Wer holt Gold für Deutschland?

Bereits am Mittwoch starten die 32. Olympischen Spiele in Tokio unter besonderen Bedingungen.

Corona-Ängste, keine Zuschauer, Kritik von allen Seiten - die Lage in Japan bleibt angespannt. Für die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer heißt es nun umso mehr, alle störenden Nebengeräusche auszublenden und den Fokus auf die Jagd nach Medaillen zu legen.

Mehr als 430 Athletinnen und Athleten schickt der Deutsche Olympische Sportbund nach Japan. In Rio de Janeiro räumten sie vor fünf Jahren 42 Medaillen ab, davon 17 goldene. Wie stehen die Aussichten in diesem Jahr?

SPORT1 zeigt die größten deutschen Medaillen-Hoffnungen:

Malaika Mihambo (Weitsprung)

Vor den Spielen hat die Weitsprung-Weltmeisterin nach ihrer Form aus ihrem Goldjahr 2019 gesucht, ihre offizielle Saisonbestweite liegt nur bei 6,92 m - aber mit ihrer grundsätzlichen Klasse ist mit Mihambo natürlich auch in Tokio zu rechnen. Der Weg zum ersehnten Olympia-Gold wird für Deutschlands Sportlerin des Jahres aber alles andere als leicht.

Während ihre Konkurrentinnen in diesem Jahr gleich reihenweise über die magische Marke flogen, schaffte Mihambo dies nur einmal mit unzulässiger Windunterstützung. Die 27-Jährige startet trotzdem mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen: „Ich weiß, was in mir steckt, ich weiß, dass ich sieben Meter und auch weit über sieben Meter springen kann.“

Johannes Vetter (Speerwurf)

Zwar plagt sich der Ex-Weltmeister gerade mit ein paar Adduktorenproblemen herum, aber der Weg zum Speerwurf-Gold führt nur über den Offenburger. Niemand außer Vetter (96,29 m) hat in diesem Jahr bisher die 90-Meter-Marke geknackt, dem 28-Jährigen gelang dies schon fünfmal.

Entsprechend optimistisch ist Vetter vor den Spielen: Er reise mit einem „sehr guten Gefühl“ nach Tokio und „da hole ich mir die Goldmedaille“.

Christin Hussong (Speerwurf)

„Ich kämpfe darum, dass ich aus Tokio mit einer Medaille nach Hause komme“, kündigte die 27-Jährige, die die Rolle der Mitfavoritin auf Gold einnimmt, im Vorfeld an. Platz vier bei der WM 2019 in Doha hat Hussong gar nicht gefallen, ihre Steigerung auf 69,19 m hat der Speerwerferin aber zusätzliches Selbstvertrauen gegeben. Derzeit liegt die Europameisterin auf Platz zwei in der Welt.

Niklas Kaul (Zehnkampf)

Läuft alles normal im Zehnkampf, machen der Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich) und der Kanadier Damian Warner, der zuletzt in Götzis hauchdünn die 9000-Punkte-Marke verpasste, Gold und Silber unter sich aus. Weltmeister Kaul kann in Topform um Bronze kämpfen.

„Es sind sieben, acht Leute, die unter sich die Medaillen ausmachen werden“, so Kaul. Aber es komme immer auf die Tagesform an.

Konstanze Klosterhalfen (Langstreckenlauf)

Gleich Anfang des Jahres ließ das deutsche Laufwunder mit ihrem nationalen Rekord über 10.000 m (31:01,71 Minuten) aufhorchen, doch derzeit ist es still um die WM-Dritte über 5000 m.

Rückenbeschwerden bremsen die 24-Jährige aus. Kriegt Klosterhalfen diese rechtzeitig in den Griff, könnte bei Olympia etwas möglich sein - vermutlich sind ihre Chancen erneut über 5000 m am besten.

Gesa Felicitas Krause (Hindernislauf)

Eine Olympia-Medaille ist das ganz große Ziel der Hindernis-Läuferin, die 2019 nach 2015 erneut WM-Bronze gewonnen hatte. 2020 lief es bei der 28-Jährigen gar nicht, doch rechtzeitig im Olympia-Jahr stimmt die Form wieder bei „Mrs. Zuverlässig“, die sich erneut in zahlreichen Trainingslagern gequält hat. Die Konkurrenz ist riesig, aber Krauses Wille auch.

Alexander Zverev (Tennis)

Deutschlands Tennisstar ist mit klaren Vorstellungen nach Tokio zu den Olympischen Spielen geflogen. „Ich fahre da schon hin, um für Deutschland um eine Medaille mitzuspielen“, erklärte der Weltranglistenfünfte im Sportschau-Interview, „das heißt jetzt nicht, dass ich gewinne. Aber ich sehe mich schon als Mitfavoriten.“

In der japanischen Hauptstadt führt kein Weg an Novak Djokovic vorbei. Nach den Absagen von Rafael Nadal, Roger Federer oder auch Dominic Thiem gilt der Serbe als der Topfavorit. Zverev hat den „Djoker“ schon geschlagen und traut es sich auch in Tokio zu. „Ich sehe mich als einen, der gegen ihn immer Chancen hat.“

Florian Wellbrock (Schwimmen)

33 Jahre ist es her, dass mit Michael Groß ein deutscher Schwimmer bei den Olympischen Spielen ganz oben auf dem Treppchen stand. Für Wellbrock ist das eine zusätzliche Motivation. „Ich bin jetzt in der glücklichen Position, über 1500 m um Gold mitzuschwimmen. Das ist eine spannende Sache, ich hoffe, dass es ein gutes Ende nimmt in Tokio.“

Die deutschen Beckenschwimmer haben bei den letzten beiden Olympischen Spielen keine einzige Medaille gewonnen. Wellbrock könnte also zum Retter seines Sports werden.

Timo Boll (Tischtennis)

Timo Boll und Co. haben bei der Tischtennis-EM in Warschau durch ein Rekordergebnis weniger als vier Wochen vor Olympia für chinesische Verhältnisse in Europa gesorgt. Nach einer Medaillenflut mit zuvor unerreichten vier Titeln und dreimal Silber reist das Team des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) mit dem nunmehr achtmaligen EM-Champion Boll als Leitwolf geradezu in „Goldgräberstimmung“ zu den Sommerspielen nach Tokio.

Boll darf sich über eine günstige Setzung für seinen sechsten Griff nach seiner ersten Olympia-Medaille im Einzel freuen.

Anna-Maria Wagner (Judo)

Anna-Maria Wagner ist die erste deutsche Judo-Weltmeisterin seit 1993. Die Studentin des Hotel- und Tourismusmanagements wurde 2017 U23-Europameisterin, holte ein Jahr später EM-Bronze bei den „Großen“ - doch der wirkliche Durchbruch kam erst 2021.

Bei drei großen Turnieren trat Wagner an, gewann jedes Mal - bei den Grand Slams in Tel Aviv und Kasan sowie in Budapest. Das Olympia-Jahr könnte Wagners Jahr werden, der erst zweite Olympiasieg einer Deutschen nach Yvonne Boenisch 2004 ist alles andere als ein unrealistisches Szenario.

Theresa Stoll (Judo)

Nicht nur Wagner sorgt für ganz große Tokio-Träume. Stoll gehört ebenso zu Deutschlands größten Medaillenhoffnungen. Im Gastgeberland der Olympischen Spiele ist Judo ein Volkssport, und die Teilnehmenden aus Japan sind daher auch eine große Konkurrenz.

„Das Schöne beim Judo ist aber, dass am Ende jeder gewinnen kann. Wer eine Millisekunde nicht aufpasst, liegt auf dem Rücken und alles ist vorbei“, sagte Stoll zuletzt. Wenn sie am Tag ihrer Olympia-Kämpfe topfit ist und alles auf die Matte bringen kann, traut sich die 25-Jährige viel zu. Auch eine Medaille.

Handball

Fünf Jahre nach Olympia-Bronze in Rio ist das Ziel erneut eine Medaille. Das DHB-Team tritt fast in Bestbesetzung an, mit Ausnahme von Fabian Wiede und Patrick Wiencek. Bundestrainer Alfred Gislason hat das Erreichen der olympischen Medaillenspiele als Ziel der deutschen Handballer ausgegeben.

„Unser Ziel ist erstmal das Halbfinale“, sagte Gislason bei einem digitalen Medientermin: „Wir wissen, dass wir dafür schon in der Gruppe ein oder mehrere große Teams schlagen müssen.“ Gegner der deutschen Mannschaft in der Vorrunde in Tokio sind Europameister Spanien, Argentinien, Rekordweltmeister Frankreich, Norwegen und Brasilien.

Fußball

Was Stefan Kuntz anpackt, wird zu Gold. Auch auf Olympia hat der DFB-Trainer große Lust. Das DFB-Team startet schon am Donnerstag in Yokohama mit dem Topspiel gegen Brasilien in die Vorrunde. Doch Kuntz denkt längst weiter, sein großes Ziel ist eine Medaille.

Drei unterschiedliche U21-Teams hat Kuntz als Trainer bei einer EM betreut. 2017 und 2021 holte Deutschland den Titel, 2019 war erst im Finale Endstation - besser geht es kaum. Mit einer „Jetzt-erst-recht“-Stimmung will er auch in Japan erfolgreich sein: Nur 18 Spieler fanden sich jedoch für die Gold-Mission, 22 wären erlaubt gewesen.

Basketball

Die deutschen Basketballer sind in Tokio in die heiße Phase der Vorbereitung auf den Olympia-Auftakt einstiegen. „Die Jungs sahen alle ganz gut aus“, so Bundestrainer Henrik Rödl. „Wir haben schon die ersten kleinen Dinge zu unserem ersten Gegner Italien angesprochen, das wird sicher ab Freitag intensiver.“ Am Sonntag startet die Mannschaft ins olympische Turnier. Weitere Vorrundengegner sind Nigeria und Australien.

Die Vorbereitung lief derweil nicht optimal. So hat unter anderem auch die Diskussion über NBA-Topstar Dennis Schröder (zuletzt Los Angeles Lakers), der in Tokio wegen der hohen Versicherungsanforderungen nicht dabei ist, für Wirbel gesorgt.

Hockey

Die DHB-Herren haben bei ihrer Olympia-Generalprobe mit drei Siegen ihren Ruf als Mitfavorit bestätigt. Gegen Olympiasieger Argentinien gab es für das Team von Bundestrainer Kais al Saadi in Valencia ein 2:1 sowie gegen Spanien ein klares 6:2 und ein knappes 3:2 - jeweils nach überzeugenden Auftritten.

Auch die deutschen Damen wollen in Tokio um die Medaillen mitspielen. Beim letzten Härtetest zeigte die Auswahl von Trainer Xavier Reckinger ebenfalls in Valencia gegen Spanien (0:1/3:1) und Argentinien (2:2/2:2) aufsteigende Form.

Kanu

Die Rennkanuten um den dreimaligen Olympiasieger Sebastian Brendel zählen zu den Medaillen-Garanten. Sportdirektor Jens Kahl erwartet sechs bis sieben Medaillen. Vor allem beide Kajakvierer fahren um Gold, dazu die beiden Kajak-Zweier.

Weitere Medaillenchancen ergeben sich aufgrund der Doppelstarts auch für die Canadier-Spezialisten um Brendel, der neben dem Zweier auch noch im Einer wie Conrad Scheibner um Gold fährt. Im Kanuslalom werden von den vier Startern zwei weitere Medaillen anvisiert.

Karate

Europameister und Ex-Weltmeister Jonathan Horne gehört in der Gewichtsklasse über 75 Kilogramm zu den Favoriten. Neben dem Pfälzer hat auch Noah Bitsch bei der Olympia-Premiere seiner Sportart gute Aussichten, kämpfte bis zuletzt aber noch mit Knieproblemen.

Ilja Smorguner und Jasmin Jüttner in der Disziplin Kata bräuchten schon einen extrem guten Tag, um eine Medaille mitzunehmen.

Reiten

Die deutschen Reiter wollen „drei bis fünf Medaillen holen“. Diese Zielvorgabe nannte Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR), im Rahmen einer virtuellen Medienrunde. „Wir haben uns auf dieses Ziel festgelegt“, sagte Peiler: „Das ist ambitioniert, aber in diesem Rahmen wollen wir uns bewegen.“

Der Fokus liegt vor allem auf den drei Mannschaften in Dressur, Vielseitigkeit und Springen, die gemäß dem neuen Reglement nur noch mit jeweils drei Reiterinnen und Reitern pro Equipe antreten dürfen.

Rudern

Die Hoffnungen der Ruderer ruhen einmal mehr auf dem Flaggschiff. Doch neben dem Deutschland-Achter gehört vor allem auch Einer-Weltmeister Oliver Zeidler zu dem großen Gold-Favoriten.

Jonathan Rommelmann und Jason Osborne im Leichtgewichts-Doppelzweier und der Frauen-Doppelvierer haben zumindest reelle Medaillenchancen.

mit Sport-Informations-Dienst (SID)