Dieser Deutsche kann die Laufwelt aus den Angeln heben

Als der deutsche Läufer Mohamed Mohumed vor knapp zwei Wochen bei einem kleinen Sportfest im niederrheinischen Sonsbeck nach 1500 Metern über die Ziellinie lief, ließ sich erahnen, dass die deutsche Läuferszene demnächst aus den Fugen geraten könnte.

3:38,83 Minuten wurden für den erst 21 Jahre alten Mittel- und Langstreckenspezialisten gestoppt - es ist die zweitschnellste Zeit, die 2020 in Europa gelaufen wurde. Und auch wenn Corona nur wenige Wettkämpfe zuließ, ist die Botschaft klar: Da hat jemand ein kräftiges Ausrufezeichen vor den Deutschen Meisterschaften gesetzt, die am Samstag und Sonntag in Braunschweig über die Bühne gehen.

Mohumed, bislang nur Insidern der Szene bekannt, soll aber nicht nur national durchstarten – der selbstbewusste Läufer hat ganz andere Pläne. "Ich träume auf jeden Fall von einer Olympiamedaille", sagt der in Deutschland geborene Leichtathlet bei SPORT1 - wenn auch noch nicht in Tokio 2021.

Dass sich Mohumed tatsächlich eines Tages in der Weltelite etablieren könnte, davon ist auch sein Trainer Pierre Ayadi überzeugt. "Seitdem ich Mohamed trainiere, geht er konsequent den Weg, den er gehen muss, um ein absoluter Weltklasseläufer zu werden", sagt der Coach bei SPORT1. "Das ist immer ein langer Weg, bei dem man keine Abkürzungen gehen kann."

Vom Fußball zur Leichtathletik

Eine Abkürzung wollte Mohumed in seinem Sportlerleben bislang nur einmal nehmen, sah seinen Fehler aber schnell ein. "Am Anfang habe ich mich vielleicht ein bisschen auf meinem Talent ausgeruht", gesteht er. "Ich war zwar immer zielstrebig, aber wenn man so früh schon so erfolgreich ist, dann denkt man sich ‚vielleicht muss ich doch nicht so viel trainieren‘. Aber das hat sich nach kurzer Zeit geändert, die Einsicht kam sehr schnell."

Es war der Zeitpunkt, als er im Alter von 15 Jahren noch von der Fußballkarriere träumte und mit seinem damaligen Verein DJK VfL Willich um den Aufstieg in die Niederrhein-Liga kämpfte – und diesen knapp verpasste.

"Ich war enttäuscht und wollte etwas anderes ausprobieren – zumal in der Schule die Lehrer schon früh gesehen haben, dass ich gut laufen kann. Bei den Statdtmeisterschaften und Bundesjugendspielen habe ich immer die 1000 Meter gewonnen, ohne dafür zu trainieren", erzählt Mohumed.

Der damalige Teenager ließ es also nur kurz schleifen und trainierte spätestens dann wieder konsequent, als ihn sein jetziger Trainer nach Dortmund holte. Dort konnte er das Gymnasium durchziehen und nebenbei an seiner sportlichen Karriere arbeiten.

Trainer Ayadi schwärmt von Mohumed

Zugute kommt Mohumed, dass sich mit Steffen Baxheinrich und Elias Schreml weitere hochtalentierte Läufer ähnlichen Alters in seiner Trainingsgruppe befinden, die sich untereinander zu Höchstleistungen treiben.

"Es gab immer wieder Momente, wo ich mich kneifen musste, dass das jetzt gerade wirklich passiert ist", erzählt Trainer Ayadi voller Stolz. "Und glücklicherweise geht es auch so weiter. Es ist alles darauf ausgerichtet, dass wir Athleten haben, die Weltklasse sein werden. Mohamed ist mit Sicherheit einer von denen, die viel mitbringen, damit das auch klappt."

Aus deutscher Sicht lässt sich jedenfalls hoffnungsvoll feststellen: In Dortmund wird gerade an einem echten Laufwunder gearbeitet.

Im besten Fall soll sich Ayadis Trainingsgruppe in den kommenden Jahren als Medaillenschmiede für den DLV erweisen, der in den letzten beiden Jahrzehnten auf den Mittel- und Langstreckendistanzen der Weltelite hinterhergehinkt ist.

Schritt für Schritt in die Weltspitze

Dieter Baumanns Olympiasieg 1992 in Barcelona über 5000 Meter war das letzte große internationale Ausrufezeichen eines deutschen Langstreckenläufers – gefühlt eine Ewigkeit her.

Zumindest mittelfristig ist den Athleten der LG Olympia Dortmund durchaus zuzutrauen, den Sprung ganz nach oben zu schaffen. "Wir haben eine Trainingsgruppe mit vier, fünf Jungs auf solch einem hohen Niveau zusammen, das es sonst in Deutschland nicht gibt", schwärmt Ayadi.

Mohamed Mohumed, dessen 17 Jahre alter Bruder Yassin ebenfalls auf dem Sprung in die nationale Elite ist, scheint derzeit die besten Aussichten zu haben, sich den Traum vom Sprung in die Weltspitze tatsächlich erfüllen zu können.

"Zunächst will ich 2021 bei Olympia teilnehmen, was kein Selbstläufer ist", erklärt er. "Wenn man die Norm von 13:13,00 Minuten über 5000 Meter erreicht hat, ist das eine Hausnummer, da ist man schon gut dabei. Dann heißt es für mich, erst einmal Erfahrungen sammeln und sich Stück für Stück verbessern."

Nahziel: Medaille bei der DM

Als sein Vorbild hat Mohumed den vielfachen Olympiasieger und Weltmeister Mo Farah auserkoren, der aus dem Somaliland stammt – genau wie seine Eltern. Ehrfürchtig blickt er aber auch zu Konstanze Klosterhalfen, die die jahrzehntelange Dürre auf der Mittel- und Langstrecke bei den deutschen Frauen mit ihrer WM-Bronzemedaille in Doha 2019 beendete.

"Sie ist auf jeden Fall ein Vorbild. Natürlich habe ich die Genetik eines Afrikaners, aber ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Bei Konstanze ist es toll zu verfolgen, dass man auch als Europäer vorne mitmischen kann, wenn man zielstrebig genug ist."

Am heutigen Samstag um 17.45 Uhr will Mohumed bei der Deutschen Meisterschaft über 5000 Meter den Beweis antreten, dass in den nächsten Jahren mit ihm zu rechnen ist. "In der Halle habe ich im Winter die Medaille um eine hundertstel Sekunde verpasst, deswegen will ich jetzt in Braunschweig aufs Treppchen", gibt er das Ziel aus.

Es soll nur ein kleiner Zwischenschritt auf dem Weg in die Weltspitze sein.