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Deutsches WM-Debakel im Freiwasserschwimmen

Angela Maurer konnte über 25 Kilometer nicht an den Start gehen

Kurz nachdem sein Wecker geklingelt hatte, wusste Stefan Lurz schon, dass das Freiwasser-Debakel im Plattensee perfekt war. Die letzte WM-Medaillenhoffnung Angela Maurer hatte sich in der Nacht mehrfach übergeben, berichtete ihr Ehemann dem Bundestrainer am Telefon.

"Ich bin rüber in ihr Zimmer, sie war in Tränen ausgebrochen", sagte Lurz. Ohne die 41 Jahre alte Ex-Weltmeisterin gingen die deutschen Schwimmer auch auf den abschließenden 25 Kilometern leer aus.

"Jetzt kommt auch noch Pech dazu", meinte der Bundestrainer nach dem schlechtesten Abschneiden in der WM-Geschichte frustriert, "vorher war Unvermögen dabei. Hier kommmt alles zusammen."

Bittere Premiere

Erstmals, seit mehr als eine Freiwasser-Distanz bei Weltmeisterschaften geschwommen wird, blieben die erfolgsverwöhnten deutschen Langstreckler ohne Edelmetall. Die einstigen Vorschwimmer, die mit Rekordweltmeister Thomas Lurz lange die Szene beherrschten, sind aus der Weltspitze herausgefallen.

"Das einzig Positive ist der Hallo-Wach-Effekt", sagte Lurz, "wir können nicht so weiterwurschteln." Der Chefcoach räumte auch eigene Fehler ein: "Wir haben uns in den letzten Jahren hinter unseren Topleuten versteckt und den Nachwuchs vernachlässigt."

Vor allem sein Bruder Thomas schwamm Jahr für Jahr aufs Podest, wurde zwölfmal Weltmeister, sammelte 33 internationale Medaillen. Nach dessen Rücktritt vor zwei Jahren kam der befürchtete Einbruch nicht sofort bei der WM in Kasan, sondern erst jetzt mit Verspätung.

Hoffnungsträger enttäuschen

Die vier Medaillen 2015 in Russland hatten auch den Bundestrainer geblendet. "Da hatten wir Glück", gab Stefan Lurz zu, "da hätten wir nicht die rosarote Brille aufsetzen dürfen. Durch die Euphorie haben wir ein, eineinhalb Jahre verloren. Das fällt uns jetzt auf die Füße."

Nachdem sich nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auch noch die zweimalige Teamweltmeisterin Isabelle Härle verabschiedet hatte, blieb die nächste Generation um die Hoffnungsträger Finnia Wunram (21) und Rob Muffels (22) in Ungarn vieles schuldig.

"Die Geschwindigkeit ist da, aber wir brauchen Rennen, wir brauchen Erfahrung", befand Lurz, der sich bereits vor dem WM-Abschluss mit den Heimtrainern zur Krisensitzung getroffen hatte. Erste Bilanz der Gespräche: Alle Kandidaten für Olympia 2020 sollen ab sofort vermehrt Weltcups und Europacups schwimmen und mehr draußen trainieren.

Gold an Brasilien und Frankreich

Zu Wunram und Muffels soll möglichst schnell der 19-jährige Florian Wellbrock stoßen, der bei dieser WM noch über 800 und 1500 m Freistil im Becken an den Start geht.

Am letzten Tag der Wettbewerbe vor Balatonfüred schwammen die Deutschen ohne Maurer wie erwartet hinterher: Sarah Bosslet wurde 14., Andreas Waschburger Zehnter und Sören Meißner Elfter. Gold ging an die brasilianische Titelverteidigerin Ana Marcela Cunha und den Franzosen Axel Reymond.

Maurer hatte sechs Tage vor ihrem 42. Geburtstag nach ihrer 13. WM-Medaille bei ihrer 15. Weltmeisterschaft greifen wollen. Doch ihr Körper spielte nicht mit. "Es hätte keinen Sinn gemacht, an den Start zu gehen", sagte Lurz.