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Calmund exklusiv: Hauptsache gewonnen

Reiner Calmund schreibt exklusiv als Kolumnist für Yahoo Sport Deutschland!

Geträumt habe ich vor der Partie gegen die Ukraine von einem überzeugenden Auftaktspiel mit einem Sieg, der uns Respekt bei den anderen Mannschaften verschafft. So wie 2014 in Brasilien, als das 4:0 gegen Portugal für Furore sorgte und unserem Team direkt das nötige Selbstvertrauen einflößte, das letztlich dann ins Finale führte. Wellentäler inbegriffen, die aber gut gemeistert wurden.

Gegen die Ukraine stimmte mit dem 2:0 das Ergebnis. Auch die statistischen Spieldaten mit 68% Spielanteile und 18:6 Torschüsse klingen ganz ordentlich. Dennoch war bei weiten nicht alles Gold was glänzt. Von meinen „vier Säulen“ der Löw-Elf funktionierten immerhin drei: Manuel Neuer, der stark hielt. Jerome Boateng, der mit einer Wahnsinnsaktion ein sicheres Gegentor verhinderte und Toni Kroos, der sehr sicher agierte und immer wieder versuchte, das Heft in die Hand zu bekommen. Die vierte Säule, Thomas Müller, trug an diesem Sonntag in Lille wenig zum Erfolg bei. Der Münchner – einer meiner ausgesprochenen Lieblingsfußballer – war leider so gut wie nicht zu sehen.

Weil dies meist auch auf Mesut Özil und Mario Götze zutraf, waren die Torszenen in unserem Offensivspiel dünn gesät.Die besten Chancen hatten noch Sami Khedira und Mesut Özil, das wichtige 1:0 köpfte Innenverteidiger Mustafi nach nach einer erstklassigen Freistossflanke von Kroos. Götze kam nach über 70 Minuten erstmals zum Schuss, Müller gar nicht, Draxler war noch der Aktivposten vorne. Özil bereitete immerhin das viel umjubelte 2:0 durch Bastian Schweinsteiger. Für mich ein Geschenk vom Fußballgott. Drei Minuten gespielt, dritter Ballkontakt, 2:0. Es war ein großartiger Moment für "Schweini", man konnte bei Jogi Löw, dem Trainerteam und alle Spielern die Freude über diesen Treffer im Gesicht ablesen.

Taktisches Verhalten? Teilweise erstaunlich schlecht

Trotzdem klaren Auftaktsieg muss Jogi Löw einige Defizite knallhart kritisieren. Das taktischen Verhalten des Weltmeisters war in einigen Szenen erstaunlich schlecht. Besonders auffallend waren die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, sowohl zum gegnerischen Spieler als auch zum Kollegen. Diese fehlende Kompaktheit sorgt im heutigen Fußball immer wieder für große Probleme, weil auch die schwächeren Gegner eben eines auf jeden Fall beherrschen: das schnelle Umschaltspiel, je näher am gegnerischen Tor, desto gefährlicher. Die deutsche Mannschaft verpasste es in vielen Phasen, den Gegner unter Druck zu setzen, begann häufig zu spät und zu halbherzig mit dem Pressing und hatte oft nur zwei Spieler beim eigenen Konter dabei, während die Ukrainer immer wieder mit fünf oder sechs Mann blitzschnell hinter den Ball kamen.

Analyse: Das fiel gegen die Ukraine auf

Deutsche Hooligans randalieren in Lille

Wie geht’s jetzt weiter für den Weltmeister? Tatsache ist ja, dass unsere Mannschaft eine unglaubliche Qualität besitzt. Das zeigt schon die Tatsache, dass dieses Spiel 2:0 gewonnen wurde – es war der bis dahin höchste Sieg bei der EURO 2016. Auf diese Qualität kann Löw bauen. Doch er wird nicht umhin kommen, dem einen oder anderen einmal ordentlich den Marsch zu blasen. Götze und Özil dürften sicherlich mehr zeigen, das war schon sehr verhalten, von ein paar Szenen vielleicht abgesehen. Löw sollte sie an ihr wahres Können erinnern und sie können die Gelegenheit nutzen, dem Trainer - der immer zu ihnen gestanden hat - etwas zurückzuzahlen.

Nächster Gegner: Polen
Polen kann man ohne Zweifel eine höhere Qualität als der Ukraine zubilligen. Die Abwehr ist stabil mit Abräumer Kamil Glik, der junge Kapustka und Krychowiak ziehen im Mittelfeld die Fäden und laufen wie die Ochsen. Die Außenspieler Grosicki und Kuba sind eminent schnell und eine Gefahr auch für bessere Außenverteidiger als wir sie haben. Und über Robert Lewandowski samt Juniorpartner Arkadiusz Milik muss ich sicher nicht viele Worte verlieren.

Unser sehr selbstbewusst gewordener Nachbar hat uns in der Qualifikation einmal geschlagen und einmal an den Rand einer Niederlage gebracht. Und seitdem ist die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka – einem großen Schweiger – nicht schlechter geworden. Löw tut gut daran, seine Jungs vorzuwarnen. Denn ob man sich jedes Mal im Zweifelsfall auf Neuer und Boateng verlassen kann – das wage ich zu bezweifeln.

Matthäus Wunschaufstellung gegen Polen: