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Ein einst stolzes Land blamiert

Fußball-Nation und Turniermannschaft Deutschland? Das war einmal! Spätestens seit gestern Abend ist das Geschichte.

Zum zweiten Mal in Folge hat die Nationalmannschaft ein einst stolzes und fußballverrücktes Land blamiert. Und ganz ehrlich: Ich bin nicht mal geschockt. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)

Wenn wir ehrlich sind, haben sich die Spieler und der Trainerstab dieses Vorrunden-Aus verdient. Wer gegen Japan verliert und selbst gegen Costa Rica zwei Gegentore kassiert, der hat im Achtelfinale einer WM einfach nichts zu suchen.

Boateng: Weltklasse? DFB muss Wahrheit erzählen

Man kann sich jetzt vorgaukeln: ‚Es war alles ok. Wir haben in allen drei Spielen ordentlich gespielt, gegen Spanien sogar sehr gut.‘ Aber nichts war gut! Nur ein Sieg in drei Spielen, das ist zu wenig.

Ein selbst ernanntes Top-Team, das zurück in die Weltspitze möchte, darf nicht bis zur letzten Minute hoffen, dass im Parallelspiel zwischen Spanien und Japan etwas passiert. (NEWS: Bei Rüdiger leigen die Nerven blank)

Der DFB muss den Menschen da draußen jetzt die Wahrheit erzählen und sie mit ins Boot holen. Die ehrliche Botschaft an die Basis muss sein: ‚Sorry, aber wir sind keine Top-Nation mehr, wir können nicht Weltmeister werden, wir sind von der Weltspitze meilenweit entfernt. Wir werden aber alles daransetzen, mit tiefgründigen Veränderungen wieder zurückzukommen. Aber das braucht Zeit …' (NEWS: van der Vaart lästert über Süle)

Einen Erfolg bei der Heim-EM 2024 sehe ich absolut nicht. Die Gründe dafür führe ich weiter unten in dieser Kolumne an.

Das erneute Vorrunden-Aus kann auch eine Chance für den DFB sein. Der Verband muss endlich aufwachen. In einer schonungslosen Analyse müssen ehrlich Fragen gestellt werden: Wo liegt die Ursache? Was sind die Hauptprobleme? Wer hat welche Fehler gemacht? Was läuft in der Ausbildung falsch?

Boateng: Flick hat absolut Recht

Bundestrainer Hansi Flick hat absolut Recht, wenn er sagt, dass Deutschland die Ausbildung verschlafen hat. In den letzten Jahren sind viele Dinge massiv aus dem Ruder gelaufen. Früher war Deutschland ein Vorbild für viele Nationen. Jetzt sucht Deutschland vergeblich nach Vorbildern.

Ein großes Problem: Es geht es nur noch um den kurzfristigen Erfolg. Das fängt in der Jugend schon an. Die Trainer haben massiven Erfolgsdruck. Sie können sich nicht mehr in Ruhe um die Toptalente kümmern, sondern denken nur noch an sich und ihre eigene Karriere. (DATEN: WM-Spielplan 2022)

Es geht nur darum, Meister in der B- oder A-Jugend zu werden. Nicht aber um den eigentlichen Kern: Die individuelle Ausbildung von Talenten fernab von sportlichen Ergebnissen.

Deutschland fehlen zudem die Mittelstürmer und die Außenverteidiger. Wurde zuletzt viel Wert auf die Offensive gelegt, wurde das Verteidigen - das hat Deutschland über Jahre hinweg ausgezeichnet - außerdem stark vernachlässigt.

Boateng: „Es müssen Köpfe rollen“

Ein „Weiter so“ darf es beim DFB nach diesem Debakel nicht geben! Ich glaube sogar, dass ein leichtes personelles Erdbeben dem DFB guttun würde. Es würde den Verband wachrütteln. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)

Klar ist: Nach dieser Blamage müssen Köpfe rollen! Bundestrainer Hansi Flick, Manager Oliver Bierhoff, Präsident Bernd Neuendorf und die Spieler - alle müssen sich hinterfragen, alle haben Fehler gemacht.

Angefangen von einer schlechten strukturellen Ausrichtung und dem Theater rund um die „One Love“-Binde bis hin zu falschen taktischen und spielerischen Entscheidungen auf dem Platz.

Wieso hat Niclas Füllkrug, der einzige echte Mittelstürmer, nicht von Beginn an gespielt? Offensichtlich hat Flick nicht an ihn geglaubt.

Kimmichs „Aussagen gingen mir sehr nahe“

Ein Gedanke noch zu Joshua Kimmich. Seine ehrlichen Aussagen gingen mir sehr nahe. Ich weiß selbst, wie es ist, in ein tiefes Loch zu fallen. (NEWS: Griezmann richtet emotionale Worte an Kimmich)

Wenn alle auf dich draufhauen und du der Buhmann bist. Ich hoffe, dass er die richtigen Leute um sich herum hat, die ihn auffangen. Er ist ein großartiger Spieler mit einer tollen Mentalität. Meine Tür steht immer offen für ihn, er kann mich gerne jederzeit anrufen.

In anderthalb Jahren steht eine Heim-EM vor der Tür, das Finale 2024 wird in meiner Heimatstadt in Berlin ausgetragen. Ich rechne nicht damit, dass Deutschland in diesem stehen wird. Wir müssen jetzt ganz kleine Brötchen backen und seriös arbeiten.

Der Dialog mit der Basis ist dabei wichtig. Ich glaube, dass die Fans hinter der Mannschaft stehen und ihr Fehler verzeiht, sofern sie bereit ist, offen auf die Menschen zuzugehen und wieder greifbarer zu sein.

Die dringend notwendigen Veränderungen brauchen Zeit. Es wird sieben, acht, neun Jahre dauern, bis wir wieder gute Stürmer und Außenverteidiger haben. Jamal Musiala ist aus deutscher Sicht der einzige Lichtblick dieser verkorksten WM.

Ein Jammer, dass er in den nächsten Tagen in Katar nicht mehr zaubern darf. Er ist der kommende Superstar, um den man die Mannschaft für die Zukunft bauen sollte.