Das erste und letzte Bild vom Leben

Elian war im Mutterbauch immer der Stärkere der Zwillinge gewesen. In der dreißigsten Schwangerschaftswoche kamen er und seine Schwester Emily spontan zur Welt. Kurz danach erkrankte er an einer bakteriellen Infektion. Als Elians Eltern erfuhren, dass die Bakterien sein Gehirn zerstört hatten, ließen sie die therapeutischen Maßnahmen in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten einstellen – seine Grundversorgung durch Nahrung und Flüssigkeit wurde aufrechterhalten. Wenige Tage später war das Kind tot. Ein sogenanntes Sternenkind hat oft nur wenig Zeit auf Erden verbracht, bevor es sie wieder verlässt. Nicht selten stirbt es vor der Geburt oder noch während es sich ins Leben kämpft. Die Tatsache, dass ein so kurzes Leben häufig nicht einmal offiziell als solches registriert wird, macht den Trauerprozess nicht einfacher. Um eine Erinnerung zu schaffen, die nicht verblasst, gründete Kai Gebel 2013 „Dein-Sternenkind“ – eine rein ehrenamtliche Organisation, deren Anliegen es ist, das Neugeborene fotografisch festzuhalten. „Wir machen wirklich nur, was die Eltern wünschen“, erklärt Heike Gerhards. Seit zwei Jahren fotografiert die Polizistin bei „Dein-Sternenkind“. Mit ihrem Portfolio hatte sie sich beworben und wurde angenommen. „Als ich von der Organisation hörte, war mir sofort klar, dass ich das machen will. Von dem, was ich kann und weiß, möchte ich einfach etwas weitergeben, weil es mir so gut geht.“ Zweifel an ihrer Fähigkeit, mit dem sensiblen Thema umgehen zu können, hatte sie im Gegensatz zu anderen Fotografen nicht. „Als Polizistin weiß man, was man sich zumuten kann. Ganz viele Fotografen machen sich Gedanken, ob sie das machen können.“ Als eine von 15 Koordinatoren reagiert sie sofort auf den schrillen und unüberhörbaren Handy-Ton, der einen neuen Einsatz ankündigt, nimmt Kontakt auf und klärt die Einzelheiten des Notfalls ab. Nicht immer sind es die Eltern selbst, die sich über das Anmeldeformular auf der Website oder die Notfallrufnummer melden, auch Hebammen, Ärzte oder Freunde ergreifen die Initiative. Renate Schlagloth wollte zunächst nichts von der Möglichkeit wissen, Elian fotografieren zu lassen. Nachdem eine Freundin, selbst Mutter eines Sternenkindes, den Kontakt hergestellt hatte, akzeptierte sie einen Termin. Heute ist sie froh, Bilder ihres Sohnes vor und nach seinem Tod zu haben. „Ich möchte, dass Eltern von der Möglichkeit erfahren und sich trauen, ihr Kind fotografieren zu lassen. Vor der konkreten Situation wusste ich nicht, dass es so etwas überhaupt gibt.“Häufig seien Eltern von verstorbenen Kindern nur noch verzweifelt und auf den Tod des Kindes fokussiert, erzählt Renate Schlagloth. „Es gibt für viele Eltern nichts anderes mehr. Mir hat geholfen, dass mein Mann und ich uns immer einig waren und an einem Strang gezogen haben.“ Als Intensivschwester sei ihr sofort klar gewesen, in welchem Zustand Elian sich nach der Infektion befand. Im Gehirnscan konnte sie die zerstörten...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta