Becker erteilt deutschen French-Open-Helden Absage

Kevin Krawietz (l.) und Andreas Mies gewannen sensationell das Doppel-Turnier bei den French Open

"Ich dachte, wo bleibst du denn, warum springst du nicht auf mich drauf?"

Andreas Mies lag nach dem erfolgreichen Matchball auf dem Boden und wartete auf seinen Doppelpartner. Doch Kevin Krawietz konnte nicht springen, er lag selbst auf dem roten Sand von Roland Garros. Beinahe synchron ließ sich das deutsche Herren-Doppel nach seinem Triumph im Finale der French Open auf den Belag fallen und verharrte dort sekundenlang.

Wenige Momente zuvor hatten der Coburger Krawietz (27) und der Kölner Mies (28) Geschichte geschrieben: Sie sind das erste deutsche Doppel seit 82 Jahren, das sich in die Siegerliste eines Grand-Slam-Turniers einträgt.

Im Finale der French Open von Paris schlugen die bisherigen Nobodys die Lokalmatadoren Jeremy Chardy und Fabrice Martin glatt in zwei Sätzen mit 6:2, 7:6 (7:3).

Deutsche Box verärgert französische Fans

Die letzten deutschen Grand-Slam-Sieger im Doppel waren 1937 Gottfried von Cramm und Henner Henkel, ebenfalls in Paris. In einem Finale standen dort zuletzt  Marc-Kevin Goellner und David Prinosil 1993.

"Wir hatten 52 Tickets, aber wir hätten locker das ganze Stadion vollmachen können", jubelte Mies nach dem Triumph. Die deutsche Box stimmte nach dem Sieg "Oh, wie ist das schön"-Gesänge an, die lautstarke Unterstützung hatte die französischen Fans im Lauf des Spiels zwischenzeitlich sogar pfeifen lassen.

Deutsche Grand-Slam-Sieger im Doppel gab es seit Cramm und Henkel dennoch: 1992 gewann Michael Stich ein Jahr nach seinem Erfolg im Einzel gegen Boris Becker an der Seite von John McEnroe (USA) auf dem heiligen Rasen von Wimbledon. Ebenfalls an der Church Road siegte 2010 Philipp Petzschner, er spielte zusammen mit dem Österreicher Jürgen Melzer. Beide waren ein Jahr später dann auch bei den US Open in Flushing Meadows erfolgreich.

"Auswärtsspiel" auf Chatrier

Beim "Auswärtsspiel" auf dem Court Philippe Chatrier dominierten die deutschen Shootingstars von Beginn an. Auch als das französische Duo im zweiten Durchgang besser ins Spiel fand, hatten Krawietz/Mies stets die besseren Antworten parat. Über die gesamte Spieldauer von 85 Minuten returnierten sie aggressiv und brillierten am Netz.

"Wir haben Tränen in den Augen. Heute ist ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich hoffe, dass wir noch lange zusammenspielen", sagte Mies bei der Siegerehrung auf dem größten Court der Anlage im Bois de Bologne.

Mies und Krawietz spielen erst seit eineinhalb Jahren gemeinsam Doppel. Mittlerweile haben sie sechs zweitklassige Challenger-Turniere gewonnen, erreichten 2018 in Wimbledon das Achtelfinale und siegten im Februar in New York erstmals auf der ATP-Tour.

"Wir waren immer fest davon überzeugt, dass wir das Zeug dazu haben, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen", hatte Mies vor dem Finale betont - mit einer beeindruckenden Souveränität ließen er und Krawietz den Worten Taten folgen. Dafür gab es ein gemeinsames Preisgeld von 580.000 Euro - mehr als beide zusammen bislang in ihren gesamten Karrieren erspielt hatten.

"Wir haben das Ganze letztes Jahr gestartet und Challenger-Turniere gespielt. Jetzt stehen wir hier und freuen uns auf die Gras-Saison", erklärte Mies.

Nummer 781 in der Einzel-Weltrangliste

Vor dem Einzug ins Finale von Roland Garros hatte Mies noch versichert: "Wir wissen, wir haben noch Luft nach oben." Der Triumph in Paris kommt dennoch mehr als überraschend.

In der Doppel-Weltrangliste standen die neuen deutschen Tennis-Helden bisher auf Rang 49 (Krawietz) und 50 (Mies), im Einzel lag Krawietz zuletzt auf Rang 269 - Mies ist dort gar nicht mehr aufgeführt. Er war mal die Nummer 781, aber das ist fünf Jahre und ein paar Knieverletzungen her.

Durch ihren Erfolg in Paris spielte sich das Duo nun auch ins Blickfeld für das deutsche Davis-Cup-Team. Bislang waren dort Jan-Lennard Struff und Doppelspezialist Tim Puetz als Punktelieferanten gesetzt. Mit den neuen Grand-Slam-Champions Krawietz/Mies ist die heimische Konkurrenz nun auf einen Schlag gewaltig gewachsen - auch wenn der deutsche Head of Men's Tennis Boris Becker bei Eurosport betonte, dass im Davis Cup erneut Struff und Puetz nominiert werden sollen.

Zukunftsmusik, zunächst steht für das deutsche Sensations-Doppel eine große Party an. Die genauen Pläne wollte Mies nicht verraten, verabschiedete sich aber mit einem Versprechen: "... und dann reißen wir heute Abend noch den Eiffelturm ab."