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Wird ER Deutschlands neuer Schwimmheld?

Wird ER Deutschlands neuer Schwimmheld?
Wird ER Deutschlands neuer Schwimmheld?

Die ersten Jahre seines Lebens wuchs Henning Mühlleitner in Ghana auf. Er fing nach eigener Aussage Schlangen und zerschlug Skorpione.

Seit Samstag ist der 24-Jährige urplötzlich der große Hoffnungsträger auf die erste deutsche Olympia-Medaille in Tokio.

Über 400 Meter Freistil schockte Mühlleitner im Vorlauf die gesamte Konkurrenz und zog als Schnellster ins Finale (Sonntag um 3.52 Uhr im Liveticker) ein. Dort kann der Student der Wirtschaftsinformatik die lange Durststrecke der deutschen Beckenschwimmer nach zwei Olympischen Spielen ohne Medaillen beenden.

„Bringt ein bisschen Druck rein“

Doch nun muss er vor allem seine Nerven in den Griff bekommen. „Auf Bahn vier zu schwimmen, bringt natürlich ein bisschen Druck rein“, sagte Mühlleitner im ZDF: „Im ersten Moment habe ich mich riesig über die Zeit gefreut. Jetzt muss ich mal schauen, wie sich das organisieren lässt heute Nacht, bis man in die Mensa kommt und was essen kann, runterkommen kann. Das zieht sicherlich noch ein paar Körner, und dann muss man auch möglichst schnell einschlafen, um morgen wieder angreifen zu können.“

Nach dem Paukenschlag im Vorlauf ist Mühlleitner nun jedoch alles zuzutrauen. Nach einigen Rückschlägen scheint bei ihm der Knoten – ausgerechnet bei Olympia - endgültig geplatzt zu sein.

Rückschläge und neue Umgebung

Vor drei Jahren bei der EM in Glasgow war Mühlleitner mit Bronze der internationale Durchbruch gelungen, auf die WM ein Jahr später musste er wegen einer Knie-Operation und einer anschließenden rätselhaften Bakterienerkrankung verzichten. Jetzt trainiert er in Neckarsulm mit dem Australier Matthew Magee, der „eine neue Trainingsphilosophie in die Gruppe reingebracht hat“, wie Mühlleitner betont.

Die quälende Unsicherheit, ja gar die Angst, die von sich geforderte Leistung im entscheidenden Moment nicht abrufen zu können, ist seitdem einer gewissen Entspanntheit gewichen. Matt Magee plant und organisiert mit Weitblick, Mühlleitner vertraut ihm und schwimmt einfach. „Das hat mir extrem viel Sorge genommen“, sagt er.

Wellbrock jubelt auf der Tribüne

In Tokio war Mühlleitner nur ins Feld gerückt, weil Deutschlands eigentlicher Schwimmstar Florian Wellbrock über 400 Meter Freistil auf einen Start verzichtet hatte. Mühlleitners 3:43,67 Minuten bedeuten die drittschnellste Zeit dieses Jahres. Als einziger Deutscher war Paul Biedermann, der von seinem WM-Triumph 2009 immer noch den Weltrekord (3:40,07) hält, jemals schneller als Mühlleitner - und das auch damals nur im längst wieder verbotenen Schwimmanzug.

Während sich Mühlleitner nach dem Anschlag fast ungläubig die Badekappe vom Kopf zog, hob es Wellbrock auf der Tribüne förmlich aus seinem Sitz, der Doppel-Weltmeister sprang jubelnd auf. Mühlleitner hat in wenigen Minuten eine riesige Hoffnung entfacht.

Unbeschwerte Kindheit in Ghana

Dabei verbrachte er seine Kindheit weitab von jeglichem Leistungs- und Zeitendruck. Er wuchs auf in Sunyani in Ghana, sein Vater war und ist in der Entwicklungshilfe tätig. Frühmorgens schlich er mit Flipflops zum Nachbarn und kam abends „komplett rot vom ganzen Sand und Dreck“ nach Hause. Es waren unbeschwerte Jahre – auch wenn es in der Vorschule „Schläge mit dem Stock gab, wenn man nicht aufpasste“.

Seine Eltern ließen ihn ohne großen Druck aufwachsen. „Ich bin froh darüber, dass mein Vater oder meine Mutter nicht mit der Stoppuhr in der Hand am Beckenrand standen“, erzählte Mühlleitner zuletzt bei swim.de. Seine Eltern seien zwar immer sehr interessiert gewesen, aber „sie konnten mit den Zeiten überhaupt nichts anfangen. Das musste ich immer erklären.“

Das dürfte sich ändern, wenn Mühlleitner am Sonntag tatsächlich eine Medaille gewinnen sollte.

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