ein blaues Trikot mit den Namen Mbappé oder Neymar. Die Bayern sind in der portugiesischen Hauptstadt quasi überhaupt nicht präsent.

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Bayern bereit wie selten zuvor

Das waren sie bisher nur ganze zwei Mal. Am Freitag vor einer Woche für 90 Minuten im Finalstadion gegen den FC Barcelona und fünf Tage später im Estádio José Alvalade gegen Olympique Lyon. Ein Sieg trennt den deutschen Rekordmeister noch vom zweiten Triple der Vereinsgeschichte und die Mannschaft wirkt dafür bereit wie selten zuvor.

Seit Hansi Flick die Bayern im November vergangenen Jahres übernahm, hat das Team nur ganze zwei Pflichtspiele verloren. Seit dem 7. Dezember 2019 ist der FCB ungeschlagen, mit einer Bilanz von 28 Siegen und nur einem Unentschieden. Die Münchner haben schlichtweg verlernt zu verlieren und diese neue Fähigkeit lassen sie ihre Gegner auf dem Platz erbarmungslos spüren.

Man hat bei den Bayern im Moment nie so richtig das Gefühl, es könne wirklich etwas schiefgehen. Die rot-weiße Maschine läuft wie ein Uhrwerk. Jedes Rädchen greift ins andere: David Alaba funktioniert in seiner umfunktionierten Rolle als Abwehrchef in der Innenverteidigung nahezu perfekt, Thomas Müller deutet wieder Räume wie zu seinen besten Zeiten, Robert Lewandowski schießt Tore wie sonst nur Messi oder CR7 und ein erst 19-jähriger Kanadier mit dem Namen Alphonso Davies schickt sich an, der beste Linksverteidiger der Welt zu werden (der schnellste ist er wahrscheinlich schon).

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Man könnte diese Aufzählung für jeden einzelnen Bayern-Spieler fortführen und hätte bei jedem viel Positives zu berichten. Das Wichtigste ist aber, dass die Bayern eine absolute Einheit sind. "Wir haben keine Stinkstiefel in der Mannschaft", hat Kapitän Manuel Neuer bei einer Presserunde vor dem Finale gesagt und genau dieses Gefühl strahlen die Münchner aktuell auch aus. Dem Erfolg wird alles untergeordnet, alle sind hungrig aufs Triple.

Bayern kann sich nur selbst schlagen

Selbst nach dem historischen 8:2 gegen den FC Barcelona gab es laut Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge keine großartigen Feierlichkeiten in der Kabine, und das Bild von Thomas Müller, Joshua Kimmich und Leon Goretzka unmittelbar nach dem Halbfinale gegen Lyon ist fast schon legendär.

Anstatt zu feiern und sich ausgelassen über den Finaleinzug zu freuen, saßen die drei Bayern-Stars völlig ruhig auf der Ersatzbank und diskutierten über die grade zu Ende gegangene Partie. Bayern weiß, dass es sich auf dem Weg zum zweiten Champions-League-Titel in dieser Dekade nur selbst schlagen kann.

Und diese Tatsache war vor allem im Spiel gegen Lyon zu beobachten. Gerade mal 59 Sekunden lagen zwischen dem Pfostenschuss von Toko Ekambi und dem 1:0 von Serge Gnabry. Die Bayern-Führung, sie wurde auf einem wackligen Fundament gebaut. Zu viele einfache Ballverluste und Fehlpässe in der Zentrale haben Lyon immer wieder zu Kontern eingeladen und es waren am Ende Glück und Manuel Neuer, die die Münchner vor einem Rückstand bewahrt haben.

Das darf gegen Paris am Sonntag definitiv nicht passieren. Auch, weil die Qualität von PSG in der Offensive natürlich eine andere ist und so gut wie keine Fehler verzeiht. Das musste RB Leipzig im Halbfinale schmerzlich erfahren. Auch wird es sehr interessant sein zu beobachten, wie Kimmich (oder vielleicht doch Pavard) mit dem enormen Tempo Mbappes zurechtkommen wird.

PSG erst mit fünf Gegentoren

Das dürfte eines der Schlüsselduelle in diesem Finale werden. Bayern muss früh die eigene Ordnung finden und die Kontrolle dieses Spiels übernehmen. Auf jeden Fall müssen die einfachen Fehler aus dem Lyon-Spiel tunlichst vermieden werden. Im Angriff kann sich Hansi Flick auf das jetzt schon torgefährlichste Duo der Champions-League-Geschichte verlassen.

Robert Lewandowski und Serge Gnabry haben zusammen 24 Tore geschossen. Das gab's noch nie in einer Spielzeit. Und auch wenn PSG erst fünf Gegentore in dieser Königsklassensaison zugelassen hat und damit die statistisch beste Defensive im Wettbewerb stellt, ist der französische Dauermeister in der Abwehr nicht erstklassig besetzt und wird dem bayrischen Offensivpressing nicht immer standhalten können.

Wie gesagt, Bayern kann sich in diesem Finale eigentlich nur selber schlagen. Nicht umsonst spricht nun ja sogar schon der größte Rivale aus der Bundesliga von der "womöglich besten Mannschaft, die jemals bei Bayern München gespielt hat". Es ist alles bereit für das zweite Triple nach 2013. Nur schade eigentlich, dass fast niemand dabei sein wird in Lissabon. Dafür aber hoffentlich ganz viele zu Hause an den Bildschirmen.

Daniel Herzog ist als Reporter für DAZN beim Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und Paris Saint-Germain vor Ort, DAZN überträgt live. Herzog ist eines der Gesichter bei DAZN, das mit dem Erwerb der Champions-League-Rechte von Sky aufhorchen ließ. Neben der Champions League überträgt DAZN unter anderem die Bundesliga.