Ein dunkler Schatten holt eine NBA-Legende ein

Ein dunkler Schatten holt eine NBA-Legende ein
Ein dunkler Schatten holt eine NBA-Legende ein

Er war einer der besten Spielmacher der NBA.

Fünfmal All-Star, in der Meistersaison der Detroit Pistons 2004 Leistungsträger und MVP der Finalserie, in der sein Team den L.A. Lakers den Titel wegschnappte - dem Superteam, in dem damals neben Kobe Bryant und Shaquille O'Neal auch noch die Hall-of-Fame-Kollegen Karl Malone und Gary Payton mitmischten (Alles zur NBA).

Chauncey Billups stahl ihnen damals die Show, "Mister Big Shot" verewigte sich als Anführer, trat 2014 als Legende ab. Sein Trikot mit der Nummer 1 wurde von den Pistons nie mehr vergeben.

Dass Billups nun seinen ersten Cheftrainer-Job in der NBA bekommen hat: nicht verwunderlich, an sich. (SERVICE: Der Spielplan der NBA-Saison 2020/21)

Doch aus Gründen, die nichts mit Billups' sportlichen Meriten zu tun haben, hat sich über sein Engagement bei den Portland Trail Blazers ein Schatten gelegt. Grund sind die ungeklärten Ereignisse einer Novembernacht im Jahr 1997.

Chauncey Billups von schwerem Vorwurf eingeholt

Gegen Billups wurde damals ein Vergewaltigungsvorwurf erhoben - der im Jahr 2000 in einem Zivilprozess mündete, der mit einer außergerichtlichen Einigung mit dem mutmaßlichen Opfer endete.

Billups, damals ein 21 Jahre alter Rookie bei den Boston Celtics, stand nie vor einem Strafgericht, der Fall war in seinen späteren Karriere-Jahren eher in Vergessenheit geraten.

Doch #MeToo und Co. haben den Blick auf das Thema verändert, Billups' Rückkehr ins Rampenlicht neue Aufmerksamkeit auf den trüben Fleck in seiner Vergangenheit gelegt - und die Trail Blazers unter Rechtfertigungsdruck gesetzt.

Portland Trail Blazers verteidigen sich und Billups

Schon als durchsickerte, dass Billups Kandidat in Portland war, wurde General Manager Neil Olshey mit kritischen Fragen konfrontiert. Olshey lehnte Antworten ab, unter Verweis auf die noch laufende Trainersuche. (SERVICE: Die Tabellen der NBA)

Als Billups in dieser Woche dann den Medien präsentiert wurde, verdrängte seine persönliche Vorgeschichte dann praktisch alle sportlichen Fragen. Sowohl Billups als auch Olshey waren darauf vorbereitet und begegneten der Medienrunde mit einer Verteidigungsstrategie - mit der sie jedoch an ihre Grenzen stießen.

Olshey erklärte, dass seine Franchise die Vorwürfe "sehr ernst genommen" und eine "eigene, unabhängige Untersuchung des Vorfalls von 1997" vorgenommen hätte. Das Ergebnis: "Nichts ohne Konsens ist geschehen", die Verantwortlichen der Trail Blazers stünden daher hinter dem 44-Jährigen, es gebe "nichts, was ihn disqualifizieren würde".

Auch Billups kam von sich aus auf das Thema zu sprechen. Seit damals vergehe "kein Tag, an dem ich nicht darüber nachdenke, wie jede Entscheidung, die wir treffen, große Folgen auf das Leben eines Menschen haben kann".

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Er hätte "einige harte Gespräche mit meiner Frau - damals meiner Freundin - und meinen Töchtern geführt. Über das, was tatsächlich passiert ist und was sie stattdessen über mich in den Nachrichten lesen können". Die "Erfahrung", die er damals gemacht hätte, hätte "mein Leben auf sehr vielen Ebenen geprägt".

Viele offene Fragen im Fall Billups

Konkretere Nachfragen zu den Ausführungen von Billups und Olshey wurden dann jedoch abgewürgt. Die Frage, wer die "unabhängige Untersuchung" geführt hätte, beantwortete Olshey ebenso wenig wie die, welche Details Billups entlastet hätten. Das sei "geheim". Eine Nachfrage an Billups wurde dann ebenfalls abgeblockt mit dem Hinweis, es sei alles gesagt.

Tatsächlich gibt es im Fall Billups aber viele offene Fragen, es steht bis heute Aussage gegen Aussage.

Das mutmaßliche Opfer, Ex-Freundin von Billups' damaligem Teamkollegen Antoine Walker, war an dem Abend mit Walker, Billups, Teamkamerad Ron Mercer und anderen Freunden Walkers in einem Comedy-Club. Danach soll es in Walkers Wohnung in Waltham zu einem Übergriff gekommen sein.

Die Frau beschuldigte Billups und Mercer, Teil einer gemeinsamen Vergewaltigung gewesen zu sein, in deren Verlauf sie das Bewusstsein verloren hätte. Sie sei am nächsten Morgen nackt inmitten gebrauchter Kondome aufgewacht, eine ärztliche Untersuchung offenbarte Verletzungen an Hals, Rücken und Intimbereich sowie Spermaspuren.

Die Darstellung der Frau und die belastenden Indizien wurden im 2001 veröffentlichten Buch "Out of Bounds" aufgearbeitet, einem Enthüllungswerk über die "Kultur der Vergewaltigung, Gewalt und Kriminalität der NBA". Die Passagen fanden zuletzt in den sozialen Medien neue Verbreitung.

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Wie alle anderen Beschuldigten wies Billups den Vorwurf zurück, laut seiner Darstellung war er nicht in Walkers Wohnung, hätte mit der Frau aber einvernehmlichen Oralverkehr in einem Auto gehabt, mehr sei von seiner Seite aus nicht passiert.

Kritik an Mavericks-Coach Kidd

Eine Auflösung der ungeklärten Fragen, die alle zufriedenstellt, dürfte es nicht mehr geben. Es bleibt die Frage, wie damit umzugehen ist und ob der Auftritt von Billups und Olshey wirklich ausreicht, um den neuen Job ohne weitere Beeinträchtigungen anzugehen.

Billups ist dabei auch nicht die einzige NBA-Trainerpersonalie, über die aus persönlichen Gründen diskutiert wird: Auch zum Lebenslauf von Jason Kidd, dem neuen Coach der Dallas Mavericks, gehört neben einem NBA-Titel und zehn All-Star-Nominierungen ein Schuldbekenntnis häuslicher Gewalt gegen seine Ex-Frau aus dem Jahr 2001 - und neuerliche, von Kidd bestrittene Vorwürfe nach der Trennung des Paares sechs Jahre später.

Obwohl auch das länger her ist und Dallas nicht die erste Trainerstation von Dirk Nowitzkis Weggefährten ist, hat sich auch aufgrund der Vorgeschichte der Mavericks Kritik an der Personalie entzündet: Bei den Mavs wurde 2018 ein großer Belästigungsskandal aufgedeckt, in dessen Zentrum der frühere Präsident Terdema Ussery stand.

"Mark Cuban ist ins nationale Fernsehen gegangen und hat geweint, als Rachel Nichols ihn gegrillt hat wegen des toxischen Arbeitsumfelds, das sein Team zugelassen hat. Und drei Jahre später holt er Jason Kidd?", wunderte sich vor diesem Hintergrund unter anderem CBS-Reporterin Jasmyn Wimbish.

Blazers-Star Lillard überrascht

Kidd war übrigens auch in Portland Kandidat, ebenso wie die Trainerpionierin Becky Hammon.

Die auf vielen Ebenen pikante Konstellation brachte auch Blazers-Star Damian Lillard in Erklärungsnot. Als er in einem Interview meinte, dass er Billups oder Kidd als geeignete Kandidaten für sein Team sehen würde, kassierte er mit Blick auf deren Vorgeschichte ebenfalls Fan-Kritik.

Lillard antwortete mit dem Hinweis, dass er "solche Dinge" natürlich nicht unterstütze. Er hätte aber nichts von den Vorwürfen gewusst.