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"Für Rose wird's ein Spießrutenlauf!"

"Für Rose wird's ein Spießrutenlauf!"

München - Frank Mill spielte von 1981 bis 1986 für Borussia Mönchengladbach und von 1986 bis 1994 für Borussia Dortmund. Die größere Hälfte seines Herzens schlägt also schwarz-gelb. Der 63-Jährige wohnt auch im Ruhrgebiet.

Vor dem Spiel der Fohlen gegen den BVB am Samstagabend (Bundesliga: Borussia Mönchengladbach - Borussia Dortmund, ab 18.30 Uhr im SPORT1-LIVETICKER) spricht Mill im SPORT1-Interview über das Duell, Erling Haaland und die brisante Rückkehr von Marco Rose.

SPORT1: Herr Mill, ist es bei Ihnen noch so, dass es kribbelt, wenn Ihre beiden Ex-Klubs gegeneinander spielen?

Frank Mill: Ich denke natürlich immer an die Zeiten zurück, als ich in Gladbach und auch Dortmund gespielt habe. Es kribbelt nicht mehr, aber ich bin gespannt auf das Duell, das ist ja normal. Ich hatte bei beiden Klubs schöne Erlebnisse. Es ist schon ein tolles Spiel und natürlich schaue ich es mir an.

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SPORT1: Sie haben bei beiden Borussias gespielt. Warum schlägt Ihr Herz schwarz-gelb? Was war beim BVB schöner beziehungsweise besser?

Mill: Ich habe beim BVB fast doppelt so lange gespielt. Und das hat auch mit dem Ruhrgebiet zu tun. Der Menschenschlag dort liegt mir schon etwas mehr. Ich habe immer gerne im Westfalenstadion gespielt, am Bökelberg war es auch toll, aber ich fühlte mich in Dortmund immer etwas wohler. Diese Kombination, dass ich aus dem Pott komme und die Menschen dort mag, hat einfach gepasst.

SPORT1: Das Datum 9. August 1986 sagt Ihnen noch etwas?

Mill: Oh ja. Den Tag vergesse ich nicht. Der berühmte Pfostenschuss im Olympiastadion in München. Es war mein erstes Spiel für Borussia Dortmund, ich renne auf das freie Tor zu und treffe dann nur den rechten Pfosten. Die Tage danach waren etwas schwierig, weil es eben mein erster Auftritt im BVB-Trikot war. Normalerweise hätte ich den Ball nur rein geschoben, aber ich wollte in dem Moment etwas anderes machen. Einmal einen auf Pierre Littbarski machen und den Ball nur abklemmen, aber dann war ich zu schnell und es ging nicht mehr.

Die aktuelle Saison

SPORT1: Die Gladbacher Borussia belegt Platz 16, der BVB steht auf Rang drei und ist damit ihm Soll. Wie sehen Sie die Situation vor dem Spiel am Samstagabend? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Mill: Die Schwarz-Gelben sind klarer Favorit, allein schon von der Tabellen-Konstellation her. Dieses Spiel hat aber immer eine ganz bestimmte Brisanz. Ich gehe mal davon aus, dass die Dortmunder das Spiel machen werden. Und die Gladbacher werden sicher versuchen, ihr schnelles Umschaltspiel wieder in Gang zu setzen und damit den BVB zu überraschen.

SPORT1: Marco Rose hat es beim BVB bislang gut hinbekommen. Wie sehen Sie ihn in den ersten Monaten als Dortmunder Trainer?

Mill: Er hat eine gewisse Stabilität in die Mannschaft bekommen, weil er auch nicht viel wechselt. Sie bekommt leider noch zu viele Gegentore. Das ist der einzige Schwachpunkt des BVB. Und der tut weh. Sie haben schon elf Gegentore und das ist nach fünf Spiel deutlich zu viel. Die kannst du nach zehn Spielen haben, wenn überhaupt, aber nicht nach fünf. Der VfL Wolfsburg hat zum Beispiel nur zwei Gegentore. Daran müssen die Dortmunder noch arbeiten. Es fehlt nach wie vor ein zweiter, richtiger Abwehrspieler neben Mats Hummels.

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SPORT1: Warum sind die Gladbacher bisher noch nicht in die Spur gekommen? Erst ein Sieg steht zu Buche.

Mill: Sie bleiben bisher deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dabei haben sie beim 1:1 gegen die Bayern am ersten Spieltag gut angefangen. Doch da läuft es überhaupt nicht rund. Viele Verletzte haben sie auch nicht. Ich denke, dass der neue Trainer (Adi Hütter, d. Red.) einiges umgestellt hat und dass es noch Zeit braucht, bis sie wieder ihren gewohnten Rhythmus finden. Die Gladbacher haben immer oben mitgespielt. Und von der Qualität der Truppe müssen sie unter die ersten Fünf kommen.

SPORT1: Viele BVB-Fans sahen in Rose schon den nächsten Jürgen Klopp. Zu recht?

Mill: Nein. Das ist die Sehnsucht vieler Anhänger, aber es wird keinen zweiten Klopp mehr geben. Er ist ein ganz anderer Typ als Jürgen. Rose ist ein sehr ruhiger Trainer, der genau weiß, was er machen will. Und gerade versucht er seine Vorstellung von seinem System durchzubringen. Im Moment funktioniert es gut - bis auf das Spiel in Freiburg. Klopp ist Kult in Dortmund. Das wird Rose nicht erreichen, da müsste er schon sehr lange Cheftrainer beim BVB sein.

Mill: „Ich kann die Gladbach-Fans verstehen“

SPORT1: Möchten Sie am Samstag in der Haut von Marco Rose stecken?

Mill: Nicht unbedingt. Aber das muss er halt ertragen. Das ist für Rose sehr schwierig und es wird für ihn auch einen Spießrutenlauf geben, weil sich jeder an diesen Eiertanz im Frühjahr erinnert. Keiner wollte sich damals so richtig äußern und es hat sich alles in die Länge gezogen. Doch das muss Rose in so einer Situation ertragen können. Er ist schließlich Profitrainer. Ich denke mal er wird es überstehen.

SPORT1: Können Sie die Enttäuschung der Gladbach-Fans verstehen? Michael Weigand vom „Supporters Club“ sagte in dieser Woche: „Ich gehe von einem gellenden Pfeifkonzert und Schmährufen gegen ihn aus. Selten zuvor gab es in unserer Fan-Szene eine solche Einigkeit darüber, dass man ihn direkt nach Bekanntgabe des Wechsels hätte ablösen müssen.“

Mill: Ich kann die Gladbach-Fans verstehen. Rose war sehr beliebt dort, hat gute Arbeit abgeliefert, sprach auch von einer längeren Zeit, um etwas aufzubauen. Doch dann plötzlich gab er den Wechsel zum BVB bekannt. Und es kam dieser Eiertanz. Von daher kann ich nachvollziehen, dass die Fans über Roses Rückkehr nicht erfreut sind. Auch, wenn es nur für ein Spiel ist. Das wird schon sehr laut werden im Stadion.(SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken) #

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SPORT1: Hätte es Rose anders machen sollen?

Mill: Man muss auch zu seiner Entschuldigung sagen, dass wir alle nicht wissen, wie die Gespräche zwischen ihm, Max Eberl (Gladbachs Sportdirektor, d. Red.) und der restlichen Klub-Führung abgelaufen sind. Vielleicht war es auch eine Art Kick und er wusste nicht, wie man plant. Es war jedenfalls nicht die glücklichste Entscheidung von Rose das so lange hinzuziehen.

SPORT1: Hat Rose Pfiffe verdient?

Mill: Nein, verdient hat er die Pfiffe bestimmt nicht, aber Fußball ist „kurzweilig“ und die gute Arbeit, die er geleistet hat, zählt nicht mehr. Es wird ein sehr unruhiger Abend für Rose.

Mill über neuen Klub von Haaland: „Gehe fest davon aus...“

SPORT1: Das große Thema beim BVB wird in den kommenden Monaten Erling Haaland sein. Gehen Sie auch davon aus, dass es seine letzte Saison in Dortmund sein wird?

Mill: Erling Haaland ist eine Naturgewalt. Wenn der Junge auftaucht, wird es immer gefährlich. Er ist momentan einer der besten Stürmer in Europa. Aber er ist noch ein junger Kerl. In jeder Partie spielt er gut, macht fast immer sein Tor und ich hoffe sehr, dass es so bleibt. In dem Alter kriegst du auch mal eine Phase, in der es nicht so läuft. Aber man muss schwer davon ausgehen, dass er das letzte Jahr im BVB-Trikot auflaufen wird. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

SPORT1: Und dann zu Real Madrid wechseln wird?

Mill: Ich gehe fest davon aus. Italien kann ich mir nicht vorstellen bei ihm, England auch nicht. Und mit Real soll es ja schon Gespräche gegeben haben.

SPORT1: Wird so ein junger Kerl nicht auch von den ganzen Spekulationen verrückt gemacht?

Mill: Ich glaube, das prallt im Augenblick an dem Jungen ab. Jetzt kann er sowieso nichts machen, muss noch ein bisschen in Dortmund spielen. Das ganze Theater wird erst im Januar/Februar so richtig losgehen. Was hinter den Kulissen passiert, wird ihn jetzt nicht wirklich interessieren. So, wie Haaland spielt, konzentriert er sich gerade nur auf die Schwarz-Gelben.

Mill über die Jugendarbeit bei Borussia Dortmund

SPORT1: Wie sehen Sie Youssoufa Moukoko? Er stößt bei den Profis erstmals an seine Grenzen. Was ist für ihn nun wichtig?

Mill: Die Verantwortlichen bei der Borussia wissen, wie sie mit jungen Spielern umgehen müssen. Das hat man in der Vergangenheit auch gezeigt. Moukoko wird im November erst 17 und ist da natürlich noch in der Lernphase beziehungsweise drei Jahre in der Ausbildung. Da kann er sich viel von den erfahrenen Spielern abschauen, das habe ich damals bei Rot- Weiss Essen auch gemacht, ich war 17. Ich denke mal, dass Moukoko noch eine Menge lernen wird. Irgendwann wird er davon profitieren.

SPORT1: Wird er mal in Haalands Fußstapfen treten können?

Mill: Von seiner Spielwiese glaube ich das weniger. Er wird aber in der Zukunft ein sehr guter Offensivspieler für Borussia werden. Davon gehe ich aus.

SPORT1: Woran muss Moukoko jetzt arbeiten?

Mill: Er muss stabil werden. Nicht ein sehr gutes Spiel machen und dann drei schlechte oder ein gutes und drei mittelmäßige. Von so einem jungen, talentierten Spieler erwartet man dann immer Wunderdinge oder regelmäßig gute Auftritte, bei denen er seine Stärken regelmäßig zeigt. Ein Kopfball-Ungeheuer wird er nicht mehr werden. (lacht) (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

SPORT1: Jude Bellingham wird für viele der nächste Weltstar. Für Sie auch?

Mill: Er spielt bisher eine überragende Saison. Dann kommen vergleiche wie mit Jadon Sancho ganz schnell. Bellingham ist ein Riesen-Fußballer und hat im Mittelfeld auch schon eine gewisse Verantwortung, steht jedes Mal in der Start-Aufstellung. Er ist ein guter Junge, keine Frage.

SPORT1: Das ist sicher auch BVB-Torwart Gregor Kobel. Ist er der Nachfolger von Manuel Neuer beim FC Bayern?

Mill: Nach fünf Spieltagen ist es noch sehr früh das zu beurteilen. Kobel ist ein sehr guter Fußballer, Neuer ist ein außergewöhnlicher Kicker. Auch, wenn er mal einen Stockfehler drin hat, aber er spielt nun mal ab und zu Risiko. Kobel kann das ebenfalls und ist auf der Linie extrem stark. Er macht bis jetzt einen sehr guten Eindruck. Ich bin immer vorsichtig mit den Nachfolger-Fragen. Es gab schon so viele Nachfolger für Manuel Neuer. Und im Endeffekt haben sie dann die Qualität doch nicht erreicht.

Hütter muss sich keine Sorgen machen

SPORT1: Was muss Adi Hütter machen, um das Ganze jetzt doch in die richtige Bahn zu lenken?

Mill: Einem Trainer helfen nur Siege. Er macht alles, was er kann. Sie müssen halt mal gewinnen. Wer ist schon davon ausgegangen, dass die Gladbacher in Augsburg verlieren. Hütter muss sich aber keine Sorgen machen. In Gladbach wird es nicht so schnell ungemütlich wie bei anderen Vereinen.

SPORT1: Ihr Tipp für Samstagabend?

Mill: 3:1 für den BVB durch Tore von Haaland, Reus und Bellingham.

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