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Emotionaler Brexit-Tag im EU-Parlament: Feixen, Tränen und Gesang

Parlamentsabgeordnete in Brüssel recken Schals mit der Aufschrift "Always United" in die Höhe, als der Brexit verkündet wird. (Bild: REUTERS/Yves Herman)
Parlamentsabgeordnete in Brüssel recken Schals mit der Aufschrift "Always United" in die Höhe, als der Brexit verkündet wird. (Bild: REUTERS/Yves Herman)

Dass der finale Schritt zum Brexit reibungslos über die Bühne gehen würde, hatte wohl kaum jemand erwartet. Doch mit den emotionalen Szenen, die sich im EU-Parlament abspielten, dürften die wenigsten gerechnet haben.

Fast wirkte es am gestrigen Mittwoch ein wenig, also ob vielen Abgeordneten erst im Moment der Ergebnisverkündung das wahre Ausmaß des Brexits bewusst geworden wäre. Oder als hätten sie bis zum Ende doch noch auf eine plötzliche Wunderlösung gehofft. Doch das Ergebnis, das Parlamentspräsident David Sassoli verlas, war eindeutig. Mit 621 Stimmen bei nur 49 Gegenstimmen bekam das Austrittsabkommen mit Großbritannien eine deutliche Mehrheit. Und das Parlament in Brüssel wurde in einen Ausnahmezustand versetzt. Die Bedeutung des Augenblicks übermannt die Abgeordneten und viele beginnen das traditionelle britische Lied “Auld Lang Syne” zu singen, das normalerweise an Silvester gesungen wird, um das alte Jahr zu verabschieden.

Viele Abgeordnete sind sichtlich gerührt, es werden Schals in die Höhe gereckt, auf denen “Always United” und “United in Diversity” - In Vielfalt vereint - zu lesen ist. Manche der Politiker und Politikerinnen liegen sich in den Armen, es fließen auch Tränen. Es ist zweifelsohne ein Ende der EU, wie viele sie kennen. Auch Parlamentspräsident Sassoli spricht von einem “traurigen Tag für Europa”.

Tränen flossen beim Abschied bei vielen der EU-Abgeordneten. (Bild: REUTERS/Yves Herman)
Tränen flossen beim Abschied bei vielen der EU-Abgeordneten. (Bild: REUTERS/Yves Herman)

Viele der Redner hatten zuvor noch einmal Erinnerungen an die Erfolge der Europäischen Union geteilt und die gemeinsame Vergangenheit beschworen. Zum Auftakt der zweistündigen Debatte sprach der Belgier Guy Verhofstadt darüber, dass es jetzt lediglich noch darum ginge, einen “wilden” Austritt zu vermeiden. Die britischen Abgeordneten lobte er für ihren “Charme, Intelligenz und Dickköpfigkeit”, “zumindest bei den meisten” fügte er auf das Gefeixe der Brexit-Fraktion noch hinzu. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass Großbritannien Europa in zwei Weltkriegen zu Seite gestanden habe.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bedankte sich bei den Briten für deren Beitrag zur EU. Und die CDU-Politikerin wandte sich direkt an alle Briten mit ihrem Versprechen: “Wir werden Euch vermissen und wir werden Euch nicht im Stich lassen.” Ungewohnt pathetisch fügte sie hinzu: “Wir werden Euch immer lieben und nie weit entfernt sein.” Im Plenarsaal war die gedrückte Stimmung bei vielen deutlich zu spüren.

Feixender Farage

Einer, der keineswegs bedrückt war, war allerdings Nigel Farage. Ihn konnte man feixend auf seinem Sitz sehen, wie er seine gestreiften England-Socken in die Kameras hielt. Und der als brachialer Redner bekannte Brexiteer sorgte bei seiner letzten Rede im EU-Parlament noch einmal für Ärger. Weil seine Kollegen verbotenerweise mit Mini-Flaggen wedeln, wurde ihm sogar das Mikrofon abgedreht. Zuvor hatte Farage noch einmal in typischer Manier getönt: “Wir lieben Europa, aber wir hassen die EU.” Am Freitag würde man um 23 Uhr gehen und nicht mehr zurückkehren. Alle langwierigen und schwierigen Verhandlungen, die der EU und den Briten nun bevorstehen, tat er als “nerviges Detail” ab. Danach sah man einen zufriedenen Farage mit “Union Jack”-Flagge und einem Bier vor dem Parlamentsgebäude feiern.

Hat gut lachen: Nigel Farage feiert den EU-Austritt als großen Erfolg seiner Brexit-Partei. (Bild: REUTERS/Francois Lenoir)
Hat gut lachen: Nigel Farage feiert den EU-Austritt als großen Erfolg seiner Brexit-Partei. (Bild: REUTERS/Francois Lenoir)

Dabei gibt es durchaus Fraktionen, die sich für eine baldige Rückkehr von Großbritannien einsetzen. Oder zumindest von Teilen davon. Denn Schottland hat in seinem Regionalparlament bereits über ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien entschieden. Sollten die Schotten dieses Mal dafür stimmen, wäre eine Abkehr von England fast sicher mit der Rückkehr in die EU verbunden.

Auch im EU-Parlament kämpften bis zuletzt mehrere Gruppen für einen Verbleib bzw. eine Rückkehr in die EU. Die Sozialdemokraten verabschiedeten ihre Kollegen der Labour-Partei stilecht mit “it’s not goodbye, it’s au revoir”- man hofft also auf ein Wiedersehen.

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