Der beängstigende Absturz eines WM-Helden

Der beängstigende Absturz eines WM-Helden
Der beängstigende Absturz eines WM-Helden

Vom Drogen-Junkie zum Weltmeister: Es war die märchenhafte Story der Leichtathletik-WM 2017 - doch es folgte ein schauriger Epilog.

Luvo Manyonga trat vor fünf Jahren in London, frisch genesen von einer lebensgefährlichen Abhängigkeit, als Weitsprung-Champion in die Fußstapfen von Legenden wie Carl Lewis und Mike Powell. (Carl Lewis vs. Mike Powell: Die bitterste Niederlage einer Ikone)

Nach seinem emotionalen Titelgewinn ist er dann aber zurück in die Sucht geglitten und hat sich mit Verstößen gegen die Doping-Regeln seine weitere Karriere ruiniert, potenziell endgültig.

Nun hat der 31 Jahre alte Südafrikaner in einem großen Interview mit der BBC über seinen Absturz gesprochen - und dabei dramatische Details enthüllt.

Luvo Manyonga wurde nach Tod der Mutter rückfällig

Der nach Manyongas Angaben ausschlaggebende Grund für seinen Rückfall: ein familiärer Schicksalsschlag, der ihn 2020 ereilte. „Nachdem ich meine Mutter verloren hatte, ging es für mich bergab“, blickt der Weltmeister von 2017 zurück.

In diesem Jahr war Manyongas Geschichte um die Welt gegangen: Der Olympiasilber-Gewinner von Rio 2016 hatte vor dem WM-Coup seine Abhängigkeit von der Droge „Tik“ hinter sich gelassen, einer in den südafrikanischen Townships verbreitete Form von Crystal Meth.

In der erneuten Lebenskrise nach dem Verlust der Mutter zeigte sich dann die anhaltenden Tücke der klinischen Suchtvergangenheit.

Weltmeister glitt auch in die Kriminalität ab

„Ich habe nicht um meine Mutter getrauert, ich habe es so leicht hingenommen. Im Nachhinein habe ich die Drogen genommen, um es zu verdrängen, um den Schmerz nicht zu spüren“, blickt der 31-Jährige zurück: „Ich habe täglich Drogen genommen. Ich wollte mich nur betäuben, um nicht zu wissen, welches Datum es war.“

Der Tod seine Mutter hätte ihn fast selber umgebracht, glaubt Manyonga: „Ich hätte leicht mein Leben verlieren können. Ich bin froh, dass Gott mit mir war und ich bin froh, dass ich noch am Leben bin. Ich habe wirklich alle möglichen verrückten Dinge getan.“

Dinge, für die sich der ehemalige Weitsprung-Star heute schämt: „Ich möchte sie nicht alle aufzählen ... einige dieser Dinge, die Junkies tun, wie Diebstahl, Autodiebstahl, Hauseinbruch. Ich war in gewisser Weise wie ein Verbrecher, weil ich mich in den Drogen verloren hatte.“

WM-Coup vernebelte die Sinne zusätzlich

Die Vorgeschichte seiner vorher überwundenen Sucht hätte seinen Rückfall sogar noch verheerender gemacht, findet Manyonga: „Es gab eine Denkweise, die mir immer kam, wenn ich high war. Die sagte: ‚Du bist großartig, du hast es schon einmal getan und kommst mit einem Knall zurück.‘ Ich dachte, ich könnte wieder Drogen nehmen und trotzdem abliefern, aber ich habe mich selbst belogen. Das ist die Wahrheit, es waren die Drogen, die mit meinem Gehirn gesprochen haben.“

Angeblich hatte Manyonga 2017 erst einen Monat vor seinem Titel in London den Entzug eingeleitet. Nach dem Rückfall gab seine Bekanntheit aber auch einen Impuls, der ihn wieder aufrüttelte.

„Kinder sprachen mich an, wenn ich auf der Straße lief - high auf Drogen - und fragten mich ‚Luvo, wann sehen wir dich im Fernsehen?‘“, erinnert er sich: „Durch solche Kommentare wurde mir klar, dass ich das Ziel verfehlt hatte. Diese Kinder sahen mich, einen Weltmeister, im Zustand eines Junkies... ein Niemand.“

Sportliche Zukunft wegen Dopingsperre ungewiss

Obwohl es Manyonga persönlich inzwischen besser geht: Sportlich steht er weiter vor einem Scherbenhaufen, denn seine Sucht hat dazu beigetragen, dass er zum Doping-Wiederholungstäter wurde und deswegen eine lange Sperre kassierte.

Nachdem er bereits im November 2019 eine Dopingprobe verpasst hatte, versäumte er es aufgrund seines Lebenswandels und Drogenkonsums, Testern seinen Aufenthaltsort für Proben im April und Oktober 2020 mitzuteilen.

Auch aufgrund einer früheren Sperre wegen Methamphetamin-Konsums wurde der Südafrikaner hart bestraft und bis 2024 aus dem Verkehr gezogen. „Ich verstehe meine Sperre“, sagt der Weltmeister, obwohl diese durchaus hart ist. „Sie war fair und ein Weckruf für alle.“

Bei einem Comeback in der Leichtathletik wäre er dann 33 Jahre alt. Ob er nochmal Anschluss findet? Ungewiss - aber Manyonga klammert sich an die Hoffnung.

„Was ich jetzt tun muss, ist Luvo zu finden“

„Es besteht immer noch die Chance, dass Luvo zurückkommt und das Spiel wieder aufleben lässt“, betont er. Bis dahin ist der Weltmeister von London täglich gefordert, nicht wieder rückfällig zu werden, denn erst seit ein paar Wochen ist er überhaupt wieder clean.

„Das ist meine Realität und ich kann ihr nicht entkommen“, sagt Manyonga, der nach eigenen Angaben nun weit weg von seinen Dealern im Nord-Westen Südafrikas wohnt.

„Das Einzige, was ich jetzt tun muss, ist Luvo zu finden. Nicht den Weltmeister, nicht den Junkie, einfach Luvo. Wenn ich diese Person finden kann, wird alles gut werden.“