BR-Moderatorin Sandra Rieß vor der "Sternstunden-Gala": "Medien müssen stärker für Diversität sorgen"

Sandra Rieß arbeitet seit Jahren als Fernsehmoderatorin und steht dieses Jahr zum zweiten Mal für die "Sternstunden-Gala" vor der Kamera. Im Interview spricht sie über die Sendung und verrät, warum die Gesellschaft mit einem falschen Blick auf beeinträchtigte Kinder schaut. (Bild: BR/Markus Konvalin)
Sandra Rieß arbeitet seit Jahren als Fernsehmoderatorin und steht dieses Jahr zum zweiten Mal für die "Sternstunden-Gala" vor der Kamera. Im Interview spricht sie über die Sendung und verrät, warum die Gesellschaft mit einem falschen Blick auf beeinträchtigte Kinder schaut. (Bild: BR/Markus Konvalin)

Sandra Rieß moderiert am Freitag, 16. Dezember, 20.15 Uhr, die "Sternstunden-Gala" mit Volker Heißmann, dieses Jahr live aus ihrer Heimatstadt Nürnberg, Im Interview spricht sie nicht nur über die Sendung, Lampenfieber und warum die Gesellschaft mit einem falschen Blick auf benachteiligte Kinder schaut.

Im Jahr 2010 setzte sich Sandra Rieß bei einem vom BR ausgerichteten Casting gegen rund 300 Mitbewerber durch und wurde Moderatorin der Fernsehsendung "on3-südwild". Danach folgten Formate wie "Unser Star für Baku", "Olympia München 72", seit 2019 steht sie für die Nachrichtensendungen bei BR24 vor der Kamera. Am Freitag, 16. Dezember, 20.15 Uhr, moderiert die 36-Jährige zum zweiten Mal die "Sternstunden-Gala" mit Volker Heißmann - live aus ihrer Heimatstadt Nürnberg. Gerade in Krisenzeiten spiele ein Format wie die "Sternstundengala" eine besondere Rolle, sagt sie und glaubt, "dass Krisen für viele Menschen eine Motivation sind, um etwas abzugeben und zu helfen". Neben den hohen Spendensummen bewirke die Sendung mehr Sichtbarkeit der bestehenden Probleme, "die immer noch Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Gerade Kinder, die eine Behinderung oder schwere Krankheit haben, brauchen mehr Unterstützung."

teleschau: Die "Sternstunden-Gala" wird nach zwei Jahren wieder live aus der Frankenhalle Nürnberg ausgestrahlt. Sind Sie nervös?

Sandra Rieß: Gerade noch nicht. Ich freue mich einfach sehr, weil das im letzten Jahr schon wirklich schade war, dass die Gala ohne Publikum stattfinden musste. Ich schätze, die Aufregung kommt erst, wenn wir in der Halle sind und proben. Mir bedeutet die Frankenhalle ganz viel, weil ich dort als Kind oft zu Konzerten gegangen bin. Ich war ein großer Fan der Kelly Family und habe meinen Vater immer gedrängt mitzugehen. Jetzt auf derselben Bühne zu stehen und moderieren zu dürfen, ist für mich ein unglaubliches Gefühl.

teleschau: Auf welchen Konzerten in der Frankenhalle waren Sie noch?

Rieß: Auf jeden Fall war ich neben der Kelly Family auch bei DJ Bobo und erinnere mich ganz dunkel an ein Modern Talking-Konzert (lacht). Als Teenager ist Reisen noch nicht so das Ding, deswegen habe ich in Nürnberg in den 1990-ern und 2000-ern musikalisch alles mitgenommen.

teleschau: Das muss Sie als gebürtige Nürnbergerin bestimmt stolz machen, dass die "Sternstunden-Gala" in Ihrer Heimatstadt ausgestrahlt wird und Sie durch den Abend führen ...

Rieß: Klar! Zum Großteil lebe ich in Berlin und arbeite viel in München. Aber diese Verbundenheit, die man zu seiner Heimatstadt hat, bleibt immer. Für mich ist die Christkindlesmarkt-Eröffnung in Nürnberg einfach ein Pflichttermin. Egal, wo ich bin. Auch als ich mal in Ägypten im Strandurlaub war, habe ich mir die Eröffnung angesehen. Ja, es bewegt mich sehr, dass die "Sternstunden-Gala" in Nürnberg stattfindet und ich mitmischen darf.

Gemeinsam mit Volker Heißmann moderiert Sandra Rieß die "Sternstunden-Gala" live aus der Frankenhalle Nürnberg. "Es bewegt mich sehr, dass die 'Sternstunden-Gala' in Nürnberg stattfindet und ich mitmischen darf", schwärmt die 36-Jährige. (Bild: BR/Markus Konvalin)
Gemeinsam mit Volker Heißmann moderiert Sandra Rieß die "Sternstunden-Gala" live aus der Frankenhalle Nürnberg. "Es bewegt mich sehr, dass die 'Sternstunden-Gala' in Nürnberg stattfindet und ich mitmischen darf", schwärmt die 36-Jährige. (Bild: BR/Markus Konvalin)

"Es hat auch eine unangenehme Seite"

teleschau: Merken Sie Unterschiede zwischen Nürnberg und Berlin?

Rieß: Als Erstes fällt mir die Größe ein. In Nürnberg kann man einfacher Dinge erledigen, weil man in Berlin viel länger von A nach B braucht. Generell fühle ich in Bayern ein stärkeres Heimatgefühl, das Bundesland ist für mich wie ein großes Dorf. In Berlin kann man sich in der Anonymität verlieren - doch beides finde ich sehr schön. Gerade, dass ich diesen Gegensatz regelmäßig habe, macht mir echt Spaß.

teleschau: Was machen Sie denn gegen Lampenfieber?

Rieß: Ich glaube, man muss das aushalten, außerdem ist Lampenfieber oft hilfreich. Dann ist die Aufmerksamkeit viel höher, und man kann mit dem Publikum besser durch den Abend segeln, als wenn der Puls gar nicht hochginge. Klar, es hat auch eine unangenehme Seite. Manchmal spiele ich auch kurz vorher mit dem Gedanken, ins Taxi einzusteigen und nach Hause zu fahren (lacht). Das sind immer diese Momente davor, dieses Warten. Mir hilft aber ein kleiner Trick: der Gedanke: "Du moderierst das zum letzten Mal." Dadurch werde ich daran erinnert, den Abend trotz der Aufregung zu genießen.

teleschau: Welche Projekte haben Sie denn noch so im Auge?

Rieß: Ach, ich bin mit der Nachrichtenmoderation bei BR24 ganz gut ausgelastet. Eines meiner Ziele ist es, nur Sachen zu moderieren, die ich privat schauen würde. Was ich toll finde ist, dass ich mit der "Sternstunden-Gala" und den Nachrichten viele Sachen machen darf, die gesellschaftlich relevant sind. Das würde ich gerne weiter so beibehalten und vielleicht irgendwann mal eine Talksendung moderieren.

Für Sandra Rieß ist die "Sternstunden-Gala" eine Möglichkeit, um Kindern zu helfen: "Gerade Kinder, die eine Behinderung oder schwere Krankheit haben, brauchen oft mehr Unterstützung." (Bild: Katharina Hintze)
Für Sandra Rieß ist die "Sternstunden-Gala" eine Möglichkeit, um Kindern zu helfen: "Gerade Kinder, die eine Behinderung oder schwere Krankheit haben, brauchen oft mehr Unterstützung." (Bild: Katharina Hintze)

"Das macht schon was mit einem"

teleschau: Sie haben 2021 zum ersten Mal die "Sternstunden-Gala" moderiert. Was ist Ihre schönste Erinnerung?

Rieß: Das sind die Begegnungen mit den Menschen, vor allem mit den Kindern. Letztes Jahr hatte ich ein kurzes, aber sehr schönes Aufeinandertreffen mit einem Mädchen namens Naemi. Sie leidet an Ichthyose, einer seltenen Hautkrankheit. Naemi muss sich täglich für mehrere Stunden einem Hautpflegeprogramm unterziehen, weil sich sonst ihr Zustand verschlechtert. Sie hat damals all ihren Mut zusammengenommen und ein Kamerateam zu sich nach Hause eingeladen, um Einblicke in ihren Alltag zu geben. In der Gala selbst war sie zu Gast, und als ich zu ihr hingegangen bin, hab ich gesehen, dass sie Tränen in den Augen hatte - ich glaube, weil sie von ihrem eigenen Mut so überwältigt war. Sie hat durch die Krankheit auch Ausgrenzung durch andere Kinder erfahren müssen. Im Nachhinein haben wir mitbekommen, dass ganz viele ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler sich nach dem Auftritt im Fernsehen bei ihr gemeldet und ihr zugesprochen haben. Da ist mir erst mal klargeworden, was wir eigentlich alles mit solchen Fernsehsendungen erreichen können: nicht nur die Spenden, sondern dass wir den Kindern auch eine Lobby bieten und ihnen Sichtbarkeit verschaffen können. Das macht schon was mit einem.

teleschau: Dieses Jahr mussten wir uns mit vielen Krisen befassen. Welche Bedeutung haben Sendungen wie die "Sternstunden-Gala" in solchen Zeiten?

Rieß: Eine sehr große! Sternstunden unterstützt allein 22 Hilfsprojekte für die Ukraine, die zum Beispiel Lebensmittel dorthin bringen oder hier Unterkünfte für geflüchtete Familien vermitteln. Ich denke, dass Krisen für viele Menschen eine Motivation sind, um etwas abzugeben und zu helfen. Ich weiß, das ist aktuell für die meisten schwierig, wenn man einen Blick auf die gewaltig gestiegenen Energiepreise wirft. Trotzdem glaube ich daran, dass die Hilfsbereitschaft in unserer Gesellschaft gerade jetzt besonders ausgeprägt ist.

"Medien müssen stärker für Diversität sorgen und öfters behinderte Kinder zeigen - im positiven Sinne", findet Sandra Rieß. (Bild: Katharina Hintze)
"Medien müssen stärker für Diversität sorgen und öfters behinderte Kinder zeigen - im positiven Sinne", findet Sandra Rieß. (Bild: Katharina Hintze)

"Die Vorweihnachtszeit ist bei uns in den Köpfen als Spendenzeit verankert"

teleschau: Was bewirkt denn die "Sternstunden-Gala" noch - abgesehen von der Förderung der Hilfsorganisationen?

Rieß: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir auf Probleme aufmerksam machen, die immer noch Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Gerade Kinder, die eine Behinderung oder schwere Krankheit haben, brauchen oft mehr Unterstützung. Wir müssen uns darum kümmern, dass diese Kinder die richtige Betreuung bekommen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass gerade diese Kinder kaum eine Lobby in unserer Gesellschaft haben, weil Eltern in so einer Situation mit ganz anderen Problemen kämpfen müssen. Diese Mobilisierung, das politische Engagement oder die Gründung von Stiftungen wird zweitrangig, was ich aber auch verstehen kann. Sie müssen schauen, dass sie ihr Leben mit den vorhandenen Möglichkeiten organisieren. Ich hoffe, dass wir mit "Sternstunden" nicht nur am Gala-Abend, sondern auch das ganze Jahr über für Aufmerksamkeit sorgen können.

teleschau: Gerade in der Vorweihnachtszeit gibt es im Fernsehen natürlich viele Spendenaufrufe ...

Rieß: Ja, ich glaube, die Vorweihnachtszeit ist bei uns in den Köpfen als Spendenzeit verankert. Da macht man sich mehr Gedanken über die Probleme dieser Welt als im Sommer. Vielleicht liegt das an der weihnachtlichen Besinnlichkeit, die einen mehr zum Reflektieren bringt. Es gibt aber das ganze Jahr über "Sternstunden"-Aktionen, die wir auch vorstellen werden. Das ist der Wahnsinn, wie viele Menschen da mitmachen. Auch im BR, im Sender, ist das eine große Sache. An diesem Tag steht dort alles Kopf, und alle engagieren sich.

"Bis heute ist mir das hängengeblieben"

teleschau: Wie könnten Medien ihre Machtposition noch nutzen, um Kindern zu helfen?

Rieß: Wenn das jetzt ein Wunschkonzert ist, würde ich mir wünschen, dass es mehr um Sichtbarkeit geht. Medien müssen stärker für Diversität sorgen und öfters behinderte Kinder zeigen - im positiven Sinne. Ich fand die VOX-Dokureihe mit Tim Mälzer echt super, in der er mit Kindern, die an Down-Syndrom leiden, ein Restaurant aufgezogen hat ("Zum Schwarzwälder Hirsch - eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer", d. Red.). Das fand ich gleichermaßen unterhaltsam wie relevant. Es ist mir auch bei der "Sternstunden-Gala" ganz wichtig, zu sagen, dass es sich dabei um keine Mitleidssendung handelt.

teleschau: Was meinen Sie damit?

Rieß: Natürlich werden wir Schicksale sehen, aber es geht darum, zu zeigen, was Kinder, die es nicht so leicht haben im Leben, brauchen, damit es ihnen besser geht - und wie wir alle mit einer Spende dabei helfen können. Viele Eltern, mit denen ich gesprochen habe, meinten, dass Mitleid ihnen nichts bringt, im Gegenteil. Das ist etwas, womit sie sich noch mehr an den Rand der Gesellschaft hingedrückt fühlen. Eine Mutter meinte mal zu mir: "Das Problem ist nicht mein Kind. Ich liebe mein Kind so, wie es ist. Das Problem ist, wie die Gesellschaft auf uns schaut." Bis heute ist mir das hängengeblieben.

teleschau: Was macht die "Sternstunden-Gala" mit Ihnen?

Rieß: Ich kann sagen, dass es mein Weltbild verändert hat und ich mir über die Thematik ein stärkeres Bewusstsein schaffe. Man beschäftigt sich intensiver damit, lernt viel, begegnet Menschen, die betroffen sind - denen man sonst so nicht begegnet wäre. Die Gala lässt einen mehr reflektieren und ändert den Blick auf gewisse Dinge. Man muss sich auch vorstellen, dass es keine normale Redaktionsarbeit ist. Wir sind alle oft sehr bewegt bei Besprechungen. Das kannte ich vorher so nicht.

"Dieses Jahr bin ich auch Patin"

teleschau: Woher kommt das denn, dass die Gesellschaft mit dem falschen Blick auf benachteiligte Kinder schaut?

Rieß: Es gibt ein großes Streben nach Perfektion, immer leistungsfähig und aktiv zu sein - mit dem Strom zu schwimmen, zu den Besten zu gehören und viel zu arbeiten. Das führt dazu, dass man Menschen, die ein anderes Tempo haben oder Ziele auf Umwegen schaffen, falsch betrachtet oder gar übersieht. Was zum Beispiel kaum jemand bedenkt, ist, dass auch diese Kinder - mit der nötigen Hilfe - manchmal wesentlich mehr Glück empfinden können als andere.

teleschau: Treibt Sie das als Moderatorin an - Veränderungen schaffen?

Rieß: Ja! Genau diesen Blick dafür zu entwickeln. Da komme ich wieder auf das Beispiel mit Naemi. Diese Krankheit hat sie nun mal, und ich erhoffe mir sehr, dass die Gesellschaft dieses Mädchen anders sieht. Nicht mit Mitleid auf sie schaut, sondern konstruktiv und solidarisch.

teleschau: Unterstützen Sie privat eine Initiative?

Rieß: Ich bin auch "Sternstunden"-Spenderin, weil ich darauf vertraue, dass wir etwas bewirken können. Das Geld geht nicht nur an eine Einrichtung, sondern an viele. Man kann sich sicher sein, dass eine faire Gewichtung stattfindet. Dieses Jahr bin ich auch Patin - für eine Einrichtung in Nürnberg, in der junge Mütter, die eine psychische Erkrankung haben, zusammen mit ihren Kindern leben können. Dort wird ihnen gezeigt, dass sie auch mit der Krankheit tolle Mamas sind.