Calmund exklusiv: Klopp kann Guardiola beerben

Reiner Calmund schreibt als Kolumnist für Yahoo Sport
Reiner Calmund schreibt als Kolumnist für Yahoo Sport

Reiner Calmund ist zurück aus dem Urlaub! In seiner Kolumne spricht er über den berauschenden Bundesligastart, die Trainerfrage beim FC Bayern - und Douglas Costas Schuhe.

Sie hat uns wieder, die gute, alte Bundesliga. Und wir bekamen direkt am ersten Spieltag zu spüren, dass sie auch im 53. Lebensjahr nichts von ihrem Pep, ihrer Power und Attraktivität verloren hat. Die Fans, die in den 208 Länder weltweit das Eröffnungsspiel zwischen dem FC Bayern und dem Hamburger SV am Bildschirm verfolgten, die werden mit Sicherheit wieder einschalten, wenn die Bundesliga übertragen wird. Das war beste Werbung für den deutschen Fußball!

Überzeugen konnten sich diese Menschen auch davon, warum der FC Bayern als Titelfavorit gehandelt wird – das 5:0 gegen den siechenden Hamburger SV war vor allem nach der Pause eine Demonstration von Klasse. Die Bayern haben toll eingekauft, Vidal und Costa bringen neue, starke Akzente ins Spiel des Rekordmeisters, der brasilianische Flügelflitzer belebt das Offensivspiel des Meisters in einer Art und Weise, die man ihm so früh nicht zugetraut hatte. Der Junge ist die Wucht in Tüten, auch wenn die pinken Schuhe einem alten Sack wie mir gewöhnungsbedürftig erscheinen. Costa ist an den Flügeln mehr als nur ein Ersatz für die oft verletzten Superstars Ribéry und Robben. Ich war mit Michael Ballack für Sky im Einsatz, wir hätten mit Thomas Müller, Costa und Vidal gleich drei Bayern zum „Man of the Match“ gewählt.

Obwohl Bayern am ersten Spieltag schon wieder Tabellenführer ist, gibt es unverhältnismäßig viel Unruhe. Ich behaupte: diese Unruhe ist und bleibt normal.

Die Unruhe beim FC Bayern ist und bleibt normal

Mit seinen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgen zählt Bayern München zu den Top-Five-Klubs der Welt. Egal ob Erfolg oder Krise, bei Bayern veranstalten die Medien täglich einen Jahrmarkt und Wettbewerb der Headlines. Diese Situation haben sich alle großen internationalen Renommier-Klubs mit vielen Titeln hart erarbeitet. Die Fans, die TV-Zuschauer, Radiohörer, Leser und Online-Kunden wollen und müssen täglich mit den neuesten Nachrichten versorgt werden, selbst wenn es nichts Neues gibt.

Die Formel ist ganz einfach. In Madrid, Barcelona, Manchester, London, Paris und München wird der Meistertitel gefeiert. Doch das große Ziel ist der Champions-League-Sieg. Dafür braucht man 18 bis 20 internationale Spitzenspieler. Das Problem: Nur 11 dürfen beginnen. Sind alle Spieler gesund und fit, drohen atmosphärische Störungen. Chef-Coach und Sportdirektor müssen in diesem Fall psychologische Höchstleistung bei den Nichtnominierten vollbringen. Hat ein Klub viele Verletzte, existieren diese Aufstellungsprobleme nicht. Dafür gibt es in der Regel nicht den ganz großen Erfolg, jedoch jede Menge Trouble.

Mario Götze bleibt das Sorgenkind beim FC Bayern. (Bild: SID)
Mario Götze bleibt das Sorgenkind beim FC Bayern. (Bild: SID)

Ich kann und will mich an die ständigen Personal-Diskussionen nicht gewöhnen. Ebenso wenig an die Kritik, die nach dem Champions League Halbfinal-KO gegen Barcelona hagelte. In meinen Augen überzogen und ungerecht. Die Münchener mussten mit Robben, Ribéry und Alaba auf drei Super-Stars aus ihrem magischen Quartett verzichten. In der Innenverteidigung fielen die kopfball - und zweikampfstarken Badstuber und Martínez verletzt aus. Lahm und Schweinsteiger, die uns ein knappes Jahr vorher noch zum WM-Titel geführt hatten, waren zwar auf dem Spielfeld, aufgrund ihrer Verletzungen aber weit von der Normalform entfernt. Last but not least komplettierte Torjäger Lewandowski die große Verletzungsliste. Er lief zwar auch auf, aber aufgrund seines Kiefer- und Nasenbeinbruchs sowie einer Brustprellung war er stark eingeschränkt.

Erwartungsgemäß schied man mit dem Gesamt-Ergebnis von 3:5 aus. Trotzdem gaben viele Medien „Feuer frei“. Dabei zielte das kritische Trommelfeuer in erster Linie auf Pep Guardiola, viele hatten vergessen, dass der Spanier kein Zauberer, sondern "nur" ein Weltklasse-Trainer ist. Zwei Jahre zuvor gab es umgekehrte Verhältnisse. Barca schied ersatzgeschwächt, auch Messi war betroffen, mit 0:7 gegen den späteren Champions-League-Sieger FC Bayern aus.

Die Spieler sollen sich auf den Fußball konzentrieren

Mein Appell an die Müllers, Götzes, Thiagos und wie sie alle heißen: Konzentriert euch aufs kicken, macht euch das Leben nicht zusätzlich schwer. Es ist alles halb so wild. Vergessen wir nicht: Götze war in der letzten Saison 22 Jahre alt, in diesem Jungen steckt noch jede Menge Entwicklungspotenzial. Er war nun bei zwei Klubs viermal Deutscher Meister und zweimal DFB-Pokalsieger. Über seinen Anteil am WM-Sieg brauchen wir gar nicht erst zu reden. Eine Wahnsinnsbilanz – und das bei einem Jungen, der noch alles vor sich hat. Für Götze standen in der vergangenen Bundesliga-Saison 32 Einsätze zu Buche, in denen er neun Tore erzielte. Müllers Zahlen sind ähnlich: Er kickte 32-mal und erzielte 13 Treffer. In der Champions League war Götze elfmal von 12 Spielen mit 4 Toren im Einsatz. Thomas Müller war bei 10 Spielen mit 7 Toren sogar der erfolgreichste Bayern Champions-League-Teilnehmer.

Thomas Müller ist der legitime Nachfolger von Bastian Schweinsteiger. (Bild: SID)
Thomas Müller ist der legitime Nachfolger von Bastian Schweinsteiger. (Bild: SID)

Thomas Müller ist für mich der legitime Nachfolger von Bastian Schweinsteiger als Bayern-Anführer und Idol in einer Reihe mit den Legenden Sepp Maier, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer. Er feierte mit 26 Jahren auch schon vier Meistertitel, drei Pokalsiege, holte die Champions League und wurde Weltmeister. 2010 war er WM-Torschützenkönig und wurde ebenso wie 2014 in die FIFA-Auswahl berufen. Müller ist authentisch, sympathisch, intelligent und, ein Weltstar zum Anfassen. Das Problem bei ihm waren die Auswechslungen, bei Götze die Tatsache, dass er in der Schlussphase der Saison in den Top-Spielen gegen Barcelona oder Dortmund nicht von Beginn an zum Einsatz kam. Dazu meine These: Kein Trainer der Welt holt einen Spieler vom Platz, der sensationell drauf ist. Und ebenso lässt er keinen auf der Bank, der super trainiert hat und den Eindruck vermittelt, er könne Wände einreißen.

Ich habe vollstes Verständnis für die Medienvertreter, die ihre Stories brauchen. Offensichtlich sind unzufriedene Spieler Gold wert, ebenso Trainer, die sich nicht klar zu ihrer Zukunft äußern. Und da sind wir beim nächsten Bayern-Thema.

Die Trainerfrage? Völlig unproblematisch!

Die Trainerfrage ist aus meiner Sicht völlig unproblematisch. Die Verantwortlichen von Bayern München und Pep Guardiola gehen das Thema Vertragsverlängerung mit Sicherheit ganz souverän an. Fakt ist: Mit Pep arbeitet ein Weltklasse-Trainer mit vielen großen Erfolgen bei einem absoluten Weltklub. Beide genießen diese sportliche Ehe, zumal jede Partei den Partner auch im dritten Vertragsjahr außergewöhnlich schätzt. Eine Verlängerung hängt vom sportlichen Verlauf, der Atmosphäre und vielen Kleinigkeiten ab. Bayern-Boss Karlheinz Rummenigge und sein Führungsteam favorisieren eine Vertrags-Verlängerung, zumal trotz hartem Konkurrenzkampf mindestens 80 Prozent der Leistungsträger auch eine weitere Zusammenarbeit mit Pep begrüßen würden. Aber selbst wenn die Wege sich trennen, gibt es für keinen der Beteiligten ein Problem.

Pep Guardiola würde in kürzester Zeit Angebote von internationalen Spitzen-Klubs bzw. Verbänden erhalten. Und beim FC Bayern, der für seine erstklassige Infrastruktur, Organisation und Atmosphäre weltweit geachtet wird, stünde ein kleiner Bus mit Toptrainern auf der Matte.

Klopp kann Bayern.
Klopp kann Bayern.

Auf Anhieb fällt mir Jürgen Klopp ein, der national für mich die klare Nummer eins für diesen Job ist. International hätten wir Carlo Ancelotti, der erfolgreich bei Juventus Turin, AC Mailand, FC Chelsea, Paris SG und Real Madrid gearbeitet hat und neben viel Erfahrung und noch mehr Meisterschaften auch schon dreimal die Champions League gewonnen hat. Aber wer weiß – vielleicht kommt doch alles ganz anders. Und die Bayern schießen durch die Decke. Der Kader ist stark genug alle Titel zu holen, wenn die Profis von Verletzungen verschont bleiben.

Es bleibt schwer, eine Gruppe von 18 bis 20 Topstars zu führen, zu moderieren, jeden halbwegs zufrieden zu stellen. Noch schwieriger aber ist es, mit nur elf Stars die Champions League zu gewinnen. Das ist Guardiolas Herkules-Aufgabe: Er muss emotional auf jeden Spieler positiv einwirken, damit der Teamspirit stimmt. Damit die Müllers, Götzes und Thiagos kapieren, was er macht und warum er jetzt gerade das macht. Wenn er das schafft, können die Bayern maximalen Erfolg haben.