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Bundesbank warnt vor Zeitenwende zu mehr Inflation und nennt in einem neuen Buch 5 Faktoren, die bald die Preise treiben

Auch den Preisen sieht die Bundesbank eine Zeitenwende. Die Ära mit geringem Preisdruck sei vorbei.  - Copyright: Getty Images
Auch den Preisen sieht die Bundesbank eine Zeitenwende. Die Ära mit geringem Preisdruck sei vorbei. - Copyright: Getty Images

„Die Inflation ist zurück – mit Wucht!“ So beginnt das neue Buch „Und plötzlich Inflation“, mit dem die Bundesbank das Phänomen steigender Preise ökonomisch detailliert, aber doch verständlich erklären will. Warum steigen Preise? Wen trifft die Inflation? Warum ist sie so schädlich? Was hilft gegen die Inflation und welche Instrumente haben die Zentralbanken? Ihr „Erklärbuch“ gelingt Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling und den Autorinnen Irmela von Schenck und Antonia Fleischmann gut. Besonders spannend ist dabei der Ausblick der Bundesbank: „Wie wird sich die Inflation entwickeln“.

Auch der Ausblick beginnt mit Wucht: „Mit der aktuellen Inflation kehrt sich ein globaler Trend um, der uns über mehrere Jahrzehnte niedrige Inflationsraten beschert hatte." Die Autoren rufen dann die Zeitenwende bei der Inflation aus: Es gebe mehrere Trends, „die künftig eher inflationsverstärkende Wirkung haben könnten.“ Die aktuelle Teuerung stehe „für den Übergang in eine breite und länger andauernde Inflationsphase“, Denn: „Es werden Preise überall erhöht“ – aus vielen Gründen, die nichts mehr mit den Angebotsschocks infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges zu tun haben.

Hier sind die wichtigsten Risiko-Faktoren für die Preise

1. Wie geht es weiter mit den Energiepreisen

Die Preise für fossile Energie wie Öl, Gas und Kohle stiegen bereits seit dem Ende der Corona-Lockdowns. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine schossen sie dann in die Höhe. Die Bundesbank erwartet bei Energie aber eher eine Normalisierung. „Es spricht einiges dafür, dass die aktuell so stark inflationstreibenden Energiepreise mittelfristig wieder zurückgehen werden.“ Die extremen Engpässe dürften sich auflösen.

In Deutschland werde das Angebot an Energie ausgebaut, durch Terminals für Flüssiggas (LNG), vor allem aber durch günstigen Ökostrom. „Der gewaltige Kostendruck bei Energie wird energiesparende Innovationen und Investitionen hierzulande nähren, schreibt Wuermeling – und die Verbraucher würden Energie sparen.

Von der Energie werde daher nicht mehr der große Preisdruck ausgehen.

2. Aktueller Preistreiber Nahrungsmittel

Kritischer sehen die Autoren den zweiten aktuellen Preistreiber, Nahrungsmittel. Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln sei zwar auch eine Folge der höheren Energiekosten – besonders über teure Düngemittel. „Der nachlassende Preisdruck bei Energie sollte auch Nahrungsmittel mit etwas Verzögerung sogar wieder günstiger machen“, heißt es zwar in dem Buch.

Dagegen wirkten aber andere Faktoren: „Die Landwirtschaft rund um den Globus ist in verstärktem Ausmaß extremen Wetterphänomenen ausgesetzt: Angesichts des Klimawandeln und der dadurch verursachten immer häufigeren Dürren nehmen Missernten zu“, warnt die Bundesbank.

Gleichzeitig wachse die Nachfrage nach Nahrung. Die Weltbevölkerung habe sich in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt und wächst noch eine Weile weiter. Immer mehr Menschen könnten sich die teurere Nahrungsmittel wie Fleisch leisten.

„Bei Nahrungsmitteln stehen die Zeichen nicht auf einem kurz- oder mittelfristig nachlassendem Druck auf die Preise“, heißt es in dem Ausblick.

3. Künftiger Preistreiber Demografie

Die Bevölkerung in entwickelten Industrieländern altert – auch in Deutschland. Die Folgen werden gerade erst sichtbar. Die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1969, die Babyboomer, gehen jetzt, 65 Jahre später in Rente, also etwa sei 2020. Das erzeugt über mehrere Wege Druck auf die Preise.

Bis Ende der 2020er Jahre wird sich das Verhältnis der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu den Älteren von 3:1 auf ungefähr 2:1 verringern. Die Bundesbank weist auf einen Effekt hin, der bisher wenig beachtet werde: „Bedingt durch die Altersstruktur der Bevölkerung hatten wir lange eine hohe Sparquote – die Babyboomer haben fürs Alter gespart, das Geld nicht unbedingt gleich ausgegeben. Das wirkte preisdämpfend. Dies könnte sich mit dem Ausscheiden dieser Generation aus dem Erwerbsleben jedoch verändern, wenn das Ersparte für den Konsum genutzt wird. Gleichzeitig wird mit dem Ausscheiden der Babyboomer aus dem Erwerbsleben der produzierende Teil der Gesellschaft kleiner. Im Ergebnis könnte die Demografie hierzulande und in der nächsten Zukunft so wirken, dass tendenziell eine höhere Nachfrage einem geringeren Güterangebot gegenüberstehen wird. Dies wirkt tendenziell preistreibend.“

Zudem dürfte die zunehmende Knappheit von Arbeitskräften die Kosten und damit die Preise treiben. In der Ära niedriger Inflation habe ein großes Angebot von Arbeitskräften die Löhne gedämpft. „Wenn aber Arbeitskräfte knapp sind, lassen sich leichter höhere Löhne durchsetzen. Das wirkt kosten- und preissteigernd, und es könnte sogar eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen“, heißt es in dem Buch.

4. Künftiger Preistreiber: Neuausrichtung der Globalisierung

Die Globalisierung der Weltwirtschaft war seit den 1990er-Jahren der wichtigste Treiber für ein wachsendes Warenangebot bei stabilen, vielfach sinkenden Preisen. „Die globale Arbeitsteilung erhöhte die Produktivität. Die weltweite Konkurrenz drückte die Kosten. Viele Produkte und Dienstleistungen wurden deutlich erschwinglicher. All dies wirkte inflationsdämpfend“. Firmen und Arbeitskräfte in China und den Ländern Mittel und Osteuropas ermöglichten als verlängerte Werkbank die kostengünstige Produktion bei einem scharfen Preiswettbewerb. Die Öffnung des Welthandels verschärfte den Wettbewerb. Neue Technologien erhöhten die Produktivität. „Gleichzeitig stiegen die Löhne weniger stark, da die Belegschaften weltweit um Jobs oder gar ganze Produktionsstandorte konkurrierten.“

Diese Ära gehe zu Ende. Mit Großbritanniens Austritt aus der EU (Brexit) und der dem Antritt der Regierung Trump in den USA erhielt Protektionismus Oberwasser. Der Handel wurde beschränkt, „Wohlstandgewinne begannen zu schwinden“.

Die Corona-Pandemie habe dann viele Länder zu der Erkenntnis gebracht, dass sie unabhängiger von weltweiten Lieferketten sein sollten. „Und dann zeigte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, dass zu große Abhängigkeiten von unberechenbaren Lieferanten wie von russischem Gas zu dramatischen Verwundbarkeiten wie zu Engpässen bei der Energieversorgung führen können“.

Aktuell würden internationale Handelsbeziehungen neu bewertet. „Ein allein auf den Preis ausgerichteter Wettbewerb wird abgelöst von Bewertungen weiterer Aspekte wie der Verlässlichkeit der Lieferanten, der Sicherheit der Transportwege oder des politischen Systems des Handelspartners.“

Mit dem Ergebnis: „Insgesamt wird diese Entwicklung Waren und Dienstleistungen tendenziell teurer machen“.

5. Klima-Umbau der Wirtschaft (Dekarbonisierung)

Als dritten Trend, der in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein höheres Preisniveau befördern dürfte, nennt die Bundesbank die „späte, nun Gestalt annehmenden Antwort der Politik auf den Klimawandel“. Der teure grüne Umbau der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität werde die Inflation in der Übergangszeit treiben. „Greenflation ist hierzu das prägende Stichwort.“

Dies liege zum einen an den extrem hohen nötigen Investitionen. Diese „werden zwangsläufig zu höherer Nachfrage und höheren Preisen führen“. Hinzu kommt die CO₂-Bepreisung als zentraler Hebel für die Reduktion des Treibhausgases. „Ein Höherer CO₂-Preis wird einen preistreibenden Effekt auf die Verbraucherpreise haben – aufgrund der höheren Energiepreise und aufgrund der höheren Produktionskosten von Unternehmen“.

6. Digitalisierung

In der Vergangenheit habe die Digitalisierung die Preise eher gesenkt, durch Produktivitätsgewinne in von der Produktion über die Kommunikation bis zu den Geschäftsprozessen.

Die Bundesbank weist aber auf einen gegenläufigen Effekt hin: den Trend zur Monopolbildung, gerade in der Plattformökonomie. Ein Beispiel seien die digitalen Marktplätze für Immobilien, Jobs oder Reisen. Durch die Monopolbildung könne die Digitalisierung anders als in der Vergangenheit „auch preistreibende Effekte haben."

Die Folgen für die Geldpolitik

Vieler der Faktoten, die den Druck auf die Preise hochhalten, dämpfen gleichzeitig das Wachstum. Vielen Volkswirtschaften, so auch Deutschland, drohe eine Phase ohne dynamisches Wachstum (Stagnation) bei gleichzeitig steigenden Preisen (Inflation), also eine Stagflation.

Dieses gefährliche Gemisch erinnert an die Krisen der späten 1970er Jahre. Die Bundesbank ist aber optimistisch, dass dieses Szenario verhindert werden kann. Die Situation sei heute grundlegend anders. Zum einen würden die Löhne nicht stärker steigen als die Preise. „Tatsächlich sinken die Reallöhne“, schreibt das Autorenteam. „Für eine Lohn-Preis-Spirale mit preistreibenden Wirkungen gibt es derzeit keine Anzeichen.“

Auch die Geldpolitik sei heute besser gewappnet. Dabei sei eine Inflation als Folge von Angebotsschocks geldpolitisch eine besondere Herausforderung. „Denn keine Geldpolitik kann Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Geldpolitik kann ebenso wenig den Weltmärkten genügend Energie bereitstellen. Und Geldpolitik kann auch keine Containerstaus vor Häfen auflösen". Aber die Geldpolitik könne die Inflation mit ihrem Instrumentarium - vor allem über die Zinsen - sehr wohl in den Griff kriegen.

„Inflation ist kein Gespenst und kein Monster“, heißt es in dem Buch. „Inflation ist erklärbar, breit erforscht und vielfach erfahren. Man sie gut verstehen, und auch mit ihr umgehen. Und vor allem, man kann die zurückdrängen.“ Für dieses Verständnis ist das neue Buch eine lesenswerte Lektüre. Auch weil die Autoren ehrlich feststellen: „Allerdings führe eine konsequente Straffung der Geldpolitik zu einer Dämpfung der Wirtschaft bis zu einer Rezession. „Der Abschwung ist nicht etwa ihre unerwünschte Nebenfolge, sondern leider notwendig“, heißt es in der Schrift. „Der erfolgreiche Kampf gegen die Inflation kann eine Rosskur sein.“

 - Copyright: J.S. Klotz Verlagshaus
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Joachim Wuermeling, Irmela von Schenck, Antonia Fleischmann Und plötzlich: Inflation J.S. Klotz Verlagshaus 160 Seiten, 30 Grafiken 19,90 Euro