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Wimbledon: Deutsches Duell endet als Nervenkrimi

Tatjana Maria. (Bild: Zac Goodwin/PA Images via Getty Images)
Tatjana Maria. (Bild: Zac Goodwin/PA Images via Getty Images)

Tatjana Maria ließ den Schläger fallen, schlug die Hände vor den Mund, und als sie Jule Niemeier am Netz in den Arm fiel, kamen ihr die Freudentränen.

Nach einem anfangs nervösen, am Ende dramatischen und emotionalen Viertelfinale trennen sich die Wege der beiden deutschen Wimbledon-Überraschungen. Maria spielt nach ihrem nächsten Comeback am Donnerstag um den Einzug ins Finale, Niemeier reist nach ihrem denkwürdigen Debüt im All England Club und dem bislang größten Erfolg ihrer jungen Karriere nach Hause.

Maria verwandelte nach 2:18 Stunden ihren ersten Matchball zum 4:6, 6:2, 7:5, in ihrer Box jubelte Ehemann Charles Edouard, die Töchter Charlotte (8) und Cecilia (1) dürften kleine Stars in der Kinderbetreuung im Trainingspark gewesen sein. Ihre Mama im Halbfinale des bedeutendsten Tennisturniers der Welt: Damit hatte niemand gerechnet.

Im Alter von 34 Jahren, nur 15 Monate nach der zweiten Geburt, spielt Maria als insgesamt fünfte Deutsche um den Einzug ins Wimbledonfinale. Steffi Graf hatte hier den Titel siebenmal gewonnen, Angelique Kerber 2018 triumphiert, Sabine Lisicki 2013 das Endspiel erreicht, und auch Julia Görges war vor vier Jahren ins Halbfinale vorgestoßen.

Niemeier startet stark - Maria kommt schwer ins Spiel

Nun also Maria - und nicht Jule Niemeier, die als leichte Favoritin galt. Und zu Beginn sah es tatsächlich so aus, als könne sie ihre wundersame Reise fortsetzen. Marias gefürchteter Slice, dieser eklige Unterschnitt, der ihre namhaften Gegnerinnen zuvor zur Verzweiflung gebracht hatte, sprang nicht so scharf ab wie gewohnt, und obwohl Niemeier etliche Doppelfehler servierte, lief Maria im ersten Satz einem frühen Break vergeblich hinterher.

Tatjana Maria (links) und Jule Niemeier. (Bild: Ryan Pierse/Getty Images)
Tatjana Maria (links) und Jule Niemeier. (Bild: Ryan Pierse/Getty Images)

Erst mit ihrem zweiten Aufschlagverlust fand sie ins Match und drehte einen 0:1-Rückstand in eine 4:1-Führung. Comeback-Qualitäten hatte Maria auch nach ihren beiden Schwangerschaften bewiesen. „Ich habe immer dran geglaubt, dass ich es schaffen kann“, sagte sie vor dem Match: „Es ist egal, wie alt du bist, oder wie viele Kinder du hast. Wenn du an dich selbst glaubst, kannst du es schaffen.“

Maria startet das Comeback

Mit dieser Einstellung hatte sie im Achtelfinale die frühere French-Open-Siegerin Jelena Ostapenko rausgeworfen, obwohl sie deutlich zurücklag und nur einen Punkt vom Aus entfernt war. Auch gegen Niemeier kämpfte sie sich zurück und schaffte den Satzausgleich. Triumphierend drehte sie sich in Richtung ihrer Box, Niemeier schlich zu ihrer Bank. Sie hatte die Kontrolle verloren, immer weniger funktionierte.

Dabei hat sie viele Optionen in ihrem Spiel, Trainer Kas schwärmte von den „Jule-Niemeier-Sachen“, die man nicht lernen könne. Serve-and-volley gehört dazu, die feine Klinge mit exakten Stopps, aber auch eine krachende Vorhand. All das zeigte sie immer wieder, aber auch Nerven. Maria holte im dritten Satz nach 2:4 wieder auf - und kann dank ihrem Kämpferherz weiter vom Titel träumen.

Niemeier verdoppelt ihr Preisgeld

Niemeier darf sich mit 310.000 Pfund Preisgeld trösten, sie verdoppelt damit ihre bisherigen Einnahmen. Punkte für die Weltrangliste bekommt sie nicht, die waren dem Turnier nach dem Ausschluss russischer und belarussischer Spielerinnen und Spieler entzogen worden.

Für das Hauptfeld bei den US Open braucht die Nummer 97 im Ranking daher in den kommenden Wochen gute Ergebnisse. Ihr überraschender Lauf in Wimbledon dürfte Niemeier das Selbstvertrauen dafür geben.

Im Video: Lloyd: Das sind meine Wimbledon-Favoriten