Daniela Dahn: Mielke gehorchte

Interview mit Daniela Dahn, Schriftstellerin und Publizistin, geboren 1949. Sie war stellvertretende Vorsitzende der Zeitweiligen Untersuchungskommission zu den Ereignissen vom 7./8. Oktober 1989 in Berlin. Frau Dahn, Sie haben den früheren Stasi-Minister Erich Mielke am 26. Januar 1990 zusammen mit einem anderen Kommissionsmitglied in der Haftanstalt Rummelsburg befragt. Wie kam es dazu? Die Kommission wollte Mielke natürlich befragen, aber der saß in Untersuchungshaft. Und dann hieß es plötzlich, jetzt können zwei Leute nach Rummelsburg kommen und mit ihm sprechen. Ich hatte gedacht, Pfarrer Passauer als der Vorsitzende der Kommission nimmt das wahr, aber der hatte keine Lust dazu und bat mich als seine Stellvertreterin, das zu übernehmen. Ich habe natürlich gleich ja gesagt, da war auch die journalistische Neugier dabei. Uns ging es immer um die Befehlskette, wer hat wann was angeordnet. Und wir wussten schon durch den VP-Präsidenten Rausch, dass der Befehl, die Demonstration und die Proteste nicht zuzulassen, von Mielke gekommen sein soll. Und dann sind Sie mit Heinz Nabrowsky, einem anderen Kommissionsmitglied, zu Mielke in die Zelle gegangen? Wir wurden in eine Zelle auf der Krankenstation in Rummelsburg gebracht. Ein spartanisch eingerichteter Raum, drei Betten waren drin, Waschbecken und Kloschüssel, ein kleiner Tisch, kaum Platz für Stühle. statt einem richtigen Fenster nur solche Glasziegel. Bedrückend. Und dann wurde Mielke hereingeführt, und plötzlich war ich in der Rolle, ihn aufzufordern, auf einem der Holzstühle Platz zu nehmen. Er gehorchte. Inhaltlich brachte uns die Befragung nicht voran. Wenn es konkret wurde, machte Mielke dicht. Da war der alte Geheimdienstmann stärker, keine Namen, keine Details. Immerhin hat er bestätigt, dass er auf der Brücke am Palast der Republik stand und sich die Situation vor Ort angeschaut hat. Zum Schluss der Begegnung fragten Sie Mielke nach der Bilanz seines politischen Lebens – das ging ja über den Untersuchungsgegenstand hinaus. Warum stellten Sie diese Frage? Vor der Befragung hatte uns der Anstaltsarzt darüber informiert, dass Mielke – der zu diesem Zeitpunkt ja schon einige Wochen in Rummelsburg saß – einen totalen psychischen und körperlichen Zusammenbruch hatte in der Untersuchungshaft. Es hätten sich massive Erscheinungen von Verkalkung und fortschreitende Senilität eingestellt. Mielke habe auch Suizidwünsche geäußert. Als wir ihn dann bei der Befragung erlebten, waren wir zunächst unsicher, ob der nun wirklich schon so verwirrt ist oder ein genialer Schauspieler, der eine Senilität...Lesen Sie den ganzen Artikel bei berliner-zeitung