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Calmund: Fußballprofis sind die erfolgreicheren Trainer!

Reiner Calmund schreibt exklusiv als Kolumnist für Yahoo Sport Deutschland!

Advent, Advent ein Lichtlein brennt und immer, wenn das passiert wissen wir: Die Hinrunde geht in den Endspurt, so langsam entscheidet sich, ob man mit glänzenden Augen die leuchtenden Kerzen bewundert oder hektisch den Feuerlöscher sucht, weil der Baum brennt.

Beneidenswerter FC Bayern: Die Himmelstürmer aus München dürfen schon alle Kerzen auf dem Adventskranz und Weihnachtsbaum anzünden, die Jungs um Chefcoach Pep Guardiola haben sich in diesem Jahr frühzeitig alle Wünsche erfüllt. Ein fröhliches Weihnachtsfest werden mit Sicherheit auch die Verantwortlichen, Spieler und Fans von Borussia Dortmund genießen. Nach dem letztjährigen Kelleraufenthalt über die Feiertage und den Jahreswechsel hat sich der BVB wieder gefangen. Dahinter formiert sich eine Schlange vor dem Christkindchen: Den Tabellendritten aus Wolfsburg trennen vom 11., dem FC Ingolstadt, gerade mal sechs Punkte. Dahinter ist die Entscheidung über Wundertüte und Rute noch nicht gefallen. Aber klar ist vor den letzten drei Hinrundenspieltagen: Bei einigen Klubs wird Heiligabend mit Sicherheit der Weihnachtsbaum brennen.

Eine Analyse der deutschen Trainer-Landschaft
Die Herbst- und Adventszeit ist immer auch eine gefährliche Zeit für Trainer. Die ersten Bilanzen werden gezogen und wer das Klassenziel zu verpassen droht, der kann sich Zeit nehmen beim Aussuchen der Weihnachtsgeschenke und einen Teil der Abfindung investieren. In diesem Zusammengang will ich mal unsere Trainer-Landschaft etwas unter die Lupe nehmen.

Mehmet Scholl macht als Analyst bei der ARD eine sensationell gute Figur, ist deshalb einer, dessen Meinung gehört wird. Vor ein paar Wochen stieß er eine Trainerdiskussion an. Ich konnte sofort nachvollziehen, was er meinte. Klar, es geht um die von ihm so getauften „Laptop“-Trainer. Um die mit dem „Kursbesten-Gesicht“, wie Scholl spottete, die alle „Kursinhalte aufgesogen“ hätten, allerdings selbst nie „oben gespielt haben“.



Zorniger nach fünf Monaten weg
Alexander Zorniger vermittelte diesen Eindruck sehr stark und flog kürzlich nach nur fünf Monaten aus seinem Job. Immer wieder hatte der Stuttgarter Trainer darauf hingewiesen, dass seine Philosophie „alternativlos“ sei, schon früh konnte das keiner mehr hören. 

Fußball ist mehr als ein Laptop und ein Reißbrett und er spielt sich nicht nur zwischen den vier weißen Linien ab. Der Trainer muss Menschenfänger sein, er muss seine Spieler begeistern. Wenn sie ihm folgen, dann ist das die halbe Miete. Wenn er sein Team aber nicht überzeugt, hat er ein Problem. Und wenn er sich partout nicht darauf einlassen will, dass es anders vielleicht besser geht, dann hat er sogar ein großes Problem. Zorniger hat in meinen Augen da etwas Grundlegendes verwechselt: Es kann nie darum gehen, auf seinem Standpunkt zu bestehen, wenn die unbestechliche Tabelle etwas Gegenteiliges anzeigt. Und es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man Dinge ändert, modifiziert, hier ein Schräubchen verstellt, dort das Gewinde nachzieht. Schlimm fand ich die Aussage: "Harmonie ist was für Anfänger". Unabhängig davon, dass er ja ein Anfänger ist in diesem Job als Bundesligatrainer, halte ich Harmonie und Teamgeist in jedem Betrieb, jeder Familie und ganz sicher in jeder Fußballmannschaft für unerlässlich und sehe dies als Basis für den Erfolg.

VfB Stuttgart: Mit geballter Kompetenz in den Tabellenkeller
Zorniger war Trainingsbester seines Lehrgangs, sein Sportchef Robin Dutt ebenfalls. Geballte Kompetenz also, die trotzdem in den Keller führte. Weil der Trainerjob viel mehr bedeutet, als nur zu trainieren, eine Taktik auszugeben und sie in eine Strategie umzuwandeln.

Ich bin kein Freund der Heiligsprechung junger Trainer, denen eine große Profi-Karriere als Fußballer fehlt. Aber: Beides geht! Udo Lattek, der als Aktiver zwar in der höchsten Klasse spielte, aber kein Starspieler war, hat dies mit acht Meisterschaften eindrucksvoll bewiesen. Christoph Daum, als Spieler Deutscher Amateurmeister mit dem 1. FC Köln, sorgte um die Jahrtausendwende für Furore, heute ist es Thomas Tuchel, der in Mainz und jetzt in Dortmund erstklassige Arbeit abliefert.

Eine Spielerkarriere macht noch keinen guten Trainer
Junge Trainer verfügen schon ab 30 über jede Menge Erfahrung, sie haben sich fortgebildet in allen wichtigen Bereichen der Trainingslehre, der Kommunikation und der Menschenführung. Dies alles kann ebenso wichtig sein wie 100 Länderspiele. Europaweit haben sich auch José Mourinho, Rafael Benitez und Arsene Wenger ohne große Spielerkarriere zu absoluten Top-Trainern entwickelt.

Trotzdem steht dem gegenüber: Meist war ein erfolgreicher Trainer vorher auch ein erstklassiger und erfolgreicher Profi. Nehmen wir die vergangenen 40 Jahre Bundesliga, dann fällt auf: Die Titelsammler hatten eine respektable Vergangenheit als Profi und sie waren selten jung: Giovanni Trapattoni holte als 58-Jähriger mit den Bayern den Titel. Otto Rehhagel (3 Titel) musste 59 werden, ehe ihm der Meistercoup mit 1. FC Kaiserslautern gelang. Vorher schaffte er das gleiche Kunststück schon mit dem SV Werder Bremen - nach ganz langem Anlauf. Ottmar Hitzfeld (7 Titel) war ebenso jenseits der 50 wie Felix Magath (3) ganz zu schweigen von Jupp Heynckes (3), der als 68jähriger Senior mit dem Triple abtrat.



Deutschland, deine Bundestrainer
Auch unsere Bundestrainer und Teamchefs der vergangenen 50 Jahre waren außerordentlich gute Fußballer, in der Regel sogar erfolgreiche Nationalspieler. Schön, Derwall, Beckenbauer, Vogts, Völler, Klinsmann - sie alle waren Nationalspieler, die letzten vier sogar Welt- und Europameister. Erich Ribbeck spielte in der höchsten Spielklasse, gewann mit Bayer 04 den Europacup, Joachim Löw war U-Nationalspieler, der große Sprung blieb ihm verwehrt, aber er war ein respektabler Erst- und Zweitligaprofi. 

Man sieht: Es gibt keine Regel, welcher Trainertyp wann der Beste ist. Pep Guardiola, der erfolgreichste von allen, verkörpert eine Mischung: Als Spieler top, als Trainer auch. Ein Praktiker, der die Theorie nutzt, um sich weiterzuentwickeln. Der aber vor allen Dingen weiß: Alternativlos ist gar nichts. Das „Schema F“ hat im Fußball nichts zu suchen. Die einzige Philosophie, die er vertritt, ist der Wandel. Selbst während eines Spiels ist er in der Lage, mehrfach die Systeme zu wechseln, weil er die Spieler dafür hat und sie bei aller individuellen Klassen auch so weiter gebildet hat.

Wir brauchen den frischen Wind der Seiteneinsteiger!
Der Weg war das Ziel und die Bayern zeigen in ihrer Dominanz, dass sie diesem Ziel sehr nahe gekommen sind. Es ist kein Zufall, dass Thomas Tuchels Dortmunder auf Platz zwei liegen. Eigentlich verkörpert Tuchel ja den Prototypen des Laptop-Trainers. Aber er ist auch so einer, der sich nicht festnageln lässt, der einen ganzen Strauß voller Ideen für seinen Fußball hat und es damit wohl schafft, sich hinter den Bayern zur zweiten Kraft im deutschen Fußball zu etablieren.


Man sieht, die ehemaligen Profis sind insgesamt die erfolgreicheren Trainer. Was aber nichts zu bedeuten haben muss. Es wäre schade, wenn der frische Wind der Seiteneinsteiger fehlen würde. Schlecht ist, wenn sich eine der beiden Gruppen überlegen fühlt. Der Fußball lässt elitäres Denken nicht zu. Für den Fortschritt kann es immer nur heißen: Jeden Tag dazulernen, umlernen. Das ist wie im richtigen Leben.