Welcher Ruf Tuchel vorauseilt

Im zweiten Anlauf nach 2018 klappt es nun also doch.

Thomas Tuchel ist neuer Trainer des FC Bayern. Der 49-Jährige folgt in München auf Julian Nagelsmann, den die Bayern-Bosse von seinen Aufgaben entbunden haben.

Doch was tun sich die Bayern mit dem Tuchel-Transfer an, der in seiner Karriere zwar große Erfolge wie den Champions-League-Sieg mit dem FC Chelsea aber auch mehrere Entlassungen bei Top-Klubs vorzuweisen hat?

Der besessene Taktik-Guru gilt als komplizierter Charakter, der bei den meisten seiner Stationen polarisierte und diese im Groll verließ.

Tuchel & der BVB: Eine SMS führt zum Bruch

Den Bundesliga-Fans ist Tuchel während seiner Zeit bei Borussia Dortmund wohl am besten in Erinnerung geblieben. Der gebürtige Schwabe ist mit einem Punkteschnitt von 2,12 Punkten der erfolgreichste Trainer, den der BVB je hatte – noch vor Jürgen Klopp (1,9) und Ottmar Hitzfeld (1,85).

Dennoch: Tuchel wird nicht nur mit seinen sportlichen Erfolgen, sondern auch mit dem unrühmlichen Ende beim BVB in Verbindung gebracht. „Thomas ist schon ein schwieriger Mensch“, gab BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke einst im Podcast von Sandra Maischberger zu verstehen.

Zwischen Watzke und Tuchel hatte sich während der knapp zweijährigen Amtszeit des Star-Trainers ein Zwist entwickelt, der den Anfang vom Ende bedeutete. Es begann alles mit der Spielansetzung im Champions-League-Achtelfinale gegen AS Monaco, die von Watzke veranlasst auf wenig Gegenliebe bei Tuchel stieß.

„Unmenschlich“ betitelte der Ex-Mainzer damals die Entscheidung, in die Tuchel laut Aussagen von Watzke und BVB-Präsident Reinhard Rauball mit einbezogen worden sei. Tuchel bestritt dies und behauptete, lediglich per SMS über die Spiel-Neuansetzung erfahren zu haben.

Eine Text-Nachricht wurde Bayerns neuem Mann an der Seitenlinie während eines Transfer-Sommers zum Verhängnis. Tuchel wollte mittels einer SMS an seinen Berater Dr. Olaf Meinking seinem Ärger über die Dortmunder Transferpolitik kundtun.

Die Textnachricht landete versehentlich auf dem Smartphone von BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Der BVB-Boss war „erschüttert“ von Tuchels Gefühlsausbruch, wie Tuchels Biografie offenlegte.

„Es geht immer auch um grundlegende Werte wie Vertrauen, Respekt, Team- und Kommunikationsfähigkeit, um Authentizität, Identifikation, Verlässlichkeit und Loyalität“, holte Watzke in einem offenen Brief an die BVB-Mitglieder nach der Tuchel-Entlassung zur Generalkritik aus.

Tuchel & Mainz 05: Vom Trainer-Shootingstar zum „Diktator“

Dabei hätte den BVB-Bossen bei der Verpflichtung des Trainers klar sein müssen, welch einen schwierigen Charakter sie sich in den Ruhrpott holen würden.

Schon zu Mainzer Zeiten erlebte Tuchel eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst als Held abgefeiert, der Mainz erstmals in die Europa League führte, wurden nach Tuchels Abschied pikante Details zum Verhältnis des deutschen Star-Trainer mit seinen Spielern und dem Präsidenten öffentlich.

„Der Trainer hat die Mannschaft verraten“, polterte Mainz-Präsident Harald Strutz nach dem Tuchel-Rausschmiss bei Sky. Der unter Tuchel aussortierte Torwart Heinz Müller bezeichnete seinen Ex-Trainer im kicker als „Diktator“ und sprach von mehreren Respektlosigkeiten, die sich dieser gegenüber der Mannschaft erlaubt hätte.

„Der Spind war ausgeräumt, sogar die Bilder meiner Kinder waren rausgerissen und in eine Kiste geworfen, die neben der Toilette stand“, sei in Müllers Augen seine Degradierung in die zweite Mannschaft von Seiten Tuchels nicht fair abgelaufen.

Tuchel & Chelsea: Boehlys erste Amtshandlung

Nächster Klub, nächster Abgang im Groll – Tuchel ein sturer Zeitgenosse, der stets an seinem Weg festhält und nur bedingt offen für Vorschläge von Klub-Verantwortlichen zu sein scheint.

„Tuchel ist offensichtlich äußerst talentiert und jemand, der mit Chelsea großen Erfolg hatte“, spielte Chelsea-Besitzer Todd Boehly am Rande einer Business-Veranstaltung auf Tuchels Champions-League-Sieg mit den Blues an. Doch auch der rettete den Deutschen nicht vor einem Rauswurf bei den Blues.

Zu weit auseinander gingen die Meinungen zwischen der neuen Klub-Führung und Tuchel. „Unsere Vision für den Verein war es, einen Trainer zu finden, der wirklich mit uns zusammenarbeiten wollte“, führte Boehly aus, „die Realität ist, dass wir uns nicht sicher waren, ob Thomas es genauso sah wie wir.“

Wieder einmal wurde Tuchel nicht nur das Verhältnis zu den Klub-Bossen, sondern auch zu den Akteuren auf dem Platz zum Verhängnis. Wie die Daily Mail berichtete, sollen vor allem Chelseas Flügelspieler entnervt von Tuchels „ständigem Motzen und Jammern“ gewesen sein.

Manche Spieler sollen es gar aktiv vermieden haben, sich auf der Seite von Chelseas Coachingzone aufzuhalten.

The Athletic enthüllte, Tuchel habe während der Champions-League-Titelsaison keine Einzelgespräche mit den Ersatzspielern geführt. Tuchels fehlender Respekt gegenüber den Chelsea-Stars gipfelte in der Posse um die Verpflichtung von Denis Zakaria, den Tuchel kurz nach seiner Vorstellung bei den Blues nicht erkannte.

Tuchel & PSG: Der Zwist mit Leonardo

Und wie lief es bei Paris Saint-Germain?

„Wir haben einen sehr klaren und geraden Kurs verfolgt. Und wenn ein Mann von dieser Linie abweicht, ist es unsere Pflicht, schnell zu unserer Linie zurückzukehren“, schlug mit PSG-Sportdirektor Leonardo der nächste Klub-Verantwortliche bei France Football in eine nicht unbekannte Kerbe.

Was Tuchel vorgeschlagen habe, hätte in Leonardos Augen nie so richtig gepasst. Ein klarer Spielstil ließ sich bei den Parisern unter Tuchels Ägide nur selten erkennen, zu fixiert habe sich der 49-Jährige auf Kylian Mbappé und Neymar. Beide Superstars sollen unter Tuchel eine Sonderbehandlung genossen haben, worüber der Rest des Star-Ensembles wohl nicht amused war.

Auslöser für Tuchels Zoff mit Leonardo und seinem letztlichen Abgang sollen Transfer-Forderungen des deutschen Trainer-Stars gewesen sein, die wohl immer wieder für Reibung mit der Klubführung sorgten.

Tuchels Vergangenheit war geprägt von sportlichen Höhen, aber auch vielen Schwierigkeiten auf menschlicher Ebene.

Ob er sich gereift zeigt und für Ruhe beim FC Hollywood sorgen kann, wird sich zeigen.