Aufstand der Aufsteiger

Von Jens Fischer

Aufstand der Aufsteiger

Zwei Mannschaften, zwei kleine Wunder. Darmstadt und Ingolstadt rocken die Bundesliga. Vor allem bei den kleinen Darmstädtern kommen Fußball-Romantiker zum Zug. Aber keine Angst, das hier wird kein Plädoyer für die Bewahrung der echten Werte. Die Kommerzialisierung des Profi-Fußballs ist nicht mehr zu stoppen, Geld regiert die Welt. So weit, so schlecht. Denn die beiden Aufsteiger aus den Fußball-Provinzen Darmstadt und Ingolstadt zeigen, dass es auch anders geht.

Seit Wochen leisten sie in Ingolstadt und Darmstadt erfolgreichen Widerstand, sorgen für eine Sensation nach der nächsten und beweisen, dass eine verschworene Gemeinschaft durchaus auch in der Geldmaschine Bundesliga bestehen kann. Sie sind die Revoluzzer der Liga.

Vor allem Darmstadt imponiert. Schaut man auf das Umfeld der Hessen, kommen Fußball-Romantiker ins Träumen: von schwarzen und nicht neongelben Tretern, von müffelnden Umkleidekabinen und dem Bier danach unter Kumpels. Selbst Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer, für viele Inbegriff des Finanzwahnsinns, war beim Gastspiel der Isar-Millionarios am Darmstädter Böllenfalltor romantisch angehaucht. Man mag‘s ihm glauben oder nicht. „Dirk Schuster, bleib bei deinen Leisten“, rappte Marteria am Samstag im „Aktuellen Sportstudio“ und meinte damit: Weiterkämpfen! Bescheiden bleiben! Den Großen weiterhin ein Schnippchen schlagen!

Klare taktische Ausrichtung: Ballbesitz? Kein Interesse!

Darmstadts Trainer Schuster hat Erfolg. Auf Platz zehn liegen seine „Lilien“ derzeit in der Tabelle, gesichertes Mittelfeld also. Die Underdogs vertrauen ihrem Coach, der ihnen eine klare taktische Marschroute vorgibt: eine 4-4-1-1-Defensivordnung, an der sich so mancher Favorit an den ersten Spieltagen die Zähne ausgebissen hat. Ballbesitz? Kein Interesse. Kurzpasspiel? Unbedeutend. Meistens gehen die Angriffe der kleinen Hessen über lange Bälle, von denen laut Statistik nicht einmal sehr viele ihr Ziel erreichen.

Darmstadt setzt auch auf eine Art Verwirrungs- und Verzweiflungstaktik. Zum einen überlassen sie ihrem Gegner komplett die Kontrolle, der dann immer wieder an den eigenen Ansprüchen zerschellt, die Darmstädter nach allen Regeln der Kunst ausspielen zu wollen. Zum anderen surren die Darmstädter umher wie nervende Moskitos und lassen dem gegenüber keine Zeit, Ideen zu entwickeln. Der verzweifelt, die Schuster-Truppe hat ihr Ziel erreicht. Lediglich die Bayern und Mainz waren bislang in der Lage, sie zu schlagen. Die Bayern aufgrund ihrer Klasse, die Mainzer, weil Darmstadt die bislang schlechteste Saisonleistung ablieferte. Kick’n’Rush – in Darmstadt gibt’s das noch.

Ingolstadt auf Platz 5. Wie bitte? Platz 5!

Der Widerstand funktioniert. Das auch beim zweiten Liga-Neuling aus Ingolstadt. Die stehen nach dem Sieg gegen Frankfurt auf einem sensationellen fünften Tabellenrang. Drei von vier Auswärtspartien haben sie gewonnen, gerade einmal sechs Tore in acht Partien kassiert und jetzt auch erstmals zu Hause überzeugt. Auch das Team von Trainer Ralph Hasenhüttl präsentiert sich bislang als verschworene Gemeinschaft, die Angst und Schrecken verbreitet. Auch wenn Sponsor AUDI bei den Donau-Kickern sicher eine Rolle spielt, große Namen fehlen bei den Schanzern.

„Es war der erwartete Abnutzungskampf“, sagte Hasenhüttl nach dem Frankfurt-Spiel. „Unser Hauptziel war es, die Offensive auszubremsen.“ Zwei Sätze, die das Erfolgsrezept der Ingolstädter perfekt umschreiben.

Darmstadt und Ingolstadt – die Sensation der Liga. Eine Frage allerdings bleibt: Erwischt auch sie das Paderborn-Syndrom? Die hatten in der Vorsaison nach zehn Spielen fünfzehn Punkte auf dem Konto, und stiegen am Ende dennoch ab.

____

Folgt Yahoo Sports Deutschland auf Facebook