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Wie planvoll schwächte Bayern seine Rivalen wirklich?

Es ist ein Satz, den man erst mal auf sich wirken lassen muss.

"Bayern München hat noch nie einen Spieler angeworben, um einen seiner Konkurrenten zu schwächen."

So Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern im Interview mit France Football, angesprochen auf die Absichten hinter der Verpflichtung von Talent Tanguy Nianzou von Paris Saint-Germain.

Die Aussage sorgte bei Fans anderer Vereine für gereizte Reaktionen. Wird den Bayern doch seit Jahrzehnten unterstellt, dass genau das das Ziel vieler Transfers war - und Rivalen wie Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen darunter zu leiden hatten.

Bayerns strategische Transfers zu Lasten der Konkurrenz in der Bundesliga, oft als Raubzüge empfunden, sind Legende - wobei manch eine Legende auch etwas ausgeschmückt ist. SPORT1 erinnert an die prominentesten Fälle und ordnet ein.

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Borussia Mönchengladbach:

Vom einst größten Rivalen Borussia Mönchengladbach weggekauft und dann beim FC Bayern auf der Bank versauert: Die Verpflichtung von Karl "Calle" Del'Haye 1980 durch den jungen Manager Uli Hoeneß gilt als Mutter aller Münchner Zyniker-Transfers. Ein genauerer Blick relativiert den Mythos jedoch.

In den Jahren, bevor Del'Haye kam, war die Borussia Zehnter und Siebter, die goldene Gladbacher Ära der Siebziger war vorbei. Und: Die für damalige Verhältnisse aberwitzige Ablösesumme von 1,265 Millionen D-Mark (jaja) und das Jahresgehalt von angeblich 300.000 DM wären eine arg große Investition für einen Spieler gewesen, für den es sportlich keinen Plan gegeben haben soll.

Tatsächlich gab es einen, er ging nur nicht auf: Del'Haye kam auf seiner Stammposition rechts außen nicht am anderen Kalle mit K vorbei - und war für andere Positionen als die von Rummenigge besetzte weniger flexibel als von Trainer Pal Csernai erhofft. Ein tragischer Grund, der dazu beitrug, dass es nicht lief, der damals nicht öffentlich gemacht wurde: Del'Haye verlor in München seine kleine Tochter, die mit einem Herzfehler geboren worden war.

Im Lauf der Jahrzehnte bediente sich Bayern noch mehrmals beim alten Rivalen, holte unter anderem Lothar Matthäus (1984), zweimal Stefan Effenberg (1990 und 1998) und Abwehrstütze Dante 2012. Dass die Deals dazu beitrugen, dass die Fohlen ein gewisses Tabellen-Niveau nie mehr überschritten haben, wird Bayern nicht unrecht gewesen sein.

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1. FC Köln:

Mit dem jungen Trainer Christoph Daum kommt der Effzeh dem Rekordmeister in der Saison 1988/89 so nahe wie lange nicht.

Bei Daums legendärem Sportstudio-Schlagabtausch mit Hoeneß und dessen Coach Jupp Heynckes vor dem alles entscheidenden Duell weiß er schon, dass die Bayern Gegenmaßnahmen eingeleitet haben - und seine Abwehrsäule Jürgen Kohler im Sommer nach München wechseln wird.

Weil das Team in Morten Olsen (Karriere-Ende) und Thomas Allofs (Racing Straßburg) weitere Säulen verliert, geht Daum wohl auch deshalb im Psycho-Duell aggressiv aufs Ganze, weil er ahnt: So nah wird Köln den Bayern vielleicht nie mehr kommen.

Tatsächlich verliert Köln das Titelfinale, wird im Jahr darauf mit größerem Abstand wieder Zweiter - und war seitdem nie mehr Titelanwärter.

1. FC Kaiserslautern:

Die Roten Teufel mit Coach Kalli Feldkamp schaffen 1991, was Köln nicht gelungen war: Sie knöpfen Bayern den Titel ab - und tragen zu einer Sinnkrise des Rekordmeisters bei, die unter anderem zur Entlassung Heynckes führte.

Zur Behebung transferiert Bayern in den Jahren darauf mehrere Leistungsträger aus der Pfalz an die Isar: Stürmer Bruno Labbadia (1991), Talent Marcel Witeczek (1993), den Schweizer Strategen Ciriaco Sforza (1995).

Was die Bayern nicht verhindern können: Lauterns noch größeren Sensationstitel 1998 als Aufsteiger nach dem zwischenzeitlichen Abstieg, mit dem zum FCK zurückgekehrten Sforza - den die Bayern dann gleich noch mal kaufen.

Auch mit Lauterns zweitem Meistercoach Otto Rehhagel gibt es eine Vorgeschichte ...

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Werder Bremen:

Der Nordklub war Bayerns zweiter großer Rivale der Neunziger - und weil Hoeneß mit Manager Willi Lemke auch eine persönliche Feindschaft pflegt, wird er ihm auf dem Transfermarkt besonders gern in die Quere gekommen sein.

In den Jahren nach Werders Meisterschaft 1994 wirbt Bayern nacheinander die Mittelfeld-Stars Andreas Herzog und Mario Basler ab - und auch Coach Rehhagel, nach 14 Jahren beim alten Klub.

Die Verbindung Rehhagel - Bayern entpuppt sich als Missverständnis, die Trainerlegende wird sich später mit Lautern für seine vorzeitige Entlassung 1996 rächen.

Als Werder in Thomas Schaaf einen neuen prägenden Coach findet und wieder zum Titelrivalen erstarkt, gibt es neue, geräuschvolle Transferkonflikte und Abwerbungen: Valérien Ismael, Miroslav Klose, Tim Borowski.

Auch die Verpflichtung von Hannovers Jan Schlaudraff - trotz zweifelhafter Perspektiven in München - hat damit zu tun, dass auch Werder an ihm dran war, bei Bayern bleibt der Stürmer glücklos und geht nach einem torlosen Jahr wieder. Trockene Antwort seinerzeit im SPORT1-Interview, was Schlaudraff denn nun zu den Kritikern sagen würde, die das Scheitern voraussahen: "Glückwunsch, Sie hatten Recht!"

Borussia Dortmund:

Der BVB ist seit den Neunzigern der hartnäckigste Rivale der Bayern - was auch damit zu tun, dass er (finanzielle) Mittel und Wege hatte, seine Leistungsträger zu halten, auch wenn die Bayern vorfühlten.

Nach den beiden Meisterjahren unter Jürgen Klopp 2011 und 2012 gelangen den Münchnern dann aber doch schmerzhafte Stiche: Mario Götze 2013, Robert Lewandowski im Jahr darauf, Mats Hummels 2016. Sie alle ließen sich unter anderem auch davon locken, dass die Bayern doch noch etwas bessere Chancen auf die Karriere-Krönung in der Champions League boten.

Götze (dessen ihn schwächende Stoffwechsel-Erkrankung erst später diagnostiziert wurde) und Hummels kamen bekanntlich unverrichteter Königsklassen-Dinge zum BVB zurück. Inzwischen soll der BVB auch intern beschlossen haben, keinem Spieler mehr die Freigabe für einen Wechsel zu Bayern zu geben.

Weitere Fälle:

Von anderen Herausforderern wie dem FC Schalke 04 (Olaf Thon, Manuel Neuer), Bayer Leverkusen (Zé Roberto, Lúcio, Michael Ballack) und dem VfB Stuttgart (Giovane Élber, Mario Gómez) warb Bayern ebenfalls immer mal wieder Schlüsselspieler ab.

Auch manch aufstrebender Klub, der kein direkter Rivale war, aber es vielleicht mal hätte werden können, wurde von Bayern mehrfach geschwächt.

In den Achtzigern schnappte sich Bayern mehrere Leistungsträger des 1. FC Nürnberg, als die unter dem 2019 verstorbenen Coach Heinz Höher gerade ein Hoch erlebt hatten (Hans Dorfner, Stefan Reuter, Ronald Grahammer, Manni Schwabl).

In den Neunzigern griffen sie mehrfach beim Karlsruher SC zu, dessen langjähriger Coach Winnie Schäfer seinerzeit davon träumte, zur Jahrtausendwende eine Meistermannschaft aufzubauen. Wären Oliver Kahn, Mehmet Scholl, Oliver Kreuzer, Michael Sternkopf, Michael Tarnat und Thorsten Fink nicht zu Bayern gegangen: Er hätte womöglich Chancen gehabt.

Auch vor Dietmar Hopps Hoffenheim machte Bayern bei aller Wertschätzung nicht halt (Luiz Gustavo, Niklas Süle, Sebastian Rudy, Sandro Wagner).

Nie einen Spieler angeworben, um einen Konkurrenten zu schwächen? Das klingt bei dieser historischen Auflistung doch nach einer etwas eigenwilligen Interpretation.

Wenngleich zu berücksichtigen ist: Letztlich hat jeder Transfer zwei Seiten, die Stärkung der eigenen Mannschaft - ob man nun sicher damit rechnen kann oder vage darauf spekulieren - ist immer der andere Faktor. Und ein Argument, dass das ja immer das eigentliche Ziel war, lässt sich immer finden.

Dass die Konkurrenz darunter immer wieder zu leiden hatte? In Bayern werden sie wohl sagen: Ja mei.