Boateng exklusiv: Ribéry hätte Bayern nie freiwillig verlassen

Was Kevin-Prince Boateng über die Fans in der Türkei denkt und welchen Beruf er anstelle des Fußballs auch gerne ausgeübt hätte, hat Kevin-Prince Boateng in Teil 1 des exklusiven Interviews mit SPORT1 verraten.

Dabei bekundete der 33-Jährige auch erneut das Interesse seine Karriere in seiner Heimatstadt Berlin ausklingen zu lassen.

Ob er sich seinen Bruder und Bayern-Profi Jérôme Boateng gemeinsam mit ihm bei der Hertha vorstellen kann und wer für ihn seine Top-3-Mitspieler sind? Alle Antworten in Teil 2 des großen SPORT1-Interviews.

SPORT1: Herr Boateng, mit ihrem Halbbruder Jérôme standen Sie 2007 für zwei Bundesliga-Spiele bei der Hertha gemeinsam auf dem Platz. Ist es ausgeschlossen, dass Sie noch mal bei Hertha zusammenspielen?

Kevin-Prince Boateng: Nein! Nichts ist ausgeschlossen. Egal wer du bist, was du erreicht hast - wenn dein Heimatverein ruft, dann überlegt jeder. Völlig egal wo du bist, was du verdienst, was du erreicht hast. Es wird sicher schwierig. Aber wenn ich bei der Hertha wäre, würde ich meinen Bruder mal anrufen und sagen: Komm, lass noch mal zusammen kicken.

SPORT1: Jérôme gilt als Wechselkandidat beim FC Bayern und wird immer wieder mit einem vorzeitigen Abschied in Verbindung gebracht. Was raten Sie ihm?

Boateng: Er hatte ein kleines Tief, indem er viel Kritik einstecken musste. Das hat jeder mal. Aber er hat zuletzt unter Flick gezeigt, dass er nichts verlernt hat. Für ihn war es mal wichtig zu sehen, dass nicht immer alles so schön glatt läuft. Jeder hat mal ein Tief. Ich glaube, dass es wichtig war für seine Entwicklung und er noch stärker da rausgekommen ist. Für ihn war Corona in doppelter Hinsicht bitter. Er ist wieder der, der er vorher war: Einer der besten Innenverteidiger der Welt!

SPORT1: Und was raten Sie ihm?

Boateng: Boah, keine Ahnung. Die Entscheidung muss er als Familienvater und Mann selbst treffen. Bei Bayern ist er jedenfalls an einem überragenden Ort. Das ist einer der größten Vereine der Welt. Es ist schwierig, von dort wegzugehen. Franck Ribéry wäre niemals freiwillig gewechselt. Er ist verliebt in diesen Verein. Franck hat nur Gutes erzählt von den Bayern. Deshalb: Einfach ist es nicht. Es kann aber alles passieren. Wenn er aber wirklich etwas Neues ausprobieren will, dann würde ich ihm einen Wechsel nach Spanien raten. Ich glaube, dass ihm die Spielweise dort liegen würde.

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SPORT1: Herr Boateng, Sie haben in vier verschiedenen Ländern Fußball gespielt. Wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich?

Boateng: Vier spreche ich perfekt: Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch. Französisch verstehe ich, aber es fällt mir sehr schwer zu sprechen. Richtige Probleme habe ich mit Twi, der ghanaischen Sprache. Ich war zwei Monate jeden Tag mit der Nationalmannschaft zusammen und habe nichts gelernt. Türkisch verstehe ich zu 80 Prozent und lernen es gerade intensiv. Dann wären es fünf.

SPORT1: Sprachen sprechen, Tanzen, Singen, Fußballspielen – gibt es eigentlich etwas, was Sie nicht können?

Boateng: Ich will mal gerne probieren zu schauspielern. Ich bin lustig, ich kann Leute entertainen, das weiß ich. Aber Schauspielen, das wäre sicher cool. Ich musste leider schon zwei Rollen absagen. Bei 4 Blocks konnte ich zeitlich nicht. Außerdem hatte ich zwei Rollen-Angebote in Amerika für den Rambo-Film. Nach meiner Karriere werde ich das probieren. Was kann ich nicht? Mh. Schwierig. Ohne arrogant zu klingen: Zeig' mir was und ich kann's (lacht).

SPORT1: Zurzeit lernen Sie Klavierspielen. Wie läuft es damit?

Boateng: Ich möchte das lernen, weil ich ungeduldig bin. Um Klavier zu lernen, braucht es Zeit und Geduld. Das ist das Schwierigste, was ich je gemacht habe. Fuß, Finger, Hirn – das kommt alles zusammen. Dann muss noch eine schöne Melodie rauskommen – puh.

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SPORT1: Wie sieht Ihre sportliche Zukunft aus?

Boateng: Bis zum Saisonende bin ich noch in Istanbul. Danach habe ich noch ein Jahr Vertrag in Florenz. Super Mannschaft, super Stadt. Leider hat es mit dem ersten Trainer dort nicht geklappt. Wir haben uns nicht so gut verstanden. Aber das kommt vor. Wenn ich nach Florenz zurückgehe, dann bin ich glücklich, weil ich nah an meiner Familie in Mailand bin.

SPORT1: Sie sind 33. Wie lange wollen Sie noch spielen?

Boateng: Drei Jahre ist mein Ziel. Dann bin ich 36 und kann die Schuhe guten Gewissens an den Nagel hängen. Dann reicht es, glaub ich.

SPORT1: Und dann? Sie haben mal gesagt, dass Sie Berater werden wollen.

Boateng: Ich will jungen Spielern helfen. Mir hat früher nämlich keiner geholfen. Ich möchte den Jungs beibringen, dass sie, wenn ihr erstes Geld kommt, auch was bei Seite legen. Dass sie sparen, ihren Eltern helfen und trotzdem einen schönen Urlaub machen können. Je mehr aber das Karriereende rückt, umso mehr denke ich an das Trainersein nach. Diese Idee gefällt mir sehr gut.

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SPORT1: Sie hatten in Ihrer Profi-Karriere 21 Trainer…

Boateng: … so viele?

SPORT1: Sie haben in zwölf Vereinen gespielt unter bekannten Trainern wie Jürgen Klopp, Quique Setién oder Massimiliano Allegri. Wer war der Beste?

Boateng: Der geilste und lustigste war Klopp. Er ist einfach ein geiler Typ, der dich auch außerhalb des Platzes zum Lachen bringt. Dazu ist er auch noch ein überragender Trainer. Klopp ist einer, der hat alles. Ich feiere ihn, weil er auch emotional ist und das nicht versteckt. Er ist auf dem Platz wie ein Fan. Das liebe ich. Ich hatte aber Glück in meinen Stationen, weil ich oft den richtigen Trainer hatte. Ob Allegri, bei dem ich Taktik und Verteidigen gelernt habe, Setién, der mir fußballerisch mit dem Tiki-Taka sehr viel gezeigt hat. Einer der besten Trainer, die ich je hatte, war aber Roberto De Zerbi in Sassuolo. Er hat unglaubliche Visionen. Und er gab mir die nötige Freiheit. Er hat nur gesagt: "Krieg bitte keine Rote Karte. Wenn dein Temperament kommt, pflück' es runter und spiel' einfach Fußball." Mehr nicht.

SPORT1: Was mit Niko Kovac?

Boateng: Niko habe ich bewusst nicht genannt, weil mich eine ganz besondere Geschichte mit ihm verbindet. Wir Weddinger Jungs. Ich bin schon überrascht, dass er bei Bayern keinen Erfolg hatte. So ehrgeizig wie er ist. Niko ist ein Vollprofi. Ich war gar nicht mal traurig, dass er es nicht gepackt hat. Ich war glücklich, dass er seinen Traum wahrgemacht hat. Er wollte immer die Bayern trainieren. Er ist, wie ich, aus dem Wedding, kommt aus einer Kindheit, die nicht so schön war. Er hat das erreicht, was er immer erreichen wollte. Ich hatte ja gehofft, dass er im Sommer zur Hertha geht, zurück nach Hause. Die Berliner hätten ihn als Trainer total gefeiert. Schade. Dann wäre die Tür nach Berlin auch für mich ein bisschen größer gewesen (lacht).

SPORT1: Beim AC Milan haben Sie mit Ronaldinho zusammengespielt, wurden mit ihm 2010/2011 italienischer Meister. Tut es Ihnen weh, die Bilder von ihm im Gefängnis zu sehen?

Boateng: Wir haben den Kontakt in den letzten Jahren immer aufrechterhalten. Er ist mein Freund und eine echte Legende. Er ist wie er ist. Mit Skandalen, mit was auch immer. Ich habe ihn so kennen und lieben gelernt. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Wenn ihn Leute kritisieren, dann tun sie das, weil sie ihn geliebt haben. Was er erreicht hat in nur zwei, drei Jahren – das wird es nie mehr geben. Er hat es in kurzer Zeit allen gezeigt. In so viele Skandale kann er gar nicht verwickelt sein, wie er Gutes im Fußball gemacht hat.

SPORT1: Zählt er zu den besten drei Fußballern, mit denen Sie je zusammengespielt haben?

Boateng: 100 Prozent.

SPORT1: Wer sind die anderen beiden?

Boateng: Ibrahimovic und Messi. Der vierte ist Zecke Neuendorf (lacht). Ohne Spaß. Er war unglaublich. Es kann sich keiner vorstellen, was er im Training gezeigt hat. Er war vielleicht bei 20 Prozent. Zecke hätte locker einer der besten deutschen Fußballer jemals werden können. Aber er hatte einfach kein Bock gehabt. Er hat sein Leben genossen und gesagt: "Ick zock hier bisschen und mach Kohle. Allet jut." Deshalb haben ihn alle geliebt. Und geliebt werden, darum geht es doch. Oder?