Das DFB-Jahr 2019: Zwei bis Drei mit ein paar Sternchen

Viel Umbruch, wenig Konstanz – dafür endlich wieder schöner und erfolgreicher Fußball: Die deutsche Nationalmannschaft hat Jahr eins nach dem totalen fußballerischen Kollaps 2018 genutzt, um wieder in die Spur zu finden. Eine Bilanz des Länderspieljahres 2019.

Joachim Löw führte das DFB-Team auch im Jahr 2019 an. (Bild: Getty Images)
Joachim Löw führte das DFB-Team auch im Jahr 2019 an. (Bild: Getty Images)

Zugegeben, nach dem Gruseljahr 2018 brauchte es – fußballerisch wie statistisch - nicht viel, damit man von einem Fortschritt reden durfte. Zur Erinnerung: Die DFB-Elf schied desaströs in der Vorrunder der WM in Russland aus (das erste Mal in ihrer Geschichte), gewann aus 13 Spielen bei sechs Niederlagen (so viele gab's in einem Jahr noch nie) nur vier Partien und schoss dabei lediglich 14 Tore. Erstmals seit 33 Jahren beendete das DFB-Team ein Länderspieljahr mit einer negativen Bilanz.

Der deutsche Fußball, der amtierende Weltmeister, lag auf dem Boden. Spürbare Konsequenzen gab es nach dem Turnieraus in Russland dennoch wenige. Die Führungsriege des Fußballbundes vertraute Jogi Löw den offensichtlich dringend notwendigen Umbruch an, der einzige Star, der seinen Rücktritt aus der Mannschaft verkündete, war Mesut Özil – dessen Motive waren allerdings nicht fußballerischer Natur. Bis zum ersten großen Knall, der den Umbruch einleiten sollte, dauerte es bis 2019.

Löw auf geheimer Mission: Die Nachricht, die sich Anfang März in Fußballdeutschland verbreitete, hatte gefühlt die Einschlagskraft des Asteroiden, der die Dinosaurier auslöschte. Nur war in diesem Fall Bundestrainer Löw der Asteroid – und Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller die Dinosaurier. In einer Geheimmission reiste Löw, seit dem WM-Aus ob seiner fehlenden Radikalität in Sachen personeller Auffrischung des Kaders massiv in der Kritik, persönlich an die Säbener Straße, um dem Weltmeistertrio mitzuteilen, dass er in Zukunft ohne sie planen werde. "Es war unerlässlich, etwas zu ändern", sollte Löw später sagen. Die bemerkenswerte Art und Weise des Unterfangens, unangemeldet an den Toren des Rekordmeisters aufzutauchen, rechtfertigte Löw damit, dass er sich "geschämt" hätte, wenn sein Vorhaben vorher in den Medien aufgetaucht wäre.

Das neue Personal: Sechs Spieler feierten 2019 ihr Debüt in der Nationalmannschaft, die meisten von ihnen dürften mehr oder weniger überrascht gewesen sein, zum A-Aufgebot des DFB-Teams zu zählen: Lukas Klostermann, Robin Koch, Nadiem Amiri, Suat Serdar, Luca Waldschmidt und Niklas Stark. Neben Joshua Kimmich, der in der Nationalmannschaft im defensiven Mittelfeld sein Zuhause gefunden hat und 2019 jedes Länderspiel über die volle Distanz im Einsatz war, spielten sich defensiv vor allem Neuling Klostermann und Matthias Ginter in den Vordergrund, die beide im EM-Kader gesetzt sein dürften. Doch der Umbruch verlief nicht immer reibungslos: Mit Leroy Sane, Niklas Süle (beide Kreuzbandriss) und Antonio Rüdiger (Leistenverletzung) musste Löw Langzeitausfälle von drei eigentlich gesetzten Spielern hinnehmen. Zumindest Süle ist deswegen für die EM ein Wackelkandidat.

Wiederauferstehung und Rückschlag gegen Oranje: Das Länderspieljahr begann mit einem 1:1 in einem Freundschaftsspiel gegen Serbien, in dem die DFB-Elf eine Halbzeit lang überzeugte und eine Hälfte lang neben sich stand, was so etwas wie das Markenzeichen der Löw-Elf 2019 werden sollte. Vier Tage später gelang der jungen Mannschaft in der EM-Qualifikation ihr größter Coup des Jahres: in Amsterdam gewann man gegen starke Niederländer überraschend mit 3:2 – dank einer starken ersten Halbzeit und eines späten Tores von Nico Schulz. In den internationalen Medien war viel Lob zu lesen, die spanische AS sah sogar die "Wiederauferstehung Deutschlands". Diese hielt dann genau bis zum Rückspiel, in dem Oranje die DFB-Elf beim 2:4 in Hamburg teilweise an die Wand spielte. Immerhin: Es sollte in zehn Länderspielen 2019 die einzige Niederlage bleiben.

Serge Gnabry wurde 2019 zum Leistungsträger des DFB-Teams. (Bild: Getty Images)
Serge Gnabry wurde 2019 zum Leistungsträger des DFB-Teams. (Bild: Getty Images)

Schützenfeste dank Bayern-Duo: Trotz der meist fehlenden Konsistenz über 90 Minuten, was freilich typisch für eine Mannschaft ist, die sich selbst erst finden muss, gab es gegen Estland, Weißrussland und Nordirland (8:0, 4:0, 6:1) sogar drei Schützenfeste zu bewundern. Gegen die Nordiren knipste sich dann auch nochmal Serge Gnabry in den Vordergrund, der sein Torkonto mit einem Hattrick auf neun hochschraubte – und bei insgesamt 33 DFB-Treffern im Kalenderjahr beinahe für ein Drittel verantwortlich war. Zweitgefährlichster Schütze der Deutschen war übrigens Leon Goretzka mit fünf Treffern.

Verhaltenes Fazit: Trotz Umbruchs und einiger schwerwiegender Verletzungen neuer Führungsspieler zeigte die Mannschaft von Joachim Löw zumindest phasenweise wieder schönen, erfolgreichen Fußball und qualifizierte sich als Gruppenerster für die Europameisterschaft im kommenden Jahr. Nach dem fußballerischen Kollaps 2018 war das Balsam für die geschundene deutsche Fanseele. Dass Luft nach oben ist, vor allem angesichts dem EM-Endrunde, in der das DFB-Teams Stand jetzt eine Wundertüte wäre, weiß nicht nur Toni Kroos, der das Länderspieljahr 2019 passend zusammenfasste: "Ich würde am Ende des Jahres eine Zwei oder Drei geben, weil die Qualifikation an sich jetzt auch nichts Großes ist."

Alle DFB-Ergebnisse 2019

Datum

Heim

Gast

Ergebnis

20.03.2019

Deutschland

Serbien

1:1 (0:1)

24.03.2019

Niederlande

Deutschland

2:3 (0:2)

08.06.2019

Weißrussland

Deutschland

0:2 (0:1)

11.06.2019

Deutschland

Estland

8:0 (5:0)

06.09.2019

Deutschland

Niederlande

2:4 (1:0)

09.09.2019

Nordirland

Deutschland

0:2 (0:0)

09.10.2019

Deutschland

Argentinien

2:2 (2:0)

13.10.2019

Estland

Deutschland

0:3 (0:0)

16.11.2019

Deutschland

Weißrussland

4:0 (1:0)

19.11.2019

Deutschland

Nordirland

6:1 (2:1)