"Leverkusen, ihr habt ein echtes Problem!"

Die große Magie des DFB-Pokals liegt in den Duellen zwischen Favoriten und Außenseiter.

Was sich aber am Dienstagabend im beschaulichen Völklingen abspielen wird, hat es zu einem so späten Zeitpunkt in der Geschichte dieses Wettbewerbs noch nicht gegeben.

Dann nämlich empfängt der Viertligist 1. FC Saarbrücken im Halbfinale den haushohen Favoriten Bayer Leverkusen (DFB-Pokal, Halbfinale: 1. FC Saarbrücken - Bayer Leverkusen heute ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) - und das wegen Corona auch vor leeren Rängen: Steht der Finalist also schon vor Anpfiff fest?

Der frühere Saarbrücken-Profi Manfred Bender meint dazu bei SPORT1: "Das ist extrem bitter für Saarbrücken. Sie kommen ins Halbfinale und hätten vielleicht eine fünfprozentige Chance - mit den Zuschauern im Rücken. Aber ohne Zuschauer gibt es leider nicht viele Chancen auf das Finale."

Alle Highlights und Analysen der Halbfinals im DFB-Pokal in "DFB-Pokal Pur" und "DFB-Pokal Analyse" am Donnerstag ab 18.45 Uhr im TV auf SPORT1

Saarbrücken-Trainer: Finaleinzug wie "Wiedergeburt Jesu Christi"

Doch im Saarbrücker Lager sind sie anderer Meinung. Zumindest, wenn es nach Saarbrückens Trainer Lukas Kwasniok geht. Zwar sagt der polnische Coach mit einem Augenzwinkern, dass der Finaleinzug seines Teams dem Wunder "der Wiedergeburt Jesu Christi" gleichkäme - ganz abschreiben will er die mögliche Sensation aber keinesfalls.

"Ziel ist es, diesen Tag, den 9. Juni, zum offiziellen Feiertag im Saarland zu ernennen", verrät der FCS-Trainer bei SPORT1. Im Falle eines Sieges wolle er einen entsprechenden "Antrag beim Ministerpräsidenten des Landes beantragen" - und wieder schmunzelt Kwasniok.

Überhaupt: Der 38-Jährige hat derzeit gut lachen - nicht nur wegen der einmaligen Chance im Pokal. Vor kurzem durfte er mit seinen Jungs den Aufstieg in die 3. Liga feiern, der aufgrund der Corona-Krise am grünen Tisch entschieden wurde.

"Lieber widerlich als wieder nich' - im vierten Anlauf ins Finale"

Doch während die Rückkehr in den bezahlten Fußball für die ambitionierten Saarländer nach mehreren knapp gescheiterten Versuchen in den vergangenen Jahren keine Überraschung ist, würden wohl nur die Allerwenigsten auf einen Sieg gegen die Werkself setzen - selbst wenn deren Superstar Kai Havertz verletzungsbedingt passen muss.

Bayer-Trainer Peter Bosz hat neben seines unbestritten besseren Kaders und dem fehlenden Heimvorteil der Saarbrücker sogar noch einen weiteren Vorteil auf seiner Seite. Während Leverkusen mit fünf Spielen nach der Corona-Pause schon längst wieder auf Betriebstemperatur ist, tritt der künftige Drittligist aus der kalten Hose an.

Und dennoch: Glaube versetzt Berge - und das können sie im Saarland besonders gut. "Lieber widerlich als wieder nich' - Im vierten Anlauf ins Finale", steht nun als Motto auf einer großen Tafel in den Vereinsfarben Blau-Schwarz am Rand des Trainingsplatzes.

Vor der schon jetzt so erfolgreichen Saison wurde den Spielern zudem von Mentalcoach David Kadel eingetrichtert, dass sie das scheinbar Unmögliche tatsächlich schaffen können. Dieser Grundsatz ist ihnen offenbar in Fleisch und Blut übergegangen.

Batz lobt Kwasniok: "Grenzen weiter nach außen verschoben"

"Man nimmt ihm einfach alles ab", schwärmt Keeper Daniel Batz, der spätestens mit seinen fünf parierten Strafstößen im Elfmeterschießen gegen Düsseldorf zum Pokalhelden wurde, bei SPORT1. "Ich glaube, David hätte uns erzählen können: 'Jungs, geht raus und verschiebt die Zugspitze - wir hätten es ihm geglaubt. Bei vielen von uns hat er die Grenzen weiter nach außen verschoben."

Mit dem 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf kegelte das Gründungsmitglied der Bundesliga schon zwei Erstligisten aus dem Pokal, daneben noch die Zweitligisten Regensburg und Karlsruhe. "Wir haben etwas Besonderes geschaffen - aber jetzt können wir etwas Historisches erreichen", sagt Kwasniok. "Unser Ziel ist etwas, was vielleicht nie wieder ein Viertligist hinbekommen wird. Es ist aktuell unser Sinn des Lebens."

Und: "Wir haben von Anfang an gesagt: Karlsruhe ist schlagbar, Düsseldorf ist schlagbar. Und: Leverkusen ist ja auch schlagbar."

"Ihr habt es gefressen - und jetzt macht ihr es Runde für Runde"

Worte, die seine Mannschaft nur zu gerne aufgreift und in die Tat umsetzen will. Auch Tobias Jänicke, der gegen die Fortuna die Führung erzielt hatte, glaubt bei SPORT1 an die Sensation: "Wir haben einfach Bock auf dieses Spiel, es ist das Highlight unseres Lebens. Dann soll Leverkusen mal kommen und dann gucken wir, was passiert."

Die Überzeugung, etwas Historisches schaffen zu können - man nimmt sie ihnen ab. Und einen Vorteil hatte die Corona-Pause dann doch für Saarbrücken: Wochenlang studierten sie Leverkusens Spielanlage, sämtliche Standards wurden minutiös analysiert - erst am Laptop, und dann auf dem Feld.

Und so hoffen sie in Saarbrücken auf den nächsten Husarenstreich - auch Mentalcoach Kadel. "What you think, is what you get. Ihr habt es gefressen - und jetzt macht ihr es Runde für Runde", habe er den Spielern eingetrichtert. Von daher: "Leverkusen, ihr habt ein echtes Problem!"