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Deutsche Gelb-Hoffnung: "Hauptsache wir haben eine Tour"

John Degenkolb erschien den versammelten Journalisten nur per Bildschirm im Kinosaal des Pressezentrums, André Greipel beantwortete per Videoschalte aus dem nahen Teamhotel Fragen zu Form und Zielen.

Die Tour de France ist in Nizza angekommen - doch die Fahrer sind in Corona-Zeiten weit entfernt. Von den Berichterstattern, und auch von den Fans. Frankreich-Rundfahrt hautnah - dieses Gefühl wird in den nächsten Wochen vielen fehlen. (Alle Etappen der Tour de France im LIVETICKER)

"Wenn du die Chance hast, die Tour de France zu fahren, ist das immer etwas Besonderes", sagte Degenkolb kurz vor dem Tour-Start an der Côte d'Azur, die während der Pandemie als Risikogebiet gilt. Und Sprint-Routinier Greipel meinte: "Es ist immer großartig, hier zu sein."

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Großartig, das kann diese Tour immer noch werden. Besonders, das wird sie in jedem Fall. Ob auch im guten Sinne, das war bei schönstem Sommerwetter in Nizza noch nicht absehbar.

In der malerischen Mittelmeer-Metropole herrscht vor Tour-Beginn eine Stimmung, die so sonderbar ist, wie die Tour im Coronajahr 2020 selbst werden dürfte. Normalerweise ist die Grande Boucle ein Volksfest für jedermann, sie lebt davon, unmittelbar erlebbar und anfassbar zu sein, was auch für ihre Hauptakteure gilt. Nun gilt: maximal schauen, möglichst aus der Ferne, bloß nicht berühren!

Buchmann: "Andere Stimmung, nicht so ausgelassen"

"Durch die Renn-Blase erwarten wir, keine externen Kontakte zu haben", sagte Bora-Teamchef Ralph Denk. Die Teamhotels, die Teambusse, vor denen sich in Normalzeiten Dutzende, bei Ineos/Sky auch Hunderte Fans drängten und ihren Idolen auf die Schultern klopften, Selfies und Autogramme sammelten, werden jetzt akribisch abgeschirmt. Die Tour wird zum Fernerlebnis, volle Distanz, 3484 km lang.

Von einer "anderen Stimmung, nicht so ausgelassen", sprach Bora-Star Emanuel Buchmann gegenüber dem SID. Das gilt für die Zuschauer, aber auch für die Fahrer und ihr Personal: Noch nie standen sie abseits der Etappen derart unter Druck wie bei dieser Tour.

Sie alle kennen die Regel, die mit ihrer Konsequenz wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebt: Zwei positive Tests in einem Team, das war's dann. Zwei unbedarfte Betreuer beispielsweise, die sich das tückische Virus einfangen, könnten im Extremfall Buchmann den Toursieg kosten.

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Die Teams haben sich mit dem harten Kurs der Veranstalter abgefunden, tragen ihn mit. "Die Blase muss sauber bleiben. Wenn man die Blase nicht sauber halten kann, dann wird die französische Regierung das Event stilllegen", sagte Iwan Spekenbrink, Manager der deutsch lizenzierten Sunweb-Mannschaft.

Strenge Corona-Regeln

Und so bewegen sich alle Fahrer aller Teams bis zum 20. September von Blase zu Blase, jeden Tag nach striktem Plan: In den Hotels von Nizza und anderswo werden sie in getrennten Etagen und Speisesälen abgeschirmt, trainieren unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, werden per Teambus zum abgesperrten Startbereich gebracht und nach der Etappe, auf der Zuschauerkontakt am schwierigsten zu verhindern ist, im Zielbereich wieder in Empfang genommen und ins Hotel gebracht.

Dort ist der ansonsten zur Zerstreuung willkommene und gern gesehene Besuch von Familie und engen Freunden diesmal ein Tabu, besonders für Familienmenschen wie Greipel eine harte Zeit, diese Tour in Coronazeiten ist eine sterile Angelegenheit. "Aber", sagt Buchmann: "Hauptsache wir haben eine Tour."