Entscheidet Österreich über Prokops Zukunft?

Noch am Samstagabend wollte Bob Hanning nichts von einer Trainerdiskussion wissen.

Er sehe "keinen Anlass dazu", dass Christian Prokop in Frage gestellt werde, sagte der DHB-Vizepräsident nach dem bitteren 24:25 der deutschen Handballer gegen Kroatien.

Einen Tag später ließ Hanning allerdings durchklingen, dass Prokops Zukunft sehr wohl am Ausgang der Partie gegen Österreich am Montag (Deutschland - Österreich ab 20.30 Uhr) hängen könnte.

"Für den deutschen Handball ist es elementar wichtig, sich über die verbleibende Europameisterschaft hinaus so präsentieren, wie wir uns das vorstellen", erklärte der 51-Jährige bei SPORT1: "Die Zielsetzung ist ganz klar, dass wir die nächsten beiden Spiele erfolgreich in Wien absolvieren."

Hanning: "Was macht die Mannschaft mit dem Trainer?"

Einen pikanten Satz hatte Hanning bereits zuvor fallengelassen: "Am Montagabend wird sich zeigen: Was macht diese Mannschaft mit ihrem Trainer?"

Durch eine Niederlage gegen Österreich, für das es wegen der Chance auf das Qualifikations-Turnier für die Olympischen Spielen in Tokio "im sportlichen Sinne um Leben oder Tod geht" (Hanning), würde die Trainerdiskussion automatisch an Fahrt aufnehmen. Österreich sei deswegen "der beste Gegner, um all diese Fragen zu überprüfen."

Die Partie gegen den Gastgeber werde "sehr viel über die Mannschaft sagen und darüber, wie wir mit so einer Situation umgehen und ob wir in der Lage sind, positiv gemeinsam ein Turnier zur Qualifikation für die Olympischen Spiele zu spielen."

Stephan schießt gegen Prokop

Zur "gemeinsamen Mannschaft" gehört bekanntermaßen auch der Trainer, der im Zweifel das schwächste Glied ist. Geht es nach Daniel Stephan, ist Prokop, dessen Vertrag bis 2022 läuft, ohnehin nicht mehr zu halten.

"Wir sind seit der WM 2019 keinen Schritt nach vorne gekommen, haben die Vorrunde total verschlafen, das darf nicht passieren", sagte der Welthandballer von 1998 dem SID und nannte "Defizite im Angriff, die zweite Welle funktioniert nicht. Das ist alles sehr ernüchternd."

Prokop sei "nicht der Richtige", habe "zu wenig Erfahrung. Es gibt nach wie vor kein Konzept gegen eine offensive Deckung, und die Wechsel tragen zur Verunsicherung bei."

Ziel Olympia-Gold

Fakt ist: Wieder spielte Deutschland ein großes Turnier unter Prokop - es war sein drittes - und wieder wurde das sportliche Ziel verfehlt. Nach Platz neun bei Prokops verpatzter EM-Premiere 2018 und dem undankbaren vierten Platz bei der Heim-WM vor einem Jahr ist jetzt maximal noch Rang fünf drin - zwingende Voraussetzung dafür ist ein Sieg gegen Österreich.

Neben dem kleinen Ziel, einem erfolgreichen Abschluss der EM, darf das nächste große Ziel nicht wieder verpasst werden. Es sei "verdammt wichtig für den deutschen Handball", beim Qualifikationsturnier in Berlin (16. bis 19. April) das Ticket für Tokio zu sichern, erklärte Hanning.

Zumal der Funktionär für diese Spiele immer wieder ein ambitionierten Wunsch geäußert hatte: die Goldmedaille.

Charaktertest gegen Österreich

Hanning und seine Vorstandskollegen werden sich die Frage stellen, ob diese Aufgabe in der gegebenen Konstellation noch gemeistert werden kann.

Womöglich wird der Charaktertest am Montag Aufschluss darüber geben, die Spieler können gewissermaßen zeigen, dass sie mit Prokop weiterarbeiten wollen. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir zeigen müssen, dass wir eine Mannschaft sind und zusammenstehen", sagte Shootingstar Timo Kastening zu SPORT1.

Wenn sich die deutschen Handballer gegen Österreich und im abschließenden Hauptrundenspiel gegen Tschechien noch einmal ähnlich gut präsentieren, wie es gegen Weißrussland und weite Strecken gegen Kroatien der Fall war, bekommt wohl eine weitere Chance.