Bayern siegt zum Rückrundenauftakt: Die Jagd ist eröffnet

Bayern macht mit dem souveränen 3:1 zum Rückrundenstart Druck auf Spitzenreiter Borussia Dortmund. Leon Goretzka glänzt dabei mit einem Doppelpack auf der Zehnerposition. Nun hat Kovac ein Problem.

Der FC Bayern ist mit einem Sieg in die Rückrunde gestartet. Bild: Getty Images
Der FC Bayern ist mit einem Sieg in die Rückrunde gestartet. Bild: Getty Images

Aus Sinsheim berichtet Patrick Strasser

In der Nachspielzeit, als Robert Lewandowski mit seinem Treffer zum 3:1 gegen Gastgeber TSG Hoffenheim den Deckel auf den ersten Rückrundensieg gemacht hatte, sangen die Bayern-Fans in der Sinsheimer Arena ihr Lieblingslied. “Deutscher Fußballmeister: FCB!” Als wäre es Gesetz. War es ja auch. Das normalste der Welt, zumindest in den letzten sechs Jahren seit 2013. Doch nun sind die Münchner in der Rolle des Jägers, des Herausforderers von Herbstmeister Borussia Dortmund. Gefällt ihnen.

“Man sollte uns nie abschreiben”

Für eine Nacht hat Bayern dank der Machtdemonstration über insgesamt rund 75 Minuten mit nur einer kleinen Delle rund um den Anschlusstreffer den Vorsprung von sechs Punkten auf drei verkürzt, auf die greifbarere Ein-Spiel-Marge. “Unsere erste Halbzeit war sensationell. Die Bundesliga wird langsam wieder interessant”, freute sich Trainer Niko Kovac und meinte ungefragt: “Wir haben gezeigt, dass wir da sind, dass man mit uns rechnen muss. Wir sind bereit für die Verfolgungsjagd.” Oder wie es Sportdirektor Hasan Salihamidzic vor der Partie formulierte: “Man sollte uns nie abschreiben.” Schon zum Ende der Hinrunde hatte Bayern eine Serie hingelegt, Fortsetzung am Freitagabend. Das 3:1 war der sechste Bundesliga-Erfolg hintereinander (der vierte in Serie auswärts), somit habe man, so Kovac, “Druck aufgebaut” auf den Primus BVB.

Der Spitzenreiter muss nun am Samstagabend beim kniffligen Auswärtsspiel in Leipzig nachlegen. “Es kommt jetzt darauf an, dass die Bayern den BVB permanent unter Druck setzen”, meinte ZDF-Experte und Ex-Bayern-Kapitän Oliver Kahn. Damit der Turnover in die Geschichtsbücher eingeht – und mit diesem Coup Trainer Kovac. Denn neun Punkte, so der zwischenzeitliche Vorsprung der Schwarz-Gelben, hat Bayern noch nie aufgeholt. Aber, Vorsicht BVB: Keinem ist es öfter gelungen als dem Rekordmeister, aus einem Rückstand nach der Hinrunde doch noch das Überholmanöver zum Titel zu schaffen, genau sieben Mal.

“Wir haben mit Leon alles richtig gemacht”

Gegen Hoffenheim und Trainer Julian Nagelsmann, der gegen Bayern sein 100. Bundesligaspiel – na ja – feiern durfte, zeigte Kovac seine taktischen Fähigkeiten. Überraschend beorderte er Leon Goretzka, zum Ende der Rückrunde ein eher defensiverer Sechser, nach vorne. Dort konnte sich der 23-Jährige austoben, erzielte in der ersten Halbzeit einen Doppelpack, seinen ersten im 131. Bundesliga-Spiel, machte seine Pflichtspieltore drei und vier für Bayern. “Wir haben mal was gefunden und mit der Entscheidung, ihn auf der Zehn spielen zu lassen, alles richtig gemacht”, lobte Kovac sich und sein Trainerteam. “Leon ist zielstrebig und kann tief gehen. Er belohnt sich immer mehr. Er hat in den letzten Wochen und Monaten gut gearbeitet.”

Und insgeheim wohl die Faust in der Tasche geballt als Sechser vor der Abwehr. Nun war Goretzka, seit letzten Juli bei Bayern, völlig losgelöst – von defensiven Aufgaben. “Ich habe aber auch kein Problem damit, wenn es gegen einen anderen Gegner in Zukunft besser passt, wieder defensiver zu spielen, 90 Minuten lang Löcher zu stopfen”, sagte er nach erfolgreicher abgegebener Dopingprobe in Sinsheim und fügte hinzu: “Doch ab und zu ein Ausflug nach vorne tut mir schon ganz gut. Es ist ja eine Position, die ich gerne spiele und auch in der Vergangenheit häufig gespielt habe. Dort kann ich meine offensiven Qualitäten besser zeigen als auf der der defensiven Sechs.”

Was wird aus Rückkehrer James?

Kovac hat nun ein Problem, ein Luxus-Problem. Er kann Thiago (27), diesmal Sechser neben Javi Martínez, auf der Zehn spielen lassen. Oder Thomas Müller (29) als ebenso torgefährlicher Räume-Entdecker und Freigeist – so war es am häufigsten nach der Systemumstellung in der Hinrunde. Oder James Rodríguez (27), der gegen die TSG sein Comeback nach einem Außenbandriss im Knie gab, sein erstes Pflichtspiel seit dem 3. November bestritt. Nur 12 Minuten auf dem Platz leitete der Kolumbianer mit einem perfekten Chip-Pass das 3:1 von Lewandowski über die Station Müller ein. Wird James, in der Hinrunde nur insgesamt sieben Mal in der Startelf, im Sommer für die festgelegte Ablösesumme von 42 Millionen Euro endgültig von Real Madrid verpflichtet? “Wir haben Zeit”, sagte Salihamidzic in Sinsheim, “er war ja verletzt vor der Winterpause. Er hat sich im Trainingslager gut präsentiert und gut trainiert. Er ist einer, der wenn er in Form ist, Weltklasse sein kann. Jetzt hat er es wieder aufblitzen lassen. Er ist ein Top-Spieler, wenn er in Top-Form ist.” Dennoch: Zukunft ungewiss. Was James’ Position, den Kampf um einen Stammplatz und die kommende Saison betrifft.

Bayern geht mit Schwung und neuer Titelhoffnung in die Rückrunde. “Die Jagd ist eröffnet”, meinte Goretzka. Und in Sachen Kreativität auf der Zehner-Position ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. “Wir haben sogar noch mehrere Zehner”, sagte Müller und flachste mit den Reportern: “Das wisst ihr bloß noch nicht. Bei uns kann jeder auf der Zehn spielen, wir sind ja variabel.”

Im Video: Kovac gibt Meisterschaft als Ziel aus