Erdogan mobilisiert seine Anhänger zum Wahlkampfabschluss in Istanbul

Zum Abschluss des Wahlkampfes in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan seine Anhänger in Istanbul mobilisiert. Der seit 20 Jahren herrschende islamisch-konservative Präsident könnte die Wahl am Sonntag den Umfragen zufolge verlieren.
Zum Abschluss des Wahlkampfes in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan seine Anhänger in Istanbul mobilisiert. Der seit 20 Jahren herrschende islamisch-konservative Präsident könnte die Wahl am Sonntag den Umfragen zufolge verlieren.

Zum Abschluss des Wahlkampfes in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan seine Anhänger in Istanbul noch einmal mobilisiert. Der seit 20 Jahren herrschende islamisch-konservative Präsident, der die Wahl am Sonntag den Umfragen zufolge verlieren könnte, versammelte seine Unterstützer am Abend zum Gebet in der symbolträchtigen Moschee Hagia Sophia. Sein Herausforderer, der Sozialdemokrat Kemal Kilicdaroglu, schloss seinen Wahlkampf in Ankara ab, wo er Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk demonstrativ Respekt zollte.

Bei seinen verschiedenen Auftritten am Samstag in Istanbul zeigte sich der 69-jährige Erdogan siegesgewiss. In seinem Heimatviertel Kasim Pasa versicherte er: "Wir werden gestärkt aus den Wahlen hervorgehen." Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl am Sonntag werde "denjenigen eine ordentliche Lektion erteilt werden, die das Land spalten wollen". Er feierte auch demonstrativ seine Anordnung aus dem Jahr 2020 als Erfolg, die einst als christliche Kirche errichtete Hagia Sophia wieder zur Moschee umzuwidmen.

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Der 74-Jährige Kilicdaroglu will am Sonntag in Ankara wählen gehen. Dort legte er am Mausoleum von Atatürk, dem Gründer der modernen, laizistischen Türkei, rote Nelken nieder. "Widmet eure Energie dem Aufbau der Zukunft, nicht rückwärtsgewandten Kämpfen", rief er seinen Anhängern zu. Mit Blick auf sein Versprechen, die Türkei zurück zur Demokratie zu führen, hob er hervor: "Wählt den Staat, die Justiz und das Recht, nicht die Parteilichkeit." Kilicdaroglu führt ein Bündnis aus sechs Oppositionsparteien an, auch die pro-kurdische HDP unterstützt ihn.

Präsident Erdogan, dessen Wählerbasis zu einem großen Teil aus religiös-konservativen und nationalistischen Wählern besteht, hatte im Wahlkampf stark auf religiöse Themen und Kulturkampf gesetzt. Die Opposition bezeichnete er als "Pro-LGBT-Lobby" und warf ihr vor, von verbotenen kurdischen Gruppen unterstützt und vom Westen finanziert zu werden. Beobachter sehen in der schrillen Rhetorik einen Versuch, Wähler von der schwersten Wirtschaftskrise seit Erdogans Amtsantritt abzulenken. Auch die katastrophalen Folgen des Erdbebens von Februar mit mehr als 50.000 Toten in der Türkei und Syrien lasten viele Menschen Erdogan an.

Rund 64 Millionen Türkinnen und Türken - darunter rund 5,2 Millionen Erstwähler - sind am Sonntag zur Präsidenten- und Parlamentswahl aufgerufen. Erringt keiner der Präsidentschaftskandidaten im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen, treten die beiden Bestplatzierten zwei Wochen später in einer Stichwahl gegeneinander an.

Für Erdogan, der noch nie in eine Stichwahl musste, könnte es eng werden. Sein Widersacher Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP liegt den meisten Umfragen zufolge vorn.  Zudem könnte der am Donnerstag erfolgte Rückzug des säkular-nationalistischen Kandidaten und Erdogan-Widersachers Muharrem Ince aus dem Rennen die Chancen der Opposition weiter erhöht haben.

In einem am Freitag auf mehreren türkischen Fernsehsendern ausgestrahlten Interview versprach Erdogan, eine mögliche Wahlniederlage anzuerkennen. Auf die Frage, was er bei einer Niederlage täte, entgegnete Erdogan zunächst, dies sei "eine sehr dumme Frage". Er ergänzte: "Wir sind auf demokratischem Wege und mit der Unterstützung unseres Volkes an die Macht gekommen: Wenn unsere Nation eine andere Entscheidung trifft, werden wir tun, was die Demokratie verlangt. Es gibt nichts anderes zu tun."

Erdogan wird seit Jahren vorgeworfen, in der Türkei ein autoritäres Regiment installiert zu haben. Hunderte politische Gegner sitzen im Gefängnis. Kilicdaroglu, der aus Angst vor Attentaten am Freitag im Wahlkampf in schusssicherer Weste aufgetreten war, hat versprochen, im Falle seiner Wahl unter anderem die politischen Gefangenen wieder frei zu lassen. Auch will er das von Erdogan eingeführte Präsidialsystem abschaffen. Künftig soll wieder das Parlament den Regierungschef wählen. Dafür müsste die Opposition allerdings auch die ebenfalls am Sonntag stattfindende Parlamentswahl gewinnen.

In Deutschland hatten bei den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2018 rund 50 Prozent der Wahlberechtigten türkischen Staatsbürger von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Die Unterstützung für Erdogan war mit 64,8 Prozent damals deutlich stärker als in der Türkei selbst (52,6 Prozent). Die 1,5 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland - insgesamt sind im Ausland 3,4 Millionen Türken zur Wahl berechtigt - haben bereits bis zum 9. Mai abstimmen können.

cp