Die Zukunft des DFB: Löw und Bierhoff - es kann wohl nur einen geben

Große Einschnitte kündigten die DFB-Granden im Anschluss an das historische Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der WM in Russland an. Doch was wird und sollte sich konkret tun? Klar ist: es müssen auch große Köpfe rollen.

Joachim Löw und Oliver Bierhoff – kann es nur einen geben?
Joachim Löw und Oliver Bierhoff – kann es nur einen geben?

Um eine Katastrophe auf- und vor allem zu verarbeiten bedarf es klarer Schnitte und radikaler Schritte. Wer beim DFB möchte, der darf da gerne beim FC Bayern nachfragen. Der erlebte sein großes Desaster 2012, als man das Finale dahoam, das Endspiel in der Champions League gegen den FC Chelsea, trotz einer lachhaft großen Überlegenheit im Elfmeterschießen verlor.

Der Verein, eines dermaßen großen Traumes beraubt, lag am Boden. Im Kollektiv. Und als sich Schock und Enttäuschung über das Endspiel langsam verzogen hatten, da kamen andere, fast noch erdrückenderer Gedanken: Wie bringt man einen ganzen Verein aus einem dermaßen tiefen Loch? Wie soll diese Mannschaft jemals wieder ein wichtiges Spiel gewinnen? Wie weitermachen – nachdem so etwas passiert ist?

Der FC Bayern hat es geschafft, dank einer Willensleistung. Trainer Jupp Heynckes blieb, die Führungsspieler standen wieder auf, hungriger als zuvor. Es gab personelle Einschnitte: Sportdirektor Christian Nehrlinger musste gehen, mit Matthias Sammer kam einer der größten Fußballexperten des Landes. Der sonst das Festgeldkonto beschwörende, aber beinahe im Stil eines Dagobert Duck knausrige Uli Hoeneß kaufte mit Javi Martinez den teuersten Spieler der Vereinsgeschichte, setzte Starstürmer Mario Gomez Mario Mandzukic vor die Nase.

Ein Jahr später gewannen die Bayern die Champions League. Im Finale auch dank Mandzukic, im Finale hauptsächlich dank Martinez.

Joachim Löw: “Wir sind am Boden”

Gut sechs Jahre später durchlebt die deutsche Nationalmannschaft ein großes Trauma, ja fast schon eine Tragödie. “Wir sind am Boden”, hatte Bundestrainer Joachim Löw gesagt nach der Heimkehr aus Russland, wo man sang- und klanglos ausschied in der Vorrunde der WM. Als Gruppenletzter, hinter Schweden, Mexiko, Südkorea. Das hatte es in der Geschichte des deutschen Fußballs noch nie gegeben.

Dem DFB stellen sich jetzt die gleichen Fragen wie den Bayern damals. Wie macht man nun weiter? Zu erst einmal nicht wie bisher, das ist den Führungsköpfen beim DFB klar. Sie alle, Löw, Manager Oliver Bierhoff und Präsident Reinhard Grindel hatten unmittelbar nach dem Aus Einschnitte angekündigt – große Einschnitte. “Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen, und da müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun”, sagte Löw.

Doch wie werden diese Maßnahmen aussehen? Ohne personelle Veränderungen wird es nicht gehen, und die werden grob ausfallen. Die Frage “Löw oder Bierhoff?” scheint zunächst die akuteste zu sein. Es braucht nicht mehr als die Szene im Anschluss an das Spiel gegen Schweden (2:1), als Bierhoff jubelnd mit offenen Armen auf Löw zuging – und dieser sich einfach abdrehte. Das Verhältnis der langjährigen Weggefährten ist angespannter denn je.

Schuld daran soll auch die von Bierhoff durchgesetzte Wahl von Watutinki als WM-Quartier sein, das von allen Seiten harsch kritisiert worden war. Für die kommende Woche wurden eine Aussprache und Analysen angekündigt. Löw und Bierhoff werde da genau ausloten, ob man das Verhältnis wieder auf eine konstruktive Ebene hieven kann. Und vor allem, ob man das überhaupt sollte. Nichts würde so gegen die angekündigten Reformen gehen, als mit der exakt gleichen sportlichen Führung weiterzumachen. Als wäre nichts gewesen.

Dabei mag einem der erste Reflex diktieren, dass der Coach gehen muss. Doch Löw hat nicht nur die Rückendeckung eines Großteils der Mannschaft, sondern auch des Präsidiums. “Im gesamten Präsidium hat Einigkeit darüber bestanden”, gab Vize-Präsident Rainer Koch zu Protokoll, “dass sich an der Situation nichts geändert hat im Vergleich zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung. In jedem Fall, egal ob Weltmeister oder bei einem Aus in der Vorrunde, ist der bisherige Trainer Joachim Löw für einen Umbruch der Richtige.”

Bierhoff dagegen rutscht immer mehr in den Fokus der Kritik. Weil dieser aalglatte, durchvermarktete und kühle DFB sein Werk ist und mit seinem Gesicht verknüpft ist. Und weil sich so langsam die Frage aufdrängt, wie gut Bierhoff seine Jobs eigentlich ausführen kann. So ist der EM-Sieger von 1996 nicht nur Manager der Nationalmannschaft, sondern für den kompletten Elitebereich verantwortlich, dazu soll er als DFB-Direktor der Verantwortliche für die neue Akadamie an der Frankfurter Galopprennbahn sein. Verantwortlicher für 120 Mitarbeiter dort – alles in Teilzeit, von seinem Wohnort am Starnberger See aus?

Auch auf Kader-Ebene muss ein Einschnitt spürbar sein

Die Frage nach den Spielern ist die zweite große, vielleicht sogar die schwierigere, weil sie auch stark damit verknüpft ist, welche Ausrichtung die Granden in ihren Analysen jetzt aushecken. Soll die EM in zwei Jahren ein Übergangsturnier werden, in dem eine neue Generation herangeführt wird? Quasi ein glorifizierter Confed Cup, um dann bei der kommenden WM – sofern die Rechnung aufginge – eine neue, hungrige Truppe mit Titelchancen zu haben?

Oder soll die Schmach möglichst schnell wieder ausgebügelt werden? Dann würde der ganz radikale Schnitt innerhalb des Kaders wohl ausbleiben und Spieler wie Jerome Boateng, der bereits angekündigt hat, weiterzumachen, “solange niemand auf mich zukommt und mir sagt, dass alles ganz neu sein soll und überhaupt nicht mehr mit mir geplant wird”, noch im Team bleiben.

An manchen personellen Veränderungen wird das DFB-Team aber ohnehin nicht vorbeikommen. Mario Gomez ist ein Kandidat, der aufgrund seines Alters wohl zurücktreten wird. Auch Sami Khedira, der seinen Leistungszenit allem Anschein nach zumindest in der Nationalelf schon überschritten hat, könnte aufhören, oder Mesut Özil, der nach der Erdogan-Affäre als Buhmann herhalten muss und bei dem weitere Auftritte mit dem Adler auf der Brust gerade unwahrscheinlich scheinen. Auch Toni Kroos, der von Real verwöhnte und ob zahlreicher Titel wohl satteste Spieler im Kader, hatte zuletzt Andeutungen gemacht, sich über seine DFB-Zukunft noch nicht sicher zu sein.

Nicht zuletzt muss nach dem Desaster auch auf Kader-Ebene ein Einschnitt spürbar sein. Verdiente Spieler, Weltmeister hin oder her.

Sonst ist die Gefahr groß, dass aller Revoluzzer-Ansagen zum Trotz alles doch irgendwie weiterläuft wie bisher. Und das war offensichtlich zu lange der Fall. “Selbstherrlichkeit” war ein Wort, das in der bisherigen Aufarbeitung des verheerenden Auftritts fiel. Ein passendes Wort, so hat man sich beim DFB vier Jahre lang auf der Tatsache ausgeruht, Weltmeister zu sein. Dabei reichten die gezeigten Vorstellungen, um einen Großteil der Spiele irgendwie zu gewinnen und dabei die Weltrangliste weiter anzuführen. Das war schön, aber auch blendend. Oder um es mit Mats Hummels direkt nach der Pleite gegen Südkorea zu sagen: “Das letzte überzeugende Spiel von uns war im Herbst 2017. Das ist ein bisschen lang her.”

Neuer Posten für Rangnick, Lahm oder Sammer?

So sollte man sich beim DFB auch Gedanken über mögliche Impulse von außen machen und ob der aktuelle Staff nicht über- und fehlbesetzt ist. Ob beispielsweise Löws Co-Trainer Thomas Schneider und Marcus Sorg in Sachen Reputation und Charakter wirklich für Auf- und Umbruch stehen können.

Ein neu besetzter Managerposten, vielleicht eine ganz neu geschaffene Rolle wären Ideen für solche Reize von außen. Leute mit genügend Hirn und dem nötigen Status gibt’s abseits der unsäglichen Expertenriege genug. Der schon in Sachen Coach als Löw-Erbe gehandelte Ralf Rangnick wäre so ein Macher, der für Akribie und Erfolg steht. Auch Philipp Lahm käme in Frage, der Weltmeister ist und als prägende Figur eine ganze DFB-Ära gestaltet hat. Oder vielleicht sogar Matthias Sammer.

Wie gut der für den Erfolg ist, da können sie beim DFB ja mal beim FC Bayern nachfragen…