Deutsche Rad-Hoffnung bekommt die Chance ihres Lebens

Deutschlands Radprofis sorgten in diesem Jahr für einige Highlights. Der vierte Platz von Emanuel Buchmann bei der Tour de France sticht dabei besonders hervor. Aber auch Fahrer wie Pascal Ackermann oder Lennard Kämna haben von sich Reden gemacht.

Einer, der auch in diesen Kreis vorstoßen möchte ist Jannik Steimle. Der 23-Jährige aus Weilheim an der Teck sorgte bei der Österreich-Rundfahrt für Aufsehen, als er sich zwei Etappensiege sicherte - der größte Erfolg seiner bisherigen Laufbahn als Radprofi.

Deutscher bei Quick Step: dem "besten Team der Welt"

Insgesamt sammelte Steimle zehn Siege in diesem Jahr. Die Leistungen des Schwaben, der noch bis zum Saisonende beim Team Vorarlberg (Continental-Niveau) unter Vertrag steht, haben auch die Topteams auf den Plan gerufen. So fährt Steimle seit dem 1. September als sogenannter Stagaire für das Team "Deceuninck-Quick Step". Dort stehen unter anderem Tour-Überraschung und Superstar Julian Alaphilippe, Ex-Weltmeister Philippe Gilbert und Nachwuchshoffnung Enric Mas unter Vertrag.

"Ich werde ab 1. September sieben oder acht Renneinsätze bekommen, trainieren werde ich aber größtenteils alleine. Abschließend muss ich noch ein paar Tests absolvieren. Im Endeffekt ist es vergleichbar mit einem Probetraining bei einem Fußballverein", schildert der 23-Jährige im Gespräch mit SPORT1 den Ablauf des Engagements beim nicht nur selbsternannten "besten Team der Welt". Erster Einsatz für ihn sind die Brussel Classics an diesem Wochenende.

Dass es überhaupt zu einem Engagement als Stagaire kam, kam für Steimle "völlig überraschend". Er erklärt: "Ich habe damit gar nicht gerechnet, in diesem Jahr noch als Stagaire zu fahren, sondern direkt irgendwo zu unterschreiben."

Mit diesem Vertrag gehe für ihn "ein Kindheitstraum" in Erfüllung: "Die Zeit dort werde ich auf jeden Fall mitnehmen und genießen".

Steimle: "Keiner, der in der zweiten oder dritten Reihe steht"

Trotz aller Euphorie ist Steimle aber auch Realist. "Man ist auf die Rennen beschränkt, wo man Einsätze bekommt. Dort muss man abliefern."

Sollte Steimle sich als Stagaire für einen festen Vertrag bei Quick Step empfehlen, sieht er aber ein Problem für sich: "Wie schnell ist man dort bei den großen Rennen dabei? Ich bin kein Fahrertyp, der in der zweiten oder dritten Reihe steht, sondern will relativ schnell im nächsten Jahr an das aktuelle anknüpfen."

Trotzdem sei das Engagement bei Quick Step "eine Chance für die Zukunft. Das Team hat einen auf dem Schirm und nach der Stagaire-Zeit stehe ich bei ihnen noch mehr im Fokus als zuvor."

Steimle ist überzeugt, sobald er im kommenden Jahr "ein, zwei Ergebnisse" abliefere wird Quick Step ohnehin wieder kommen, "weil sie mich bereits kennen."

Der 23-Jährige hat nach SPORT1-Informationen für die kommende Saison bereits eine mündliche Zusage von zwei anderen Teams, darunter auch ein Team aus der ersten Liga des Radsports, und ist daher nicht auf ein Angebot des belgischen Spitzenteams angewiesen. Dennoch würde er sich "ein wenig ärgern", falls ihm Quick Step einen Vertrag anbietet, gesteht Steimle.

Schlüsselbeinbruch sorgt für Radkarriere

Dass der Schwabe überhaupt Radprofi wurde, hat er einem gebrochenen Schlüsselbein zu verdanken.

"Ich bin früher gerne Ski gefahren, dabei hatten wir im Sommer immer Ausdauertraining auf dem Rad. Bei der zweiten oder dritten Ausfahrt auf dem Mountainbike habe ich mir dann das Schlüsselbein gebrochen, habe aber so einen Ehrgeiz entwickelt, dass ich dabeibleiben wollte", erzählt Steimle.

Seine ersten Rennen bestritt er auf dem Mountainbike. Lange Zeit war er lediglich als Amateur bei regionalen Rennen unterwegs, bevor er 2016 seinen ersten Profivertrag beim Team Felbermayer Wels (Continental-Niveau) unterzeichnete. Dort wurde er dann vom Team Vorarlberg entdeckt, die ihn 2018 unter Vertrag nahmen.

Seine Stärken charakterisiert Steimle so: "Die Klassiker in Belgien und Frankreich sind mein favorisiertes Terrain, wo ich mich auch wohlfühle. Und am Ende ein Sprint aus einer kleineren Gruppe heraus."

Er sei weder "ein richtiger Sprinter" noch ein "richtiger Bergfahrer", betont er.

Die Frühjahrsklassiker wie Paris-Roubaix oder das Amstel Gold Race liegen Steimle besonders am Herzen, denn "das sind die Rennen, wo an einem Tag X alles passen muss."

Doping? "Für niemanden die Hand ins Feuer legen"

Leider spielt im Radsport auch das Thema Doping immer noch eine Rolle. "Ich glaube und hoffe, dass der Radsport sauberer geworden ist, aber ich würde trotzdem für niemanden die Hand ins Feuer legen", erklärt Steimle.

Vor allem bei den Gesamtklassementsfahrern der großen Rundfahrten sei es "manchmal schwer zu glauben", dass diese nicht dopen, führt er aus.

"Am Ende sind das zwei oder drei Prozent der Leistung, doch gerade diese entscheiden über Platz eins oder Platz vier."

Steimle sieht die Ursache für Doping in den Budgets der Teams: "Ein Problem ist aber sicherlich, dass die Top-Teams viel Geld zur Verfügung haben und dies auch zu großen Teilen in Entwicklung und Forschung im medizinischen Bereich stecken, während die WADA und NADA nicht über dieses Budget verfügen."

Der Radprofi äußert aber auch Zuversicht im Doping-Kampf: "Wenn ich sehe, wie viel Kontrollen ich in diesem Jahr - allein bei der Österreich-Rundfahrt drei Kontrollen in sieben Tagen - schon hatte, stellt sich die Frage, wie und wann man was nehmen soll, ohne erwischt zu werden?"

Doch nun liegt für Steimle der Fokus auf dem Stagaire-Job bei Quick Step, wo er sich weiter ins Rampenlicht katapultieren kann.

"Ich hätte nie gedacht, dass es so stressig wird, wenn man erfolgreich ist", zeigt er sich überrascht. Aber weiteren "Erfolgsstress" wird er sicherlich gerne in Kauf nehmen, um möglicherweise schon bald zur Riege der deutschen Top-Fahrer zu gehören.