Wie Bayerns Auto-Ärger zum Imageproblem wird

"Wem von uns ist das noch nicht passiert. Man ist spät dran, noch in Gedanken und anstatt in den S 65 AMG steigt man in den Bugatti." Sarkasmus ist eine Reaktion auf die Probleme, die sie beim FC Bayern München gerade haben mit den Spielern und ihren Autos (in diesem Fall vorgetragen von SPORT1-User "Pennywise"). Es ist aber auch nur eine von sehr vielen.

Wer sich die Masse der Fan-Kommentare zur "Dienstwagen-Affäre" um Kingsley Coman anschaut, merkt schnell: Coman und andere Stars des Rekordmeisters haben ihrem Klub gerade ein recht unangenehmes Diskussions-Thema eingebrockt. Eines, das in den aktuellen, von Corona geprägten Zeiten, nochmal unangenehmer als üblich ist.

Kingsley Coman und andere im falschen Auto

Coman war am Dienstagmittag mit einem McLaren-Sportwagen von der Säbener Straße abgefahren - was aus Bayern-Sicht in erster Linie ein Problem war, weil das ein Verstoß gegen interne Richtlinien war.

Coman: “Will mich beim Klub entschuldigen”

Autobauer Audi ist Sponsor und Anteilseigner des Klubs, stattet in dieser Rolle auch die Spieler mit Fahrzeugen aus. Und weil es den damit verbundenen Werbe-Effekt schmälert, wenn diese ihre Dienstreisen dann mit anderen Luxusschlitten bestreiten, müssen alle mit ihren Audi-Fahrzeugen (oder anderen Marken der VW-Gruppe) zum Trainingsgelände kommen. Eigentlich.

LONDON, ENGLAND - FEBRUARY 25: (BILD ZEITUNG OUT) Kingsley Coman of FC Bayern Muenchen looks on during the UEFA Champions League round of 16 first leg match between Chelsea FC and FC Bayern Muenchen at Stamford Bridge on February 25, 2020 in London, United Kingdom. (Photo by Roland Krivec/DeFodi Images via Getty Images)
Kingsley Coman (Bild: Getty Images)

Coman war nicht der erste, der gegen diese Regel verstieß: Vor Coman waren bereits Niklas Süle im Ferrari und Philippe Coutinho mit einem Mercedes-Benz erwischt worden. Auch den schlagzeilenträchtige Unfall von Jérôme Boateng baute dieser mit einem Gefährt aus Stuttgart.

Salihamidzic droht mit Geldstrafen

Ein neues Phänomen sind solche Regelungen nicht: SPORT1-Moderator Thomas Helmer musste zu seinen aktiven Zeiten als Bayern-Spieler auch auf die Interessen des damaligen Sponsors Opel Rücksicht nehmen.

"Damals gab es ja noch nicht die Tiefgarage an der Säbener, da gab es einen Parkplatz bei der Kabine, wo Fans und Kameras waren. Zu dem solltest du nur im Opel kommen", erinnert Helmer sich: "Wer ein anderes Fabrikat hatte, hat sein Auto dann eben zwei Straßen weiter abgestellt und ist den Rest zu Fuß gelaufen. Bei Verstößen kann ich mich aber nur an Ermahnungen erinnern, nicht an Geldstrafen."

Ähnlich scheint es heute zu laufen: Sportdirektor Hasan Salihamidzic hatte zwar laut Berichten der Bild für derartige Verstöße eine Geldbuße von 50.000 Euro angedroht - eine Summe, für die auch schon manch repräsentativer Neuwagen zu haben wäre. Vollstreckt soll er eine entsprechende Strafe aber noch nicht haben.

Fußball in Corona-Zeiten unter Rechtfertigungsdruck

Coman hat um Entschuldigung für seine Fremdfahrt gebeten und rechtfertigte sich damit, dass ein Außenspiegel an seinem Audi kaputt war ("Dennoch war das ein Fehler, das sehe ich natürlich ein"). Er kündigte an, als Entschädigung eine Autogrammstunde im Ingolstädter Audi-Werk zu geben - sobald dies nach entsprechenden Corona-Lockerungen wieder möglich ist.

Genau dieser Punkt weist auf die andere Dimension der Geschichte, die über die PR-Interessen eines Münchner Sponsors hinausreicht.

In den Audi-Werken in Ingolstadt und Heilbronn steht seit Wochen die Produktion still, Mitarbeiter sind von Kurzarbeit betroffen - wie auch in vielen anderen Unternehmen (unter anderem auch der Basketball-Abteilung des FC Bayern).

Millionen Menschen haben gerade völlig andere Probleme als einen zerbrochenen Außenspiegel an einem gesponserten Dienstwagen. Eine Lage, in der im Profifußball gerade besonders guter Instinkt gefragt wäre, um nicht das Image einer völlig abgehobenen Parallelwelt zu bedienen. Ein Instinkt, der auch jenseits dieser Auto-Angelegenheit nicht überall vorhanden ist.

Stars des FC Bayern besonders privilegiert

Gerade beim FC Bayern und anderen Topklubs führen die Spieler ein privilegiertes Luxusleben, für das ein Teil des Publikums sie bewundert (und die Bilder dieses Luxuslebens auch durchaus gern ansieht), ein Teil beneidet. In Krisenzeiten kann dieses normalerweise recht ausgeglichene Verhältnis kippen.

Auch Helmer sieht den Zwiespalt: "Ich will es nicht zu hoch hängen, schöne Autos sind den einen weniger wichtig und den anderen mehr, das ist auch alles in Ordnung", meint er: "Jetzt sind aber schon grad nochmal ganz andere Zeiten, da könnte man sensibler sein. Fingerspitzengefühl bei dem, was man tut, ist da jetzt sehr, sehr angebracht. Das wissen die Jungs eigentlich auch."

Zwar wären die Nöte der von Corona-Härten betroffener Fußball-Fans nicht kleiner, wenn Coman oder Süle mit dem amtlich korrekten Fahrzeug unterwegs gewesen wären (oder einem Kleinwagen, Fahrrad, E-Roller).

Aber man liest doch auch aus vielen Fan-Reaktionen heraus, dass zumindest mehr Gespür und Bewusstsein fürs große Ganze gewünscht wäre - und dass Stars ohne dieses Bewusstsein womöglich etwas mehr beschädigen als den Markenwert eines Autobauers.

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